Eine Denkfabrik der französischen Regierung schlägt “zur Rettung des Euro” Teilenteignungen von Wohnungen vor, neben zwei anderen Formen von “Solidarität”, die “wirtschaftlich Starke” für staatliche Schuldner der Zone erbringen sollten. Das ist natürlich kein offizieller “Vorschlag” , sondern nur “Gedankenspielerei”. Deswegen berichten die Schoßhündchen-Medien auch nicht, mit einer Ausnahme.
Die Ausnahme (im deutschsprachigen Raum) heißt Handelsblatt und dieses schreibt hier unter der Überschrift “Enteignung für den Schuldenabbau”.
Der Rest unseres blasierten Mainstreams nimmt keine Notiz.
Eine weitere “halbe Ausnahme” macht vielleicht das manager magazin, das ja nicht von allzu vielen gelesen wird.
mm lässt einen “aus dem Ruder gelaufenen” Berater hier zu Wort kommen.
Der spricht aus, dass ab einem bestimmten Punkt die Aufschuldung nur weitergehen kann, wenn an sich unbeteiligte private Vermögensbesitzer Sicherheiten nachschießen.
So etwas passiert natürlich nicht freiwillig, sondern nur über staatlichen Zwang.
So etwas wird, wenn es denn thematisiert wird, üblicherweise mit dem Schmuckwort Solidarität behübscht.
Man kann ein wenig beschönigend auch Sondersteuer auf Immobilienbesitz sagen, wie Daniel Stelter es tut, aber das trifft den Sachverhalt auch nicht ganz.
Es handelt sich eher um eine Zwangshypothek wie damals, als nach dem Zweiten Weltkrieg dessen “Lasten auf die Schultern aller Deutschen verteilt wurden” – natürlich gerecht.
Das geht technisch ganz einfach, indem sich der Staat per Gesetz zum Miteigentümer jeder (?) grundbücherlich erfassten Wohnimmobilie macht und sich von deren “alten Besitzern” über Jahre und Jahrzehnte hinweg “hinauszahlen lässt”
- was irgendwie ja auch recht und billig ist, weil der alte Eigentümer ja im Miteigentum des neuen Eigentümers wohnen darf.
Das ist derart einfach, dass es in unserer herrschenden Klasse alle verstehen und auch, dass ein solches Eingreifen letztlich alternativlos ist, um einen Lieblingsbegriff der deutschen Kanzlerin zu verwenden.
Hier ist der “zweite Weg” der regierungsamtlichen Denkfabrik im Wortlaut:
Ceci ouvre une deuxième voie qui permettrait à un État excessivement endetté de décréter qu’il devient copropriétaire de tous les terrains construits résidentiels à hauteur d’une fraction limitée de leur valeur. Il deviendrait ainsi créditeur d’une somme annuelle, correspondant à la rémunération du droit d’occupation du sol. Tout propriétaire pourrait diérer son paiement, dont le montant cumulé interviendrait alors au moment de la vente ou de la transmission du bien.”
“Exzessiv verschuldet” ist natürlich ein dehnbarer Begriff, über den man endlose Diskussionen abführen kann, einschließlich der Debatte, ob denn nicht auch die Sozial- und Pensionsversprechen Verbindlichkeiten darstellen, implizite Schulden.
Klar ist nur, dass “hoch verschuldet” von gestern nicht “hoch verschuldet” von heute und schon gar nicht jenes von morgen ist.
Das thematisiert France Stratégie ja auch anhand der Verbindlichkeiten der Euro-Staaten, die innerhalb eines kurzen Zeitraums um etwa 50 Prozent gestiegen sind (eigene Übersetzung):
Binnen zehn Jahren ist der Anteil der öffentlichen Brutto-Schulden der Euroländer von durchschnittlich 65 auf mehr als 90 Prozent gestiegen.”
Natürlich offerieren die Denker der Pariser Denkfabrik auch zwei andere “Vorschläge” die Schulden-Tragfähigkeit der Euro-Staaten zu erhöhen, und das sind:
- die Unterstützung besonders stark verschuldeter Euro-Mitglieder durch die anderen Länder der Zone und/oder
- den Aufkauf nicht verzinster Staatsanleihen (“en les transformant en obligations perpétuelles non porteuses d’intérêt”) durch die EZB und deren endgültige Stillegung in der Bilanz der Zentralbank.
