Energie: Ein Streit um des Kaisers Bart – Peak Oil in Mexiko

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Mexikanisches Rohöl 2001 – 2020

In einem kürzlich erschienenen Buch über den seit zwei Jahren amtierenden mexikanischen Links-Popo-Präsidenten wird ein kritisches Resümee über das erste Drittel von dessen Amtszeit cover_resizedgezogen – vom zentralistischen & selbstherrlichen Stil López Obradors bis zu dessen angeblichem Versagen in der sg. Corona-Krise. Speziell ulkig fällt die (oft berechtigte) Kritik an der wahnhaften Erdölpolitik “AMLOs” aus – vorgetragen von jemandem, dessen eigene Realitätswahrnehmung auch nicht die beste ist.

Den Autor Carlos Elizondo Mayer-Serra (EMS), Professor am Tecnológico in Monterrey, könnte man am besten wohl als “marktfreundlichen Technokraten” charakterisieren, wenn das in mitteleuropäischen Ohren nicht so furchtbar abwertend klingen würde.

Seine Kritik am sozialistischen Volkstribunen, der derzeit im Nationalpalast am Zócalo residiert, ist für die traditionelle politische Klasse Mexikos insofern nicht entlastend, als der Autor diese mehrfach als korrumpiert und abusivo charakterisiert.

Der Erdrutschsieg López Obradors bei den Präsidentschaftswahlen 2018 rühre daher, dass das Wahlvolk dem als Outsider empfundenen AMLO (der seit gut 20 Jahren in der Spitzenpolitik mitmischt) eine historisch beispiellose Ermächtigung und Legitimität gegeben habe.

Sie wählten den Links-Politiker und dessen Wahlbündnis mit 53 Prozent, was für (jüngere) mexikanische Verhältnisse einen überwältigenden Wahlsieg darstellt und seiner MORENA zur Verfassungsmehrheit verholfen hat.

Mitte 2021 stehen wieder “midterm elections” an und die Frage ist lediglich,

wie viel MORENA verliert und ob der movimiento die Verfassungsmehrheit behalten kann (AMLO selbst ist viel populärer als seine Regierung oder sein äußerst heterogenes Wahlbündnis).

Befürchtungen für Ära post AMLO

Trotzdem – oder deswegen? – werde die neue Regierung 2024 (in Mexiko ist nur eine Amtszeit erlaubt) eine des “Wiederaufbaus” sein müssen

- selbst wenn MORENA dann noch einmal den Sieg davon trage.

Bis dahin aber würden

  • die sachkundigen, unternehmenden und Wert schöpfenden Individuen & Gruppen endgültig aus dem Land getrieben sein,
  • die Armen noch ärmer und
  • Rechtssicherheit und staatliche Basisdienstleistungen schlechter als alles bisher Dagewesene sein.

AMLO, meint Elizondo, ist eine zwar ehrliche & charismatische, aber ideologisch verhockte Figur, die “aus dem Bauch heraus” Entscheidungen treffe und seine Umgebung sei diesbezüglich kein Korrektiv – weil sie sich nicht traue und/oder weil sie inkompetent sei.

Als Beispiel dafür führt der Autor die Absage des hauptstädtischen Airport-Projekts Texcoco an

(was aus heutiger Sicht freilich noch einmal ganz anders aussieht    :mrgreen:   ).

Statt rational zu agieren, setze López Obrador auf politische Symbole

- beispielsweise mit der Verlosung des präsidentiellen Jets (AMLO fliegt Linie) sowie der Weitergabe des Tombola-Erlöses an das Gesundheitssystem (statt einer Erhöhung von dessen Budget um einen sinnvollen Betrag).

Irrational wie ein krankhafter Spieler habe der Präsident speziell in Sachen Erdöl agiert, das für AMLO so etwas sei wie ein Glaube, eine Religion (“creencia”).

Dabei habe sich López Obrador verzockt, weil er auf steigende Ölpreise gesetzt habe (Elizondo vergleicht AMLO mit einem anderen angeblichen Zocker-Präsidenten von vor 40 Jahren, was wenigstens fragwürdig ist).

Dieser Blogger, der persönlich eher mit den ordnungs- und wettbewerbspolitischen Vorstellungen von Elizondo Mayer-Serra denn jenen von López Obrador sympathisiert,

sieht in der energiepolitischen Kehrwende AMLOs eher ideologische und machtpolitische Motive als Zockerei.

AMLO hat die von seinem Vorgänger initiierte Öffnung der Erdölwirtschaft jäh gestoppt und setzt voll auf den de facto-Monopolisten PEMEX, die traditionelle Cash Cow des Staatshaushalts.

