Anwalt Ramin Mirfakhrai hat ein Tatsachengeständnis in Sachen Lauschattacke von Ibiza abgelegt und sich nach § 108 des StGB strafbar gemacht. Er hat seine Berufspflichten verletzt und seinen Anwaltsstatus missbraucht und ist ferner für den Schaden, den er bei HC Strache und Johann Gudenus verursacht hat, zivilrechtlich haftbar. Wie sich an der medialen und politischen Thematisierung des Komplotts gegen die beiden (Ex-)Politiker zeigt, ist Österreich eine leider nur wenig entwickelte Demokratie. Von Dr.Dr. Heinz-Dietmar SCHIMANKO
Das Geständnis
a.) Anwalt Ramin Mirfakhrai legte am Freitag, dem 24.05., abends nunmehr doch über seinen Strafverteidiger öffentlich ein Tatsachengeständnis ab, womit er seine Mitwirkung an der Täuschung des ehemaligen Vizekanzlers H.-C. Strache und des ehemaligen Klubobmanns der FPÖ, Mag. Johann Gudenus, die als Ibiza-Affäre bekannt wurde, eingestanden hat (Kid MÖCHEL, Ibiza-Video: Anwalt legt Geständnis ab, kurier.at 24.05.2019).
Auffallend ist, daß Mirfakhrai noch einen Tag zuvor über seinen Verteidiger “sämtliche Anschuldigungen und Vorwürfe” zurückgewiesen hatte (David KRUTZLER, Ibiza-Video: Wiener Anwalt weist “sämtliche Anschuldigungen und Vorwürfe zurück” – standard.at 23.05.2019). Was das für die Glaubwürdigkeit des Anwalts und dessen Strafverteidigers bedeutet, liegt auf der Hand.
Eine unkoordinierte Vorgangsweise, bei der im Gegensatz zu dem berechnenden und perfiden Verhalten des Anwalts in der Ibiza-Affäre nun eine gewisse Unbeholfenheit des Anwalts zum Ausdruck kommt. Das erscheint durchaus überraschend, mußte dem Anwalt doch bewußt sein, daß er bei Veröffentlichung des Ibiza-Videos von vornherein einer der Hauptverdächtigen sein wird.
b.) Damit ergibt sich, daß der Anwalt Mirfakhrai entscheidend dabei mitgewirkt hat, den bis vor kurzem erfolgreichen Politiker Johann Gudenus nachhaltig zu täuschen, indem eine russische Litauerin, möglicherweise eine Dirne mit schauspielerischen Fähigkeiten (Pleonasmus ?), vorgab, die Nichte eines reichen russischen Oligarchen und am Ankauf einer Liegenschaft der Familie Gudenus interessiert zu sein (N.N. Ibiza-Connection: Schaltzentrale in Wiener Innenstadt, EU-Infothek 21.05.2019).
Dies um nach langem Schaffen einer Vertrauensbasis letztlich die Verbindung zum bislang nicht minder erfolgreichen Politiker Heinz–Christian Strache herzustellen, und diesen und Gudenus letztlich im Juli 2017 in eine Villa auf Ibiza zu locken, und die Beiden dann dort unter Alkoholeinfluß und allenfalls auch unter Einfluß psychotroper Substanzen gegenüber der Litauerin und einer weiteren Person, einem Detektiv, der unter der Legende, deren Begleiter zu sein, auftrat, zur Äußerung von Machtphantasien zu verleiten, was heimlich mit dem nunmehr weltbekannten Ibiza-Video dokumentiert wurde, dessen Veröffentlichung der Anwalt und seine Komplizen bereits damals planten.
Die am 17. Mai 2019 erfolgte Veröffentlichung des Videos bewirkte den Rücktritt von Strache als Vizekanzler der Republik und von Gudenus als Obmann des FPÖ-Parlamentsklubs.
Medienrechtliche Aspekte
Medienrechtlich sind im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Ibiza-Affäre zwei Umstände anzumerken:
a.) Wegen dieses öffentlichen Geständnisses der Tat kann bei der damit konformen Berichterstattung die Unschuldsvermutung zu Lasten des Anwalts nicht mehr verletzt werden (§ 7b Abs. 2 Z 2 Mediengesetz).
Offen ist damit – abgesehen von Details – nur noch die strafrechtliche Beurteilung der Tat, worüber ich hier informiere und meine fachliche Meinung zum Ausdruck bringe. Für die strafrechtliche Entscheidung über die Tat sind aber letztlich ausschließlich die Staatsanwaltschaft und bei einer Anklageerhebung das Strafgericht zuständig.
b.) Entgegen der Forderung des Strafverteidigers des Anwalts nach dem Unterbleiben einer seinen Mandanten identifizierenden Berichterstattung (siehe KRUTZLER, standard.at 23.05.2019) ist es bei der Berichterstattung über diese Staatsaffäre medienrechtlich ohne weiteres zulässig, die Identität des Anwalts zu offenbaren, weil dessen – von ihm nunmehr zugestandene – Mitwirkung an dem Komplott in unmittelbarem Zusammenhang mit dem öffentlichen Leben steht (§ 7a Abs. 1 Z 2 MedienG).
Der im Fall konfligierender Grundrechte von der MRK geforderte faire Ausgleich (vgl. Art 10 Abs. 2 MRK) zwischen dem (auf den Schutz von Persönlichkeitsrechten gerichteten) Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art 8 MRK) und dem Recht auf freie Meinungsäußerung (Art 10 MRK) wird auf innerstaatlicher Ebene durch § 7a Abs. 1 MedienG gewährleistet.
Demnach hat die Abwägung schutzwürdiger Interessen des von der Berichterstattung Betroffenen gegenüber spezifischen Interessen der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung von zur Identifizierung geeigneten Angaben zu erfolgen (OGH RS0125776).
Ein Bezug eines Falls zum öffentlichen Leben besteht nach dem Obersten Gerichtshof insbesondere bei einem Zusammenhang zur Politik, zu öffentlichen Mitteln, zur Volkswirtschaft oder zu öffentlichen Institutionen, zum öffentlichen kulturellen Leben oder dem Sport oder einer Person des öffentlichen Interesses (vgl. OGH 16.03.2011, 15 Os 98/10s), womit ein gerechtfertigtes Interesse der Öffentlichkeit an der Berichterstattung über diesen Fall besteht.
Dieses öffentliche Interesse besteht gerade auch an der Identität dieses Anwalts, weil dieser an dem Komplott, das zum Sturz des Vizekanzlers der Republik und des Klubobmanns einer Regierungspartei und zum vorzeitigen, abrupten Ende der Regierungskoalition geführt hat, maßgeblich beteiligt ist, so daß dessen Identität einen eigenständigen berechtigten Informationswert hat (OGH 15 Os 95/09y, MR 2010, 123; RIS – Justiz RS0125775).
Die dubiose Rechtfertigung des Anwalts
Der Anwalt hat über seinen Strafverteidiger die folgende Rechtfertigung veröffentlicht (entnommen aus N.N., Ibiza-Connection: Anwalt gesteht !, EU-Infothek, 25.05.2019):
Beim Kurier spricht man treffend von einer kuriosen Ansage und einem sehr eigenartigen Schreiben des Verteidigers (Kid MÖCHEL, Ibiza-Video: Anwalt legt Geständnis ab, kurier.at 24.05.2019).
Der Anwalt will sich damit auf eine journalistische Tätigkeit berufen. Das ist von vornherein verfehlt, weil Journalismus in der Durchführung eines Interviews, einer Berichterstattung oder einem Kommentar besteht. Ein Interview wurde auf Ibiza nicht geführt.
Als journalistische Berichterstattung oder Kommentar ist die Tätigkeit des Anwalts auch nicht einzustufen. Denn eine Berichterstattung oder ein Kommentar erfolgen über Situationen oder Ereignisse, an denen Andere beteiligt sind.
Journalismus ist berufsmäßige Fremdbeobachtung mit anschließender Beschreibung oder Kommentierung des Beobachteten (vgl. Siegfried WEISCHENBERG / Maja MALIK / Armin SCHOLL, Journalismus in Deutschland 2005, media perspektiven 7/2006, 346).
Der Anwalt hat aber selbst die betreffende Situation geschaffen, indem er eine Vertrauensbasis geschaffen, das erzeugte Vertrauen dann mißbraucht und H.-C- Strache und Johann Gudenus unter Mitwirkung zweier Darsteller hinters Licht geführt und zu problematischen Aussagen verleitet hat, um diese bei passender Gelegenheit gegen die Beiden zu verwenden. Eine journalistische Tätigkeit hat er dabei also nicht vorgenommen. Außerdem übt er nicht den Beruf des Journalisten aus.
Für diese Einstufung ist nicht relevant, daß der Anwalt bei seiner Aktion perfide gehandelt hat, sondern alleine der Umstand, daß man in einer Angelegenheit nicht zugleich Journalist und Akteur, insbesondere Hauptakteur sein kann. Bei Berufsjournalisten ist man über diese Stellungnahme des Strafverteidigers zu Recht empört.
Zur Abgrenzung ist anzumerken, daß bei den beiden unfreiwilligen Hauptdarstellern des Ibiza-Videos durch deren geäußerte Machtphantasien im Zusammenhang mit einer staatstragenden Funktion problematische Charakterzüge zum Vorschein gekommen sind (sofern man nicht davon ausgehen muß, daß ihnen die Psyche beeinflussende Substanzen verabreicht wurden, z.B. mit Getränken, siehe dazu N.N., Ibiza-Connection: Die unfassbare, einzigartige, ganze Geschichte, Kapitel Einsatz von Alkohol und anderen Substanzen, EU-Infothek 27.05.2019, mit einer etwas umständlichen Umschreibung von besonders starkem Kokain),
wenngleich des gesamte Video nur Wenigen bekannt ist, und die bislang unbekannten Teile des Videos erheblich relativierende Sequenzen enthalten dürften. Sie haben aber nach der Veröffentlichung des Videos sofort die Konsequenz gezogen, indem sie jeweils von ihren staatlichen und politischen Funktionen zurückgetreten sind.
Im Übrigen hege ich eine starke Vermutung, daß bei Treffen anderer Parteien ähnliche Machtgelüste zum Vorschein kommen, was aber – soweit bekannt – bislang nicht gefilmt wurde und nichts beschönigt, sondern vielmehr ein miserables Sittenbild österreichischer Parteipolitik (Macht-, Posten- und Günstlingspolitik) zeigt.
Hier aber wird das Verhalten des Anwalts als einer der Hauptakteure des Komplotts beurteilt.
Bei der strafrechtlichen Beurteilung kommt es auch gar nicht darauf an, ob der Anwalt bei der Aktion journalistisch tätig war. Denn auch ein Journalist hat sich an die geltenden Rechtsvorschriften zu halten. Und die hat der Anwalt mehrfach gebrochen.
Strafbares Verhalten
a.) Wie von ihm selbst zugestanden, hat der Anwalt Mirfakhrai mit der Anbahnung und Herstellung des Ibiza-Videos in Stasi-Manier konspirativ und subversiv agiert, in dem er Strache und Gudenus in eine von ihm errichtete Falle gelockt hat.
Eine Falle, mit hohem Aufwand und Kapitaleinsatz inszeniert, an Hinterhältigkeit kaum zu überbieten. Dies getreu den bei der vielfältigen Schädigung von Menschen altbewährten Stasi–Methoden nach der berüchtigten Zersetzungsrichtlinie (Richtlinie des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR Nr. 1/76 zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge vom 1. Januar 1976).
Er hat also Johann Gudenus und H.–C- Strache vorsätzlich getäuscht. Auf Grund des bekannten Sachverhalts ist indiziert, daß er das mit der Absicht getan hat, die Beiden in deren Rechten zu schädigen. Damit hat er sich strafbar gemacht, und zwar nach § 108 des Strafgesetzbuchs (StGB):
Täuschung
§ 108. (1) Wer einem anderen in seinen Rechten dadurch absichtlich einen Schaden zufügt, daß er ihn oder einen Dritten durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verleitet, die den Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.
(2) Hoheitsrechte gelten nicht als Rechte im Sinn des Abs. 1.
(3) Der Täter ist nur mit Ermächtigung des in seinen Rechten Verletzten zu verfolgen.“
Zu den durch § 108 Abs. 1 StGB geschützten konkreten Rechten gehören (lege non distinguente) Vermögensrechte (OGH 10 Os 35/87), aber auch Persönlichkeitsrechte (vgl. OGH 12 Os 17/89). Persönlichkeitsrechte von Gudenus und Strache wurden durch die Täuschung massiv verletzt, und zwar deren informationelles Selbstbestimmungsrecht (§ 16 ABGB), deren Recht am eigenen Bild (§ 78 UrhG) und deren Recht an der eigenen Stimme (§ 16 ABGB; OGH 6 Ob 287/02b, SZ 2003/24) und deren höchstpersönlicher Lebensbereich (§ 16 ABGB; § 7 MedienG).
Damit wurde an Strache und Gudenus die Straftat des § 108 StGB begangen. Die Schädigung ist eingetreten, so daß das Delikt nicht nur versucht, sondern vollendet ist.
Denn hätten die Beiden die wahren Tatsachen gekannt, dann hätten sie sich nicht auf die privaten Gespräche, insbesondere nicht auf die Plauderei in der Villa auf Ibiza eingelassen, und sie wären nicht im privaten Rahmen abgehört und gefilmt worden, so daß keine (heimlichen) Ton- und Bildaufnahmen von deren Äußerungen ohne deren Einverständnis und damit rechtswidrig angefertigt und veröffentlicht worden wären.
Der Anwalt ist also ein Fall für den Staatsanwalt, sofern H.-C. Strache oder Johann Gudenus die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilen, was Strache bereits getan haben dürfte (Strache zeigt jetzt Video-Trio an, oe24.at, 24.05.2019). Die österreichischen Strafgesetze gelten für die Untaten des Anwalts, weil nach den vorliegenden Informationen die Tat vom Anwalt von Österreich aus geplant und gesteuert wurde, so daß er als Hauptakteur Mittäter der gesamten Straftat ist, auch soweit er nicht selbst vor Ort auf Ibiza ausführend agiert hat (vgl. Ernst Eugen FABRIZY, StGB12 § 12 Rz 7), er die vor Ort in Ibiza tätigen Personen in Österreich zur Tat angestiftet hat (Bestimmungstäterschaft nach § 12 StGB, zweite Variante) und ein maßgeblicher Teil der Täuschung mit Schaffung des Vertrauensverhältnisses zu Gudenus in Österreich erfolgte (§§ 62, 67 StGB), und außerdem von einem Österreicher an Österreichern begangen wurde (§ 64 Abs. 1 Z 7 StGB).
b.) Der Anwalt hat mit der Herstellung des Videos auch das Delikt des unzulässigen Anfertigens und des unzulässigen Zugänglichmachens und Veröffentlichens von (damit neben Bildaufnahmen auch erfolgten) Tonaufnahmen der privaten Äußerungen des Gudenus und des Strache begangen (§ 120 StGB), auch, wenn er nicht bei deren Anfertigung vor Ort war, zumindest durch Beitragstäterschaft, die auch strafbar ist, wenn sie im Vorbereitungsstadium erfolgt (Ernst Eugen FABRIZY, StGB12 § 12 Rz 17). Allerdings ist er auch in diesem Zusammenhang als Mittäter oder ansonsten als Bestimmungstäter (Anstifter) zu kategorisieren.
Das heimliche Anfertigen der Tonaufnahmen war strafbar, weil nach dem bestehenden Informationsstand von vornherein sich andere Personen als Gesprächsteilnehmer von den damit aufgenommenen Äußerungen Kenntnis verschafften, und deren Weiterleitung an andere Personen und deren (auch nur teilweise) Veröffentlichung war strafbar, weil die Äußerungen damit anderen Personen als Gesprächsteilnehmern und damit Personen, für die diese Äußerungen nicht bestimmt sind, zugänglich gemacht wurden.
