Man muss sie ja nicht glauben – aber die neueste Klimastory ist einfach zu gut um sie zu übergehen. Wissenschafter meinen, dass der von Menschen verursachte Ausstoß von Kohlendioxid schon vor der Industrialisierung eine Eiszeit verhindert hat. Dank Kohlekraftwerken und SUV-Fahrern braucht man sich auch in den nächsten 100.000 Jahren nicht davor zu fürchten.
Die Autoren um Hans-Joachim Schellnhuber gehören (bisher) eigentlich zur Crème der internationalen Warmisten-Orthodoxie und folgerichtig nimmt für sie menschlich verursachtes CO2 eine zentrale Rolle ein; und zwar, wie sich immer mehr herausstellt, auch vor dem Zeitalter von Kohle & Erdöl.
Seit der Ackerbau-Revolution der Jungsteinzeit stiegen die Emissionen an. Das hat schon zu Zeiten der Familie Feuerstein das frühzeitige Ende der “aktuellen” Zwischeneiszeit verhindert, was vor zwölf Jahren schon ein gewisser William Ruddiman deponierte (die Erdbevölkerung belief sich in der Steinzeit auf gerade einmal ein paar Dutzend Millionen).
In der jetzigen aktuelleren Version haben die Treibhausgase von weltweit ein paar Hundert Millionen Menschen & Rindviechern die glacial inception nach dem Ende der sogenannten Kleinen Eiszeit (LIA) verhindert. Unter diesem Begriff wird eine Kälteperiode am Beginn der Neuzeit verstanden, die freilich Lichtjahre von einer wirklichen Eiszeit entfernt ist.
Eine “moderate Steigerung” der Emissionen im Industriezeitalter um 1.000 bis 1.500 Gigatonnen Kohlenstoff könnte die Lebensdauer der Zwischeneiszeit, in der wir leben, von 50.000 auf 100.000 Jahre erhöhen, meinen die Forscher des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung nun in der neuesten Ausgabe von “nature”.
Kohlenstoff und Kohlendioxid
Das ist ein Hammer, den nur wenige bemerken werden (ein Hammer ist es trotzdem). Implizit wird nämlich z.B. die Verdoppelung aller bisherigen CO2-Emissionen als moderat bezeichnet und als hilfreich dargestellt, hilfreich für ein Hinausschieben der nächsten Eiszeit.
Der nature-Artikel ist dem gängigen Klimapolitik-Schmafu diametral entgegengesetzt; er widerspricht dem Schmäh vom Zwei-Grad-Klimaziel, das von Politicos auf der ganzen Welt gebetsmühlenartig beschworen wird.
Wesentlicher Bestandteil dieses Konstrukts ist die Begrenzung der weltweiten Emissionen auf kumulativ 2.900 Gigatonnen (“carbon budget”), was dazu führen soll, dass sich die mittlere Erdtemperatur um weniger als zwei Grad Celsius erhöht. Das ist offizielle Position des IPCC und wird von 154 Nationen unterstützt.
Prognosen wie diese sind ganz offensichtlich ein willkürlich gesetzter, unwissenschaftlicher Schmarren (was unsere Politicos noch nie an irgendwas gehindert hat).
Die Häresie des Potsdamer Autorenteams ist auf den ersten Blick auch nicht ersichtlich, weil es auch unter vielen Wissenschaftlern nicht “modern” ist, zwischen Kohlenstoff (carbon) und Kohlenstoffdioxid (carbon dioxide) zu unterscheiden.
Das ist freilich ein Unterschied mit einem Faktor von 3,7. Soll heißen: 1 Tonne Kohlenstoff sind 3,7 Tonnen Kohlendioxid.
Die ketzerischen nature-Autoren sagen im soeben publizierten Artikel explizit (eigene Hervorhebung):
However, moderate anthropogenic cumulative CO2 emissions of 1,000 to 1,500 gigatonnes of carbon will postpone the next glacial inception by at least 100,000 years.”
