Den katalonischen Sezessionisten ist es am Sonntag gelungen ihre politische Basis für die Abspaltung zu mobilisieren. 80 Prozent der 2,2 Millionen Katalonen, die an der Befragung teilgenommen haben, sind für eine volle Staatenbildung. Es ist ein Erfolg gegen die Zentralregierung in Madrid und die überkommenen Volksparteien Partido Popular und Partido Socialista Obrero Español.
Ob ein Glas halb voll oder leer ist, hängt oft vom Auge des Betrachters ab. Bezieht man die an sich abstimmungsberechigten permanent ansässigen 900.000 Nicht-Katalonen ein,war das Glas halb leer. Nur etwa ein Drittel der Wahlberechtigten hat seine Stimme abgegeben. Das wirkt ziemlich mager.
Bedenkt man aber, dass die Wahlbeteiligung gegen das Establishment der traditionellen Politkräfte erzielt wurde, dass der Abstimmung keinerlei rechtliche Verbindlichkeit innewohnte und dass Madrid alle Register gezogen hat um die Befragung zu sabotieren, sieht das Bild viel besser aus.
Tatsächlich dürfte die am Sonntag gezeigte Unterstützung für die Unabhängigkeit nicht viel geringer ausfallen als jene für das Autonomiestatut von 2006.
Damals waren Organisatoren und Teilnehmer allerdings nicht so (symbolisch) kriminalisiert worden wie das am Sonntag der Fall war. 2006 hatten quer durch die Bank alle Parteien zur Beteiligung am Referendum aufgerufen.
Die Abstimmung vom Sonntag war höchst polarisierend. Die “spanischen NEOS”, eine Mini-Partei, wollten die Justiz zur Unterbindung des Urnengangs anstacheln – mit einer Denunziation, i.e. Anzeige. Rajoy warfen sie “Beihilfe zur Begehung einer Straftat” vor.
Der wusste wahrscheinlich nicht wie ihm geschieht, weil er wirklich (fast) alles in seiner Macht Stehende getan hat um die Befragung zu verhindern (Er ist aber sicher Politprofi genug, um Verständnis für die Unión Progreso y Democracia aufzubringen).
Seine Volkspartei hat zum Boykott der Abstimmung aufgerufen, die ihrer Meinung nach einen antidemokratischen Akt darstellt. Nicht erfunden, echt wahr !
Auch die Sozialdemokraten waren gegen die Abstimmung, aber auf eine so sophistizierte Art, dass schwer zu erkennen war, ob die PSOE stärker gegen das Referendum oder stärker gegen Rajoy bzw. die bürgerliche Regierungskoalition in Barcelona ist. Der lokale Ableger PSC fand eine salomonische Lösung. Man war für das Volksbefragungsgesetz, aber gegen die Volksbefragung.
Der aktuelle Shooting Star der spanische Politszene, Podemos, hielt sich bedeckt, wie man so schön sagt. Nach allem was erkennbar war, tritt Podemos gegen eine Unabhängigkeitserklärung ein, billigt den Katalonen aber das Recht zu, selbst zu entscheiden.
Im Aufwind sieht sich die bunte Souveränisten-Koalition in Barcelona.
Das ist zunächst einmal der Haupträdelsführer, die bürgerliche CiU. Deren Chef Artur Mas will jetzt, nach der Befragung, mit seinem Weltanschauungs-Freund Mariano über ein verbindliches Referendum verhandeln. Die Republikanische Linke ERC, die lokal 14 Prozent auf die Waage bringt, will schnelle Neuwahlen und eine Unabhängigkeitserklärung durch das neue Parlament. Einen unabhängigen Staat wollen auch die lokalen Grünen (ICV) und die kleine Linkspartei CUP.
Dieser Blogeintrag verdankt die meisten Informationen der sehr guten Berichterstattung der spanischen Tageszeitung El País. Die Bewertung der Fakten ist zur Gänze hausgemacht.
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