Die Tat nach § 120 StGB ist aber wertungsmäßig von der strafbaren Täuschung beinhaltet, so daß sie neben einer Bestrafung nach § 108 StGB nicht gesondert zu bestrafen ist (im Juristendeutsch: es besteht strafrechtliche Scheinkonkurrenz in Form von Spezialität und Konsumtion).
c.) Eine nach generellen Vorschriften verwirklichte Strafbarkeit kann im Einzelfall ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer individueller Umstände gerechtfertigt sein, soweit sich das aus den Rechtsvorschriften ergibt. Für das gegenständliche Komplott besteht aber keine Rechtfertigung.
Der Anwalt und seine Kumpane handelten nicht in Ausübung eines Rechtfertigungsgrundes. Die allgemeinen Rechtfertigungsgründe bestehen nicht. Notwehr scheidet schon nach der Art der von Ihnen begangenen Delikte aus.
Weder Strache noch Gudenus haben einen rechtswidrigen Angriff auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, Freiheit oder Vermögen begangen, den sie von sich oder jemand anderem hätten abwehren müssen. Auch eine Notstandsituation besteht nicht, weil für den Anwalt und seine Kumpane keine unmittelbar drohende Gefahr eines persönlichen schwerwiegenden Nachteils bestand, der abzuwenden war.
Für das Delikt des unzulässigen Anfertigens, Zugänglichmachens und Veröffentlichens von Tonaufnahmen (§ 120 StGB) besteht der besondere Rechtfertigungsgrund der überwiegenden berechtigten Interessen. Dieser Rechtfertigungsgrund besteht aber nicht für die strafbare Täuschung (§ 108 StGB), so daß er an dieser Strafbarkeit ohnedies nichts ändern könnte. Dieser Rechtfertigungsgrund gilt nur, wenn die Anfertigung oder Veröffentlichung einer Aufnahme für persönliche Interessen erfolgt (Ernst Eugen FABRIZY, StGB12 § 120 Rz 7). Als solche Interessen werden nur Dokumentationsinteressen anerkannt, etwa wenn jemand in einem behördlichen oder gerichtlichen Verfahren ohne Verwendung einer Tonbandaufnahme in Beweisnotstand geriete, oder jemandes Interesse daran, in einem Verfahren einen Zeugen einer zu seinem Nachteil erfolgenden Falschaussage zu überführen.
Dieser Rechtfertigungsgrund wird von den Strafgerichten restriktiv gehandhabt. So wird beispielsweise nicht einmal das heimliche Abhören von Ferngesprächen des Ehepartners zur Beweisführung im Scheidungsverfahren als gerechtfertigt angesehen (OGH RS0027216).
Öffentliche Interessen sind von den Behörden zu wahren. Wären der Anwalt und seine Kumpane der Meinung gewesen, daß öffentliche Interessen zu wahren sind, hätten sie die zuständigen Behörden informieren müssen. Eine Selbstjustiz ist niemals gerechtfertigt. Zudem ist nach den aktuellen Enthüllungen davon auszugehen, daß der Anwalt und seine Komplizen nicht selbstgerecht und eigenmächtig zum (vermeintlich erforderlichen) Schutz öffentlicher Interessen handelten, sondern zur Erlangung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils (siehe N.N., Ibiza-Connection: Die unfassbare, einzigartige, ganze Geschichte, EU-Infothek 27.05.2019; ob die dort veröffentlichten Enthüllungen schon die ganze Geschichte sind, ist freilich fraglich, vielmehr sind noch Ermittlungen nach Drahtziehern und Hintermännern erforderlich, um auszuschließen, das es bei einer Scheinerledigung mit dem Anwalt als Bauernopfer von politischen Drahtziehern bleibt).
Der besondere Strafausschließungsgrund der journalistischen Sorgfalt hat für den vorliegenden Fall keine Relevanz, weil sein Anwendungsbereich sich nur auf Äußerungen erstreckt, die in Medien erfolgen, und er außerdem nur für Personen gilt, die beruflich als Journalisten tätig sind in einem Ausmaß, das über eine wirtschaftlich unbedeutende Nebenbeschäftigung hinausgeht (Berufsprivileg nach § 29 MedienG; RÖGGLA / WITTMANN / ZÖCHBAUER, Medienrecht, § 29 MedienG Rz 2)
d.) Ob der Anwalt mit der von ihm initiierten Ibiza-Affäre weitere Straftaten wie Urkundenfälschung (§ 223 StGB), Erpressung (§ 144 StGB) oder Datenverwendung in Gewinn- oder Schädigungsabsicht (§ 51 Datenschutzgesetz – DSG, nach § 1 und § 61 StGB grundsätzlich in der im Jahr 2017 anzuwendenden Fassung) begangen hat, wird Gegenstand des eingeleiteten Strafverfahrens sein (vgl. Strache zeigt jetzt Video-Trio an, oe24.at, 24.05.2019).
