Nirgendwo sonst lassen Staaten massenhafte Wanderungsbewegungen über ihre Grenzen hinweg zu, nur mitteleuropäische Politicos glauben, in großem Stil Einladungen an Migranten verschicken zu dürfen. Für Außenpolitik-Kennerin Karin Kneissl ist Vieles aus einer Laune des Augenblicks passiert – die Folgen für die aufnehmenden Gesellschaften werden aber lange anhalten. Zitate aus einem Vortrag und einem Zeitungskommentar.
“Während aus Mitteleuropa Aufnahmen von Selfies der Kanzlerin mit Flüchtlingen oder von Bürgerabordnungen mit Teddybären an den Bahnhöfen gekommen sind, hat das französische Staatsfernsehen Bilder aus einer verdreckten Landschaft um Calais ausgestrahlt (von wo viele Afrikaner versuchen nach England zu kommen, Anm.). Das ist am selben Tag passiert (…) Die Macht der Bilder aus Berlin und anderen Ländern hat uns in eine gruselige Situation gebracht.”
“Die Stimmung in den aktuellen Zufluchtsländern des großen Exodus verdüstert sich. Junge Menschen, die bisher wenig oder nichts mit Politik und Religion am Hut hatten, werden konservativer und extremer. Dies alles ist nachvollziehbar, zumal wir uns in einem politischen Vakuum bewegen, in dem die regierenden Parteien versagt haben.” Die Presse, 15.1.2015
“Der Zustand Europas ist besorgniserregender als der des Nahen Ostens. Das heutige Europa und der Libanon der 1970er sind sich wahnsinnig ähnlich. In beiden Fällen lief und läuft es auf Zerfall des Staats, der Institutionen hinaus. Der Libanon ist heute (nach dem Bürgerkrieg, Anm.) aber immer noch da – trotz alledem. Die Libanesen haben eine Mentalität, eine Leichtigkeit, die die Europäer nicht haben.”
“Die USA haben schon vor Jahren klargemacht, dass sie sich aus der Region zurückziehen werden. Die Asiaten werden das Geschäft machen und die Europäer auf dem menschlichen Scherbenhaufen sitzen bleiben (…) Wenn ich ein Land aufbauen will und einen Auftrag zu vergeben hab’, werd’ ich eher den südkoreanischen Anbieter nehmen, wenn ich damit rechnen kann, dass der nicht sofort wegen irgendeiner Sanktion abspringen muss.”
Dr. Kneissl studierte Jus und Arabistik und ist heute als unabhängige Analystin und Autorin tätig (“Der Energiepoker”, „Testosteron Macht Politik“).
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