Hellas: “Sie haben größten Kredit an insolventesten Staat vergeben”

yanis
Späterer griechischer FM vor einem Jahr

Hier ist der zurückgetretene griechische Finanzminister, der keinen Zweifel daran lässt, dass die Hilfskredite im Wissen vergeben wurden, dass sie niemals zurück erstattet würden – sowohl 2010 als auch 2012. Unsere politische Klasse ist aber gerade dabei, das dritte Paket zu genehmigen. Österreichs NR-Präsidentin Bures sagte soeben, das Parlament könne weiteren ESM-Mitteln ohne Plenum binnen 24 Stunden zustimmen. Der Putsch ist so offensichtlich, dass ihn niemand übersehen kann.

Varoufakis war zum Zeitpunkt des Interviews mit der ARD – im Juni 2014 – noch nicht im Amt. Minister wurde er erst Anfang 2015, nach dem Wahlsieg der Syriza. Anfang der Woche ist er wieder zurückgetreten. Der Interviewer heißt Harald Schumann. Dank an Heiko Schrang, dessen jüngstes Stück mich auf die Aussagen aufmerksam gemacht hat.

Auf Youtube findet sich das ganze Gespräch:

Die erste Passage beginnt bei 5 Minuten und 45 Sekunden. Sie lautet in deutscher Übersetzung (eigene Hervorhebungen):

Y.V.: “Was war (nun) der Zweck des Bailouts ? Er geschah nicht, damit Griechenland gerettet würde. Griechenland ist nie herausgehauen worden. Der Bailout-Kredit vom Mai 2010 hatte einen einzigen und einfachen Zweck.”

Interviewer: “Nämlich ?”

Y.V.: “Verluste aus den Büchern der Banken – nicht nur von griechischen, auch von französischen und deutschen – auf die Schultern der Steuerzahler zu transferieren, zuerst der griechischen. Weil man aber wusste, dass diese Schultern zu schwach waren um solche Verluste zu tragen, war es letztlich immer Teil des Plans, sie auf die Schultern der deutschen, französischen, niederländischen und finnischen Steuerzahler zu verlagern. Und die Troika ist dazu da, diesen anrüchigen Transfer zu überwachen.”

Interviewer:  “(…) Ich verstehe das Interesse der Troika nicht, Verbündeter amerikanischer Hedgefonds zu sein, die riesige Gewinne damit machen, Aktien griechischer Banken zu kaufen.”

Y.V.: “Kluge Leute in Brüssel, besonders in Frankfurt und natürlich in Berlin wussten im Mai 2010, dass die Griechen nie imstande sein würden, diese Schulden zurückzuzahlen. Und sie wussten es auch im Frühjahr 2012, als das zweite Paket gewährt wurde. Und sie wissen es jetzt wieder. In ihren Köpfen haben sie einen großen Teil der vielen Milliarden abgeschrieben, die den griechischen Banken gegeben wurden…dem griechischen Staat, damit der es den griechischen und den anderen Banken gibt.”

Die zweite Passage beginnt bei 17:40.

Y.V.: “Der ‘griechische Bailout’ hatte nicht den Zweck, die globale Finanzwirtschaft zu retten. Er hatte den Zweck, die europäischen Banker zu retten. Und jene Politiker, die sie (die Banken) bereits 2008 unterstützt hatten. Die Politiker sollten davor bewahrt werden, dass sie zu ihren Wählern und Parlamenten gehen und ihnen gestehen müssen: ‘Wir haben den Bankern zwar Hunderte Milliarden gegeben, aber das war nicht genug.’ Beim griechischen Bailout ging nur es darum, systematisch das Vorhandensein einer systemischen Krise zu leugnen.” (…)

Y.V.: “Stattdessen haben sie so getan, als ob die griechische Regierung nicht insolvent wäre, sondern nur ein Liquiditätsproblem hätte. Sie haben den größten Kredit der menschlichen Geschichte dem insolventesten aller Staaten gegeben und sie haben dabei agiert, als wären sie irgendwelche korrupten Banker aus der dritten Reihe.”

Das war ein Verbrechen gegen die Menschheit.  Dieses Vorgehen hat Griechenland in eine permanente Verschuldung gebracht, die nie zurückgezahlt werden kann.”

Y.V.: “Es hat eine stolze europäische Nation gegen die andere aufgebracht, weil dem deutschen Arbeiter, der sich mehr oder weniger an der Armutsgrenze befindet (obwohl er täglich 8, 10 Stunden arbeitet) von seiner Regierung gesagt wurde, dass wir bei den Spitälern sparen müssen, während wir gleichzeitig 110 bis 130 Milliarden den Griechen geben – was natürlich nicht gestimmt hat. Dieses Geld ist nie an die Griechen gagangen, sondern an die Banker, hauptsächlich an deutsche und französische Banker.”

Die dritte Passage (ab 7:58) lässt erahnen, welche Milliardensummen bei der Rekapitalisierung der griechischen Banken verteilt wurden und welche Rolle die EZB in dem Spiel eingenommen hat.

