Warum kauft die russische Zentralbank physisches Gold, obwohl von den Sanktionen betroffene Konzerne und Banken nichts dringender brauchen als US-Dollars? Und werden die Chinesen, die auf geschätzten 3.000 Milliarden Sino-Dollars sitzen, die Russen zwischenfinanzieren ? Oder werden sie dem Petrodollar einmal mehr die Haut retten ?
Die USA und die EU führen einen Finanzkrieg gegen Russland, mit dem sie Inflation erzeugen, die Zinsen in die Höhe treiben und die reale Produktion zu schädigen versuchen. Um das zu erreichen, müssen russische Unternehmen von Kreditmärkten in US-Dollars abgeschnitten und Exporterlöse minimiert werden (Erdölpreise).
Anders als bei uns ist nicht die staatliche Verschuldung die zentrale Schwierigkeit – der Verschuldungsgrad der Russischen Förderation liegt derzeit bei 13 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts. Zum Vergleich: Das ist etwa der österreichische Wert zu Beginn der 1970er-Jahre.
Das derzeitige Hauptproblem der dortigen Wirtschaft liegt in den Krediten, die die großen russischen Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren (meist) in Dollar aufgenommen haben. Die müssen sie bedienen.
Der Nichtzugang zu den westlichen Kreditmärkten trifft übrigens nicht nur neue Investitionsprojekte, sondern auch die “alten”. Sobald alte Dollar-Anleihen abreifen, die nicht mehr verlängert werden können, droht den Schuldnern (und deren Gläubigern !) der Zahlungsausfall.
Manche große Unternehmen bzw. Banken, die auf einer Liste stehen, werden von den Sanktionen direkt getroffen, kleinere Firmen werden indirekt in Mitleidenschaft gezogen. Auch wenn es für diese keine direkten Zugangsbeschränkungen zu den Kreditmärkten gibt, werden die Fremdmittel in dem Ausmaß teurer, in dem der Rubel gegenüber dem Dollar sinkt. Heuer ist der Rubel gegenüber der amerikanischen Währung bereits 20 Prozent gefallen
Die russischen Banken bewegen sich rasant auf einen “dollar crunch”, einen Engpass in der Versorgung mit Dollars zu bzw. befinden sich bereits dort. Finanzministerium und Zentralbank versuchen die schwierige Situation mit unterschiedlichen Tricks zu überbrücken, beispielsweise durch Auktionen von staatlichen Fremdwährungskonten. Binnen eines Jahres sollen so 50 Milliarden Dollar an von Sanktionen betroffene Banken versteigert werden. Das ist ein Tropfen auf einem heißen Stein.
Dem staatlichen Ölkonzern Rosneft muss anders unter die Arme gegriffen werden. Allein Rosneft will 48 Milliarden Dollar von einem Fonds, dessen Hauptzweck in der Finanzierung von Pensionen liegt (wahrscheinlich bekommt Rosneft das Geld).
Die Zentralbank wiederum muss Milliarden in Währungsinterventionen stecken, um den Fall des Rubels wenigstens etwas abzubremsen, denn ein zu schneller Fall droht, das Finanzsystem plötzlich zum Einsturz zu bringen. Allein in der vergangenen Woche musste die Zentralbank dafür Devisen im Wert von etwa 10 Milliarden Dollar verkaufen.
Die Zentralbank hat seit Jahresbeginn rund 69 Mrd. Dollar an Devisenreserven verloren und das ist wahrscheinlich bereits eine von der amtlichen Statistik geschönte Zahl. Per Ende September hält sie noch noch bei offiziell 454,2 Mrd. Dollar. Es könnte auch noch gut ein Drittel mehr sein wie der deutsche Geheimdienst glaubt. Vier Jahre soll Russland einer Krise widerstehen können ohne zahlungsunfähig zu werden.
Das lässt sich freilich nicht wirklich berechnen, weil die Situation dynamisch ist, jeden Tag neue Faktoren auftauchen und die Akteure jederzeit ihr Verhalten ändern können. Sicher ist nur, dass die russische Volkswirtschaft in absehbarer Zeit wieder Zugang zu (ergiebigeren) Dollarmärkten benötigt, um a.) Dollar-denominierte Importe zu finanzieren und b.) ihre Schulden zu bedienen. Darauf hoffen, dass 2015 die Sanktionen aufgehoben sein werden zeugt von unverbesserlichem Optimismus.
Dieser Satz gilt aber nur solange der Dollar die Weltleitwährung ist, in der die meisten internationalen Handelswaren bezahlt werden und in der die Zentralbanken ihre Reserven halten. Dass der Dollar in zwei Jahren diese Funktion noch innehat, ist aber keine ausgemachte Sache.
Das Absurde an der heutigen Situation ist, dass Russland an einer Dollarknappheit leidet, während Überschussländer im Rest der Welt mehr als genug von dieser Sorte haben. Die Chinesen beispielsweise sitzen auf Währungsreserven von mehr 4.000 Milliarden – weit überwiegend in US-Dollar. Das ist etwas, was unter Bankern “Klumpenrisiko” genannt wird. Der genaue Anteil wird nicht bekanntgegeben, wird aber auf bis zu 3.000 Milliarden geschätzt.
Hier ein kurzer Blick auf die Wikipedia-Tabelle mit den Ländern mit den weltweit größten Devisenreserven. Die ganze Tabelle findet sich hier.
Die Chinesen sind schon seit Jahren dabei, ihr volkswirtschaftliches “Sparguthaben” zu diversifizieren und wenn die vergangenen Monate sie von diesem Verhalten nicht abgebracht haben, werden sie das weiter tun. Die Situation, in der sich das von den Dollarmärkten abgeschnittene, aber energie- und rohstoffreiche Russland heute befindet, ist eine gute Gelegenheit für das Reich der Mitte; eine Gelegenheit, elektronische Dollars in echtes Gas, Öl und Gold einzutauschen.
Wahrscheinlich wird Peking Moskau mit Dollars finanzieren, sofern ihm die Gegenseite nicht ein noch besseres Angebot unterbreitet (oder es mit militärischen Drohungen gefügig macht). Ein besseres Offert könnte beispielsweise im Versprechen bestehen, direkten Zugriff auf die Ressourcen eines sibirischen Zukunftsstaats zu erhalten, der nach einer Zerschlagung Russlands geschaffen werden soll. Etwa nach dem Muster eines größenwahnsinnig gewordenen Weltkrieg III-Ideologen aus der Ukraine. Siehe hier.
Hier ist übrigens die russische Rezeption des fraglichen Aufsatzes.
Während dieser Blog-Post entsteht, wird in Moskau zweifellos versucht, Sino-Dollars für die Finanzierung der russsischen Wirtschaft aufzustellen. Das passiert in Geheimverhandlungen, die in den kommenden 70 Jahren wohl kaum in der Öffentlichkeit bekannt werden.
Und was tut die russische Zentralbank auf offener der Bühne ? Sie kauft physisches Gold. 1,2 Millionen Unzen im September. Hier ist die Grafik von Nick Laird zur Akkumulation der Goldreserven seit 2006. Anders als z.B. die österreichische Nationalbank weist die russische Zentralbank ihr monetäres Gold unzweideutig als physischen Bestand aus.
Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.