1.500 Gigatonnen Kohlenstoff sind aber etwa 5.500 Gigatonnen Kohlendioxid – und davon sind wir heute noch sehr weit entfernt, vor allem wenn es sich um vom Menschen verursachte Emissionen dreht. Laut jüngstem Kohlenstoffbudget hat die Menschheit seit 1870 nur 400 bis 600 Gigatonnen Kohlenstoff freigesetzt, je nachdem, ob man den sogenannten land use change berücksichtigt. Da gehen 600 Gigatonnen carbon schon noch einmal, glauben die Autoren offenbar – und zwar locker!
Also, wenn das kein Versehen ist, gehören diese Typen schnellstens exkommuniziert und dem Potsdamer Institut müssen sofort sämtliche Fördermittel gestrichen werden. Das ist ja richtig empörend, was die so von sich geben !
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Natürlich kann es einem wurscht sein, ob sich Schellnhuber, Ganopolski & Co. von der reinen Lehre entfernt haben, oder ob sie für die Collegas der Klima-Zunft den Boden für einen Schwenk aufbereiten.
Eine Verdoppelung der kumulativen Emissionen aus fossilen Brennstoffen ist real sowieso nicht drinnen, weil noch einmal die gleiche Menge hydrocarbons gar nicht aus dem Erdboden geholt werden kann (aber das ist eine andere Geschichte).
Das Interessante an dem Ansatz sind seine nicht ausgesprochenen politischen Implikationen, die man so kommentieren könnte: Na, wenn’s gegen die Eiszeit hilft! Das hat Potenzial, großes, globales Potenzial für einen ausnahmsweise echt populären wissenschaftlichen Paradigmenwechsel.
Der Kurier zum Beispiel hat das noch nicht ganz kapiert und wertet noch auf die alte Weise. Er befindet sich nach wie vor im Fahrwasser des bisher geltenden Mems und urteilt im Zuge seiner Lifestyle-Berichterstattung: “Der Mensch stört die natürlichen Abläufe massiv.”
Ganz recht, Kurier: Gemäß den Potsdamer Klimaforschern pfuschen die Menschen Mutter Natur ins Handwerk. Sie stören Muttern dabei, die Éiszeit wieder aufzunehmen und z.B. Toronto unter einer 2,1 Kilometer und Chicago unter einer 900 Meter dicken Eisschicht zu begraben. Pöhse Menschen!
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Dieses Urteil ist zwar, wie die Amis sagen würden, way beyond my pay grade, aber ich glaube den Einschätzungen und Rechenkunststückchen der Potsdamer Klimaforscher kein Fitzelchen. Im Speziellen nicht,
- dass die gegenwärtige Zwischeneiszeit ohne menschliches Zutun 50.000 Jahre und mit unseren “Abgasen” 100.000 Jahre andauern wird. Interglaziale dauern im Durchschnitt aber nur 10.000 bis 11.000 Jahre und die haben wir 2015 bereits konsumiert. Die längste mir bekannte Zwischeneiszeit fand im Pleistozän statt. Sie hat ungefähr 50.000 Jahre angehalten. Die Klimahistoriker nennen sie MIS 11. 50.000 Jahre würden vorerst einmal reichen, aber, wie gesagt, normal war das nicht.
- Zweitens kann ich nur schwer akzeptieren, dass eine höhere CO2-Konzentration in der Atmosphäre gewissermaßen monokausal höhere Erdtemperaturen verursacht. Das ist der zentrale Glaubensinhalt der Klimakirche und von diesem Dogma sind die Potsdamer Häretiker auch nicht abgefallen. Im Gegenteil: Für dieses Dogma haben sie andere Glaubenssätze über Bord geworfen.
In meinem Buch – zugegeben dem eines Laien – beginnen Eiszeiten infolge der Veränderung der Umlaufbahn um die Sonne sowie der Rotationsachse der Erde. Dagegen dürften ein paar Zehntel Promille mehr CO2-Konzentration in der Atmosphäre wenig ausrichten. Ich kann mich natürlich täuschen.
http://wattsupwiththat.com/2016/01/13/this-just-in-ice-age-postponed-due-to-global-warming/
Foto: Druyts.t (Eigenes Werk), Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0
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