Ideologie vs. Geologie

Das ist auch insofern “stimmig”, als sozialistische Etatisten praktisch auf der ganzen Welt sich gegen die Öffnung von bisher dem Wettbewerb entzogenen Branchen sträuben und z.B. eine asymmetrische Regulierung zu Lasten von staatlichen incumbents nach Kräften bremsen.

Das hat ideologische, “anti-neoliberale” Motive, aber auch sehr handfeste machtpolitische, auf die hier nicht eingegangen werden soll.

Auch AMLO fährt mit dem staatlichen Ölkonzern (und wohl auch mit dem Stromriesen CFE) einen solchen Kurs und das geht nicht unbedingt auf pathologisches Risikoverhalten zurück.

Nun ist es aber zweifellos richtig, dass die PEMEX-Saga des Andrés Manuel López Obrador einer Slapstick-Komödie gleicht,

in der alles, was schief gehen kann, auf groteske Art und Weise auch wirklich schief geht

und wahrscheinlich haben sich AMLO und seine Berater wirklich verkalkuliert.

Es ist unfreiwillig komisch, wenn jener Staatskonzern, der eigentlich die große Knete für’s Budget abliefern sollte, eine staatliche Rettungsaktion nach der anderen nötig hat, in jeder denkbaren Form, von Kapitalzuschüssen bis zu Steuererleichterungen

Den letzten solchen – 5 Mrd. Dollar teuren – rescate gab es vor ca. zwei Wochen, als Mi Palabra es la Ley bereits erschienen war.

Es reizt auch zum Lachen, wenn die seriell angekündigten Trendwenden in der Produktionskurve aus allen möglichen Gründen nicht und nicht stattfinden wollen und die diesbezüglichen pompösen Ankündigungen wie Seifenblasen zerplatzen.

Das ist die eine Seite.

Die andere Seite der Medaille ist die ebenso komische Sichtweise Elizondos, der nahe legt, dass privates Kapital das Zeug habe, die fatale Abwärtsdynamik in der Ölförderung umzudrehen.

Auch dieser Glaube hat seine ideologischen und biographischen Wurzeln

- Elizondo war in der Amtszeit des AMLO-Vorgängers Enrique Peña Nieto, eines PRI-Mannes,  PEMEX-Verwaltungsrat (natürlich “unabhängig” und vom Senat bestellt;

in dieser Position galt sein Hauptaugenmerk der Umsetzung der Energiereform Peña Nietos).

Wie aus seinem Text hervor geht, ist EMS nach wie vor der Meinung, dass Lizenzvergaben & Produktionsteilungsverträge eine höhere Ölförderung erbringen können (was sich bisher nicht in der sichtbaren Förderkurve Mexikos widerspiegelt).

Derlei mag kurzfristig durchaus zutreffen und den Sinkflug um zwei, drei Jährchen aufhalten – mehr aber wohl kaum.

Wie die langjährige Produktionskurve “oberhalb des Falzes” zeigt, hat sich die mexikanische Erdölförderung seit 2004 von 3,4 auf zuletzt 1,6 Millionen Barrel pro Tag mehr als halbiert -

und zwar unabhängig vom Erdölpreis (der zwischen 2010 und 2015 ja hoch war) sowie von den steigenden Investitionen, die auch keine Wende bei der Förderung brachten (siehe Grafik 6.6 bei EMS).

Auch die Hereinnahme von “Multis” aus dem  Ausland nach 2014 hat wenig bis nichts am düsteren Gesamtbild geändert – um Dinge wie das traurige Schicksal Cantarells oder den jüngsten “Herzinfarkt” Ku-Maloob-Zaaps erst gar nicht anzuschneiden.

Elizondo Mayer-Serra weiß um diese Dinge, wie er in seinem Buch unzweideutig dokumentiert – aber er zieht es vor, diesen nicht auf den Grund zu gehen.

Schließlich, glaubt er, stehe

die von Kohlenwasserstoffen abhängige Welt vor dem Abgang”

und zwar nicht, weil sie das in Ermangelung von “leistbaren Kohlenwasserstoffen” tun müsse, sondern weil immer mehr Strom mit Erneuerbaren produziert und immer mehr Autos mit Strom betrieben würden.

Deswegen müsse sein Land die ihm verbliebenen Erdölreserven so schnell wie möglich fördern und auf den Markt werfen, ehe diese wertlos würden, meint EMS.

Eben so schnell wie möglich und, wie gesagt, mit Hilfe von außen.

Wie z.B. die Sockel von Windrädern oder Verbundstoffe von Solarpaneelen und Rotorblättern ohne dichte fossile Energie hergestellt werden können, scheint Theoretikern dieses Schlags egal zu sein.

Carlos Elizondo Mayer-Serra, Y Mi Palabra Es La Ley. 2021

Unabhängiger Journalist

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