Natürlich lässt sich nicht sicher prophezeien, was danach passieren wird – schließlich hat es eine solche Situation seit Menschengedenken nicht (mehr) gegeben.
Sicher ist aus Warte dieses Bloggers nur, dass jemand bezahlen wird und dass das nicht Herr Macron und Frau Merkel und deren Helferlein in den Parteien und Parlamenten sein werden.
Ziemlich klar ist für diesen Blogger auch, dass die beiden anderen “Vorschläge”, in die die Zwangshypothek eingebettet und damit dem flüchtiigen Blick entzogen ist;
dass also auch der erste und der dritte Weg der France Stratégie auf die Enteignung Privater hinauslaufen – entweder über die “reguläre” Besteuerung oder über eine zentralbankliche “Debasiserung” von Finanzvermögen.
Die Wege eins und drei haben aus Sicht des Staats nur den Nachteil, dass dem System keine zusätzlichen Sicherheiten zugeführt werden und dass diese zwei Wege daher “etwas weniger nachhaltig” als die Zwangshypothek sind.
Vermögende Zahnärzte und vermögende Putzfrauen
Herr Stelter, der bis zu seinem coming out als Debitist Berater von Boston Consulting war und der schon vor seinem Abgang ebendort um etwa 2010 eine verdienstvolle Analyse mit dem Titel “Zurück nach Mesopotamien?” geschrieben hat, ergänzt noch,
dass natürlich nicht nur die staatlichen, sondern auch die privaten Schulden nach dem Prinzip des Kettenbriefes funktionieren;
und dass auch diese Schulden irgendwann “bereinigt werden müssen”, d.h.: per Dekret gelöscht, wie im alten Zweistromland.
Hier ist die Stelter-Analyse in seinem Blog, den er, frei übersetzt, “mehr als offensichtlich” nennt.
Dummerweise handelt es sich bei den Schulden, die zuerst auf Kosten Dritter gerettet und dann doch gelöscht werden, um Zahlungsansprüche, das heißt: Vermögen anderer – und diese sind (in den “reichen Ländern”) auch Otto und Grete Normalverbraucher, die Überschüsse, also Ersparnisse angehäuft haben.
In dieser Gruppe befinden sich Besserverdiener, aber auch die sprichwörtliche fleißige Putzfrau, die sich in einem langen, harten Arbeitsleben 20.000 oder 30.000 Euro erspart hat. Diese wird hier zwecks Verdeutlichung zu den Vermögenden gezählt.
Für diese Vermögen gibt es systemisch wohl keine Rettung, im Enzelfall aber womöglich schon.
Herr Stelter bestreitet seinen Lebensunterhalt damit, zahlungskräftige Kunden zu beraten, wie sie das anstellen könnten und rät zur Diversifizierung: Immos, Gold, Cash und Aktien.
So, glaubt er, seien Vermögende für alle Fälle gerüstet.
Kein entgeltlicher Ratschlag
Dieser Blogger ist ein nobody ohne eine formelle Ausbildung in Finanzwissenschaft (darf aber für sich in Anpruch nehmen, sich schon lange mit unserem Finanzsystem zu beschäftigen).
Er hat kein Beratungsgeschäft, kein nennenswertes Finanzvermögen und auch keine direkten Nachkommen, denen er etwas “hinterlassen muss”.
Aber er hat eine gewisse Empathie ggü. den fleißigen Putzfrauen und will diesen die wenigstens theoretische Chance geben, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen.
Er gibt, weil formal nicht qualifiziert, keinen Investment-Rat, sondern weist nur darauf hin, dass seiner nicht beweisbaren Überzeugung nach der Preis bestimmter Edelmetalle durch offizielle Stellen niedrig gehalten wird (“Verschwörungstheorie”);
und dass dieses Preismanagement nicht ad infinitum aufrecht erhalten werden kann;
aber auch darauf, dass im Fall des Zusammenbruchs dieses Preismanagements eine äquivalente Enteignung mit polizeilichen Methoden erfolgen könnte.
Eins und eins zusammenzählen bzw. das Risiko abwägen müssen die Putzfrauen schon selbst.
Bild: By EU2017EE Estonian Presidency (Emmanuel Macron, Angela Merkel, Christian Kern) [CC BY 2.0], via Wikimedia Commons
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