Die öffentliche Debatte zum Klimawandel ist zum Kampfplatz ideologischer Behauptungen geworden. Kein Hochwasser, kein Sturm, keine Hitzewelle wird ausgelassen, um das Narrativ von den katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels zu befeuern. Doch zeigt eine historische Einordnung vielfach ein anderes Bild. Von Gregor Hochreiter.
An vorderster Front der institutionalisierten Befeuerung der Klimawandelhysterie durch das Inumlaufbringen von Falschbehauptungen findet sich mit Christine Lagarde ausgerechnet die Präsidentin einer Zentralbank. In einem in der Financial Times am 12. November 2024 abgedruckten Gastkommentar anlässlich des Beginns der COP 29 in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, behauptet sie einer an Wahlkämpfe erinnernden Vehemenz:
We’ve all heard it time and again: either we tackle climate change and safeguard nature, or we face the steep price of our inaction. And that price is rising by the day. Just consider the recent flooding in Spain, the droughts in the Amazon basin or the storms in North America. These events are horrific in and of themselves, but they are also ruining the foundations of our economies and, ultimately, the basis of our economic survival.
Tackling the climate and nature crises demands urgent investment in three areas: climate change mitigation, adaptation and disaster relief. In other words: we must curb climate change to the greatest extent possible, prepare ourselves for what we cannot avoid and help those who are hardest hit. All of this is vital — and all of it is costly. But so far, we have mobilised only a fraction of the funding we need.”
Der zentralen Behauptung dieