Fall Ortega macht Check des US-Wählerregisters unausweichlich

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Wahlzelle, Primaries Ohio

Der Prozess gegen eine mexikanische Staatsbürgerin wegen “illegalen Wählens” hat die Debatte um das US-Wählerregister auf eine neue Ebene gehoben. Während des Verfahrens wurde gerichtlich festgestellt, dass Wahlwillige ihre Staatsbürgerschaft oft nicht nachweisen müssen. Das trifft den Nerv einer zwischen Präsident Trump und den Demokraten geführten Debatte um den “popular vote” (etwa: “die Volksabstimmung”) vom 8. November.

Der Kongress wird nach dem Verfahren gegen Rosa Ortega wohl nicht umhin können, die von Trump angekündigte aufwendige Untersuchung des US-Wählerregisters zu finanzieren.

Der Prozess endete in der ersten Instanz mit einem drakonischen Urteil (acht Jahre Gefängnis) wegen Wahlbetrugs bzw. meineidlicher Aussagen in Dallas County, siehe hier. Eine Berufung gilt freilich als wahrscheinlich.

Die Sache kam zufällig ins Rollen, nachdem Ortega, die fast ihr ganzes Leben in den USA zugebracht haben soll, sich in Tarrant County (Texas) neu als Wählerin hatte registrieren lassen wollen. Weil sie erklärte, keine Staatsbürgerin zu sein, wurde sie jedoch abgewiesen.

In einem ultimativen Intelligenzakt erschien die Frau ein zweites Mal vor der Wahlbehörde und meinte, sie habe doch bereits fünf Mal in Dallas County gewählt und wolle jetzt auch hier als Wählerin registriert werden.

Das war der Punkt, an dem die Ermittlungen begannen, die schließlich zum Prozess gegen die Mutter von vier Kindern führten.

Ihre Verteidiger argumentierten, die Frau leide unter einer Lernschwäche, weswegen ihr der Unterschied zwischen ihrem Status als dauernd Aufenthaltsberechtigte (legal permanent resident) und Staatsbürgerin nicht bewusst gewesen sei.

Die Geschworenen nahmen ihr das nicht ab und verurteilten sie wegen ihrer früheren Falschaussage, dass die US-Staatsbürgerin sei.

Von US-Medien zitierte Rechtsanwälte meinen, dass Ortega mit einem plea bargain in der zweiten Instanz glimpflich davon kommen könnte und wohl nur einen kleinen Teil der Strafe werde absitzen müssen (sofern sie bereit ist auszureisen).

Während ihres Prozesses wurde der Vorgang der Wählerregistrierung thematisiert und festgestellt, was im Prinzip ohnedies bereits bekannt ist: dass man sich in zahlreichen counties als Wähler registrieren lassen kann ohne die US-Staatsbürgerschaft nachweisen zu müssen.

Die Sache ist insofern von überregionaler Bedeutung, als sie für ein strittiges Thema zwischen dem neuen Präsidenten und den liberalen Journalisten und Experten zentral ist.

Weil Hillary Clinton am 8. November in Kalifornien und den Ballungszentren an der Ostküste viel mehr Wähler hatte, konnte sie bundesweit fast drei Millionen mehr Stimmen mehr für sich verbuchen als Donald Trump.

Der popular vote, sagen die Demokraten daher, sei klar zugunsten der Clinton ausgegangen.

Aber auch sie bestreiten nicht, dass das praktisch irrelevant ist, weil es bei diesen Wahlen gar keinen popular vote gegeben hat und Trump im Wahlmännersystem eine klare Mehrheit errungen hat.

Doch die Aussage, dass Hillary eigentlich gewonnen habe, wurde Trump immer wieder vorgehalten – was diesen so nervte, dass er twitterte, ohne die illegal abgegebenen drei bis fünf Millionen Stimmen würde er auch den popular vote gewonnen haben.

Als “Beweis” führte er Studien an, die er nie vorlegte (dass Latino-Wähler massiv demokratisch wählen, ist völlig unbestritten).

Er löste damit Unglauben und den Vorwurf aus, seine Behauptungen seien erfunden bzw. eine Lüge. Trump antwortete mit der Ankündigung, er werde bundesweit die Wählerregister untersuchen lassen.

Das ist leichter gesagt als getan.

Das Problem besteht im Durchkämmen von 140 Millionen Registrierten auf nicht Wahlberechtigte, Doppelmeldungen und bereits Verstorbene.

Das wäre ein aufwendiger Prozess, der nur mittels einem Kongressbeschluss finanziert werden könnte – welcher beileibe keine sichere Bank ist, auch wenn die Republikaner das Haus kontrollieren.

In dieser heiklen Situation dürfte der Fall Ortega eine Überprüfung des Wählerregisters unumgänglich gemacht haben.

Denn auch wenn die Demokraten lautstark versichern, dass es keinen nennenswerten Wahlbetrug gegeben habe, Faktum bleibt, dass

in spite of substantial public controversy, very little reliable data exists concerning the frequency with which non-citizen immigrants participate in United States elections.”

Existent sind offenbar nur Hochrechnungen auf Basis lokaler Minatur-Samples.

Schon vor fünf Jahren hat das Pew-Center festgestellt, dass die US-Wählerregistrierung “ungenau, teuer und ineffizient” sei und einen upgrade benötige.

Ungefähr 24 Millionen – jede achte Registrierung – ist entweder nicht mehr gültig oder signifikant ungenau (…) Mehr als 1,8 Millionen Tote werden als Wähler gelistet und 2,75 Millionen Menschen sind in mehr als einem Staat registriert.”

Ob der Kongress es sich leisten kann, eine so bedeutende Sache aus Kostengründen anstehen zu lassen?

Bild: Tim Evanson from Cleveland Heights, Ohio,  [CC BY-SA 2.0 ], via Wikimedia Commons

Unabhängiger Journalist

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