e.) Die Strafbarkeit wegen dieser Untaten besteht auch für den mitwirkenden Detektiv und die eingeweihten Gesprächspartner von Strache und Gudenus. Es stellt sich nur die Frage, ob sie jeweils als Mittäter oder als Beitragstäter zu bestrafen sind.
Mißbrauch des Anwaltsstatus
a.) Ein Rechtsanwalt ist nach der Rechtsanwaltsordnung (RAO) verpflichtet, eine von ihm übernommene Beratung oder Vertretung dem Gesetz gemäß mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit auszuüben (OGH RS0123208). Der Anwalt hat ein Pflicht zur umfassenden Wahrung der Interessen einer Mandantin oder eines Mandanten (OGH RS0112203).
Es besteht eine besondere Treuepflicht gegenüber dem Klienten (OGH RS0072093, RS0123612). Dazu gehört auch eine dauernde strenge Verschwiegenheitsverpflichtung des Rechtsanwalts als zentrales Element der Ausübung des Anwaltsberufs, weil jeder darauf vertrauen können muss, dass er nicht gerade durch Betrauung eines Parteienvertreters Beweismittel für Vorwürfe welcher Art immer – seien sie rechtlicher oder ethischer Art – gegen sich selbst schafft;
die Verschwiegenheitspflicht bezieht sich insbesondere auch auf alle rechtswidrigen Handlungen des Klienten. (OGH RS0116762). Diese Verschwiegenheitspflicht besteht auch gegenüber Personen, die sich einem Rechtsanwalt anvertrauen und von ihm beraten oder vertreten werden wollen, für die der Rechtsanwalt dann aber nicht tätig wird (OGH RS0116763). Sie umfaßt alles, was dem Rechtsanwalt auf welche Weise auch immer durch seine berufliche Tätigkeit bekannt wird (OGH RS0116763). Eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht ist nur wirksam, wenn sie vom Klienten wissentlich gegeben wird (OGH RS0106283). Selbst bei einer Entbindung bleibt der Rechtsanwalt zur Prüfung verpflichtet, ob die Preisgabe von Informationen für den Klienten nachteilig sein könnte, und ist gegebenenfalls trotz der Entbindung zur Verschwiegenheit verpflichtet (OGH RS0072296).
Bei Geschäften zwischen Parteien und deren Anbahnung hat der Rechtsanwalt unparteiisch zu agieren und die Interessen aller unvertretenen Parteien zu wahren und alle Parteien mit gleicher Sorgfalt und Treue zu behandeln und vor Interessengefährdungen zu behandeln, sofern er nicht zu Beginn seiner Tätigkeit klarstellt, daß er nur für eine Partei agiert (OGH RS0054994).
Ein Anwalt darf einen ihm von einem Klienten erteilten Auftrag nicht dazu nutzen, um (ohne Zustimmung des Klienten) jemand anderem einen Vorteil zu verschaffen (OGH RS0038744).
b.) Angesichts dieser strengen Berufspflichten mit besonderer Pflicht zur Redlichkeit ist evident, daß ein Anwalt, der aus seiner beruflichen Position eine Vertrauensbasis schafft, um eine Täuschung des Klienten zu begehen und diesen zu hintergehen, eine schwere Berufspflichtverletzung begeht.
Diese Berufspflichtverletzung beginnt bereits damit, daß der Anwalt jemandem gegenüber vortäuscht, ihm gegenüber als Anwalt zu agieren, in Wirklichkeit aber gegen ihn agieren möchte. Verstößt der Anwalt auch zum Nachteil anderer Personen gegen Gesetze, so begeht er auch die andere Art von Disziplinarvergehen, die Verletzung von Ehre und Ansehen des Berufsstands der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte.
Mirfakhrai hat mit seiner zugestandenen führenden Mitwirkung an dem Komplott unter anderem seinen Status als Rechtsanwalt und eine damit geschaffene Vertrauensposition mißbraucht, um die strafbare Täuschung zu begehen. Es wäre daher mißbräuchlich und somit rechtlich unbeachtlich, wenn er sich nun bei der Aufklärung der Angelegenheit auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht beruft.
Die Frage, ob er sich gegenüber den Strafverfolgungsbehörden auf die anwaltliche Verschwiegenheit stützen kann, stellt sich aber schon deshalb nicht, weil diese Verschwiegenheitsverpflichtung einen Klienten schützt, aber nicht den Anwalt. Außerdem könnte Gudenus als Klient ihn von der Verschwiegenheit entbinden, dies nach seiner freien Entscheidung gerade zum Zweck der Aufklärung des Komplotts.
c.) Sofern der Anwalt sich in seiner Rechtfertigung auf die berufliche Verschwiegenheitspflicht beruft, weil er im Zusammenhang mit der Ibiza-Affäre von jemand anderem beauftragt sei, so kann das nur der Auftraggeber des Komplotts sein. Die Rechtfertigung des Anwalts ist diesbezüglich nebulos („Da in diesem Zusammenhang eine Mandatierung meines Mandanten erfolgt ist, kann aufgrund anwaltlicher Verschwiegenheitsverpflichtungen keine weitergehende Stellungnahme abgegeben werden.“)
Als Auftraggeber kommen in dieser Sache aber nur Gudenus oder der Auftraggeber des Komplotts in Frage. Alle anderen neben dem Anwalt mitwirkenden Personen waren Schauspieler oder sonst bei dem Komplott in ausführender Weise tätig.
Damit hat der Anwalt eingeräumt, daß er das Kompott in jemand anderes Auftrag gesteuert und durchgeführt hat. Dabei war er aber nicht als Anwalt tätig. Denn so eine in Stasi-Manier vorgenommene operative Maßnahme wie das Ibiza-Komplott ist keine anwaltliche Beratung oder Vertretung. Es ist daher auch insofern verfehlt, wenn der Anwalt sich auf die berufliche Verschwiegenheitspflicht beruft.
d.) Als strafrechtlich Beschuldigter hat der Anwalt aber im Strafverfahren so wie jeder andere Beschuldigte das Recht, nicht auszusagen (§ 49 Z 4 StPO).
Zivilrechtliche Ansprüche
Wegen des vorsätzlichen rechtswidrigen Eingriffs in ihre Persönlichkeitsrechte haben Strache und Gudenus jeweils unabhängig voneinander Unterlassungs-, Beseitigungs- (Löschungs-) und Schadenersatzansprüche, die sie vor dem Zivilgericht geltend machen können.
Auf Grund der Gefahr, daß weitere unzulässige Veröffentlichungen des Videos oder von Teilen davon erfolgen, ist davon auszugehen, daß jeweils auch ein Anspruch besteht auf ein sofortiges (bis zur engültigen gerichtlichen Entscheidung wirkendes) vorläufiges gerichtliches Verbot von Veröffentlichungen zur Sicherung der Unterlassungsansprüche.
Zusammenfassung und Nachwort
a.) Wie sich aus seinem öffentlichen Geständnis ergibt, hat der Anwalt Mirfakhrai mit der Anbahnung und Herstellung des Ibiza-Videos in Stasi-Manier konspirativ und subversiv agiert. Er ist jedenfalls der maßgebliche Akteur bei der Steuerung und Durchführung des Ibiza-Komplotts (Pkt. 1.).
Ob er auch der Planer des Komplotts ist, hängt davon ab, ob er in jemand anderes Auftrag gehandelt hat. Daß er sich in seiner Rechtfertigung darauf beruft, in diesem Zusammenhang von jemandem beauftragt zu sein, läßt in diesem Zusammenhang auf einen anderen Auftraggeber als Gudenus schließen (Pkt. 5.c.), zumal es abwegig wäre, daß dabei Gudenus gemeint ist, weil er eines der Opfer des Komplotts ist.
Ein solcher Auftraggeber hat niederträchtig gehandelt, und das mit hoher Wahrscheinlichkeit aus politischen Motiven. Ob ein solcher Auftraggeber SPÖ-Kreisen oder ÖVP-Kreisen zuzuordnen wäre, ist derzeit offen. Die Staatsanwaltschaft hat auf Grund der von H.-C. Strache erteilten Ermächtigung zur Strafverfolgung gemäß dem Untersuchungsgrundsatz (§ 3 StPO) auch in diese Richtung zu ermitteln.
Der Anwalt hat sich mit seiner Aktion strafbar gemacht, weil er damit das Delikt der strafbaren Täuschung nach § 108 StGB verwirklicht hat (Pkt. 4.a. und b.). Die österreichischen Strafgesetze sind auf diese Aktion anzuwenden, auch soweit Teile davon auf Ibiza durchgeführt wurden (Pkt. 4.a.).
Eine rechtlich wirksame, die Strafbarkeit des Anwalts ausschließende Rechtfertigung besteht nicht (Pkt. 4.c.). Der Anwalt hat bei seiner Untat gar nicht als Journalist gehandelt, weil niemand in einer Angelegenheit zugleich Journalist und Akteur sein kann (Pkt. 3.). Journalismus ist Fremdbeobachtung mit anschließender Beschreibung oder Kommentierung des Beobachteten. Er ist auch kein Journalist. Außerdem hätte sich auch ein Journalist mit einem solchen Komplott strafbar gemacht.
Der Anwalt hat mit der von ihm zugestandenen maßgeblichen Mitwirkung am Komplott und dessen Anbahnung seinen Anwaltsstatus mißbraucht (Pkt. 5.b.) und damit gravierend gegen die für ihn geltenden Berufspflichten (Pkt. 5.a.) verstoßen. Außerdem hat er damit auch das Disziplinarvergehen der Verletzung von Ehre und Ansehen des Anwaltsstandes begangen. Der Kammeranwalt der Rechtsanwaltskammer Wien hat nun pflichtgemäß gegen den Anwalt ein Disziplinarverfahren einzuleiten (§ 21 Disziplinarstatut der Rechtsanwälte).
Auf die anwaltliche Pflicht zur Verschwiegenheit kann der Anwalt sich nicht erfolgreich berufen (Pkt. 5.c.). Er hat aber so wie jeder strafrechtlich Beschuldigte das Recht, nicht auszusagen (Pkt. 5.d.).
Nicht zu vergessen ist, daß der Anwalt gegenüber Gudenus und Strache auch zivilrechtlich haftbar ist (Pkt. 6.).
b.) Univ.-Prof. Dr. Gerhard JAGSCHITZ hat noch im Jahr 2018 vor seinem Tod als Stimme der Vernunft mit differenzierter Betrachtungsweise konstatiert, daß Österreich keine entwickelte Demokratie ist, und dabei gerade Problembereiche wie die Parteiendiktatur mit der Verdrängung Andersdenkender in Außenseiterpositionen, mangelnde Sachlichkeit im politischen Diskurs, täuschende Politinszenierung und die Dämonisierung des politischen Gegners angesprochen,
und die Fehlallokation, daß in politische Agitation investiert wird, anstatt in Bildung (Österreich ist keine entwickelte Demokratie, Interview von Evelyn PETERNEL und Jürg CHRISTANDL mit Univ.–Prof. Dr. Gerhard JAGSCHITZ, kurier.at, 04.02.2018).
Vermutlich zeigt das gegenständliche Komplott, je nachdem welche Hintermänner des Komplotts sich ergeben werden, aber jedenfalls zeigen dessen politische Folgen wieder einmal das in diesem Staat sehr ausgeprägte Lagerdenken mit schon längst ausgeuferter Parteipolitik und einem großen Ausmaß an Polarisierung zwischen Links und Rechts und unsachlicher Politinszenierung, die eine vernünftige, sachliche Diskussion erschwert.
In der pluralistischen Gesellschaft sollte man – gerade auch in der Politik – endlich lernen, miteinander respektvoll, fair und sachlich umzugehen.
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