Y.V. “Die griechischen Banken haben riesige schwarze Bilanzlöcher (die sie nicht zugeben) – aber etwas ganz ähnliches passiert in der restlichen Eurozone. Deutsche Bank, Finansbank, Bank Paribas befinden sich auf dünnem Eis – natürlich werden auch sie das nie zugeben. Die Angst der Mächtigen in Brüssel, Frankfurt und Berlin entsteht aus der Frage, wie man vermeiden kann, dem deutschen, niederländischen und finnischen Volk zu sagen, dass der Bankensektor nie in einen ausgeglichenen Zustand zurückgekehrt ist.”

Y.V. “Wenn ich der Vorstandsvorsitzende der Deutsche Bank wäre, wären mir die Gefahren bewusst, die sich daraus ergeben, wenn eine Troika in Athen einen allzu kritischen Blick auf die griechischen Banken werfen würde.Wenn die Troika (da) ein starkes Interesse entwickeln würde, müsste sie erklären, dass die griechischen Banken nicht mehr gerettet werden können. ”

 Y.V. “Wenn (…) Europa aber ein besonderes Interesse für die Banken in der Peripherie entwickeln würde, dann hätte die EZB bald keine andere Wahl als sich dafür zu interessieren, was in der Société Generale, der Banque Paribas und der Deutsche Bank passiert.

Y.V.: “Darum sage ich: Die Troika verkörpert NICHT das Interesse des deutschen Steuerzahlers und des französischen Arbeiters. Sie ist eher ausgerichtet auf die Interessen des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank. Es ist schlicht und einfach nicht ihr Geschäft, zu streng bei der Beurteilung der griechischen Banken zu sein sowie bei der Beurteilung der Rekapitalisierung der griechischen Banken durch die griechische Regierung.”

Interviewer: “Wie kann man mit Aktien kaputter griechischer Banken so enorme Gewinne machen wie das das bei amerikanischen Hedgefonds derzeit der Fall ist ?” (paraphrasiert, gekürzt)

Y.F. “Europa versucht derzeit zu verschleiern, dass die Eurokrise weiterhin besteht. Es möchte den Sieg erklären. Das geht am besten dadurch, dass man sagt: Der schwächste Teil der Eurozone, Griechenland, ist über den Berg. (…)

Zuerst haben sie eine Blase bei den Papier-Vermögenswerten der griechischen Banken geschaffen. Wie geht das ? Indem man klar macht – und der Gouverneur der griechischen Zentralbank hat das jedem gesagt, der es hören wollte -, dass die griechischen Banken keinem Stresstest unterworfen würden. Sie werden durch die Aufsichtsbehörden nicht besonders genau analysiert. (…)”

Interviewer: “Sie behaupten also, dass die EZB ihre eigenen Regeln verletzen wird ?”

 Y.V.: “Absolut. Die EZB hat keine andere Alternative als die eigenen Regeln zu verletzen. Denn wenn sie die Wahrheit über den Zustand der großen Banken sagen würde, würde sie eine neue Krise auslösen. Wir tun der EZB etwas Schlimmes an: Wir stellen sie vor die unmögliche Wahl, die Lawine im Bankensektor auszulösen oder nicht die Wahrheit zu sagen. Und wenn sie eine Wahl zwischen diesen beiden Dingen hat, habe ich keinen Zweifel, dass sie nicht die Wahrheit sagen wird.

Sie haben schon früher die Wahrheit verborgen. Ein Beispiel: Wie Sie richtig gesagt haben, haben die griechischen Banken vom europäischen Steuerzahler, vom griechischen Steuerzahler 2013 41 Milliarden bekommen. Was sie nicht wissen, und was nur sehr wenige wissen, ist, dass die griechischen Banken während der selben 12-Monatsperiode weitere 41 Milliarden vom griechischen Staat erhalten haben.”

Y.F.: “Das passierte in Form von Phantom-Bonds, wie ich sie nenne. Phantom-Bonds, die sie an sich selbst ausgegeben haben. Das sind Schuldverschreibungen. Ich schreibe auf ein Stück Papier: “Ich, Yanis Varoufakis, schulde mir selbst 41 Milliarden und ich werde mir ab nächstem Jahr 13 Prozent Zinsen zahlen. “

Das ist ein wertloses Stück Papier, aber wenn ich es zur griechischen Regierung trage, es abstempeln und vom griechischen Staat garantieren lasse, dann kann ich bei der EZB Cash dafür bekommen. Das ist so, weil es der griechische Steuerzahler garantiert hat. (…)”

Y.V.: “In bestimmter Hinsicht wissen sie, dass die griechischen Banken pleite sind. Diese könnten nicht einmal ihre Geldmaschinen betreiben ohne diese Form von massiver, verdeckter und nicht deklarierter Unterstützung – Unterstützung, die nicht durch ein Parlament gegangen ist und die der Kontrolle eines demokratischen Prozesses nicht unterworfen war.

Nun, Herr Paulson (beispielhafter hedge funds investor) weiß das. Er weiß, dass Europa diesen Schwindel erzeugt, diese Blase mit den griechischen Banken. Er wusste lange bevor Sie und ich es wussten, dass diese Blase die Papier-Vermögenswerte eine Weile lang aufblähen wird.””

Foto: Youtube

Unabhängiger Journalist

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