EU-Reform durch Frogs & Krauts ist wie Fahrrad für Fisch: unbrauchbar

Die Außenminister von Deutschland und Frankreich haben ein gemeinsames Papier vorgelegt, das den Geist der 1950er ausströmt und trotzdem beansprucht, Wegweiser für eine EU-Reform 60 Jahre später zu sein. Im Zentrum des Papiers steht eine gemeinsame Sicherheitsagenda, die eine Ansammlung von Phrasen ist, die aus EU-Papieren recycelt worden sind.

Nicht nur, dass die Gemeinplätze, die Frank-Walter Steinmeier und Jean-Marc Ayrault zusammengetragen haben, aus der Produktion der EU-Tintenburgen kommen – verschärft werden sie durch den Umstand, dass sie so etwas wie die Parteimeinung der Sozialistischen Internationale-Europa ausdrücken.

Das garantiert, dass die schon im Original vorhandenen Widersprüche auf die Spitze getrieben werden – indem beispielsweise daherschwadroniert wird, dass das gegenwärtige Asylsystem “für diese Form der Einwanderung der falsche Zugangsweg (ist) und derzeit die falschen Anreize (bietet).”

Im nächsten Atemzug bestehen Steinmier und Ayrault drauf, dass jeder Asylsuchende Anspruch darauf habe, im Einklang mit dem Genfer Abkommen behandelt zu werden.

Kein Wort drüber dass die Genfer Flüchtlingskonvention 1951 entstanden ist und auf einem damals aktuellen refugee-Begriff aufbaut, der auf Flüchtlinge aus Nazideutschland bzw. allerhöchstens aus dem kommunistischen Ostblock abzielte.

Kein Wort, dass dieser historische Begriff unter dem Einfluss der UNO mit neuem Inhalt gefüllt und seither als Tarnbegriff für ungezielte und ungebremste Immigration herhalten muss. Kein Wort, dass die Herkunftsparteien der beiden Politicos dieser Form von Immigration Vorschub leisten – in erster Linie die SPD.

Das dritte Element der deutsch-französischen Phrasendrescherei betrifft “Wachstumsförderung und Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion”.

Diese Kapitelüberschift stellt das womöglich größte uneingelöste Versprechen des Papiers dar.

Von Wachstum (das man nicht fördern, nur zulassen müsste) keine Spur. Stattdessen ein planwirtschaftlicher Evergreen nach dem nächsten, zum Beispiel:

  • Vereinheitlichung der Unternehmensbesteuerung (klarerweise nach oben)
  • Obrigkeitlich verordnete “wirtschftliche Konvergenz”, für die sich “sowohl Überschuss- als auch Defizitländer bewegen” müssen. Das heißt in Übersetzung aus dem Polit-Chinesischen: Deutschland soll sich in Sachen Leistungsbilanz gefälligst zurückhalten (natürlich nur nach innen); sowie
  • von oben verordnete “Solidarität” (auch) in wirtschaftlichen Fragen (Paradebeispiel Griechenland-Kredite).

Zuguterletzt braucht die Union soziale Mindesstandards, ein gemeinsames Budget sowie einen zu einem Europäischen Währungsfonds umgebauten ESM – klarerweise alles zur Wachstumsförderung.

Der einzige Aspekt, der die 10 Seiten von den Vorstellungen im Berlaymont unterscheidet, ist das Zugeständnis, man müsse den “Wunsch anderer Mitgliedstaaten respektieren, selbst zu entscheiden, wann sie die gemeinsame Währung einführen”. Eine solche Aussage ist angesichts des sonstigen Euro-Pflichtenhefts aber eher ein Lippenbekenntnis.

Die Višegrad-Staaten haben das Wortgeklingel des dynamischen Duos bereits in die Schranken gewiesen. Unabhängig vom Papier der Außenminister passt ihnen die Vorgangsweise nicht, mit der die Glühenden Europäer Krisengewinnler des Brexit-Referendums werden wollen.

Der tschechische Außenminister Lubomir Zaoralek sagte dazu in Prag, es ergebe derzeit keinen Sinn, über eine „rasche oder überstürzte Integration zu sprechen“. Das wäre eine „dumme Antwort“ auf das, was in Großbritannien passiert sei.

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Die osteuropäischen Politiker sind offenbar wirklich die einzigen, bei denen die Gehirnzellen noch einigermaßen funktionieren – und allein auf Basis dieses Urteils sollten West- und Mitteleuropäer nicht automatisch weghören, wenn glaubwürdige Polen und Balten erklären, sie hätten Angst vor den Russen.

Sofern es den osteuropäischen Staaten wirklich nur um die Verteidigung des Ihren geht, verdienen sie jede Unterstützung, die ihnen gegeben werden kann – sei es im Rahmen eines (“echten”) NATO-Bündnisfalls oder durch eine genuin europäische Verteidigungsgemeinschaft, die nicht nach der Pfeife der Amerikaner tanzen (und die sich auch selbst finanzieren) muss.

Die historische Ausgangslage dafür müsste jetzt eigentlich viel besser sein als in den 1950er-Jahren, weil

  • die deutsche Wehrmacht in Nord-, West- und Südeuropa nicht mehr jüngste Vergangenheit, sondern eine 70 Jahre alte, verwehende Erinnerung ist und
  • weil russische Panzer heute nicht in Mitteleuropa, sondern 1.500 Kilometer weiter östlich stehen.

Das sollte auch so bleiben und das ist primär die Aufgabe der betreffenden Staaten und sekundär die ihrer (europäischen) Verbündeten.

Überlegungen in diese Richtung würde man eigentlich von einem Papier erwarten, das sich Ein starkes Europa in einer unsicheren Welt nennt.

Unabhängiger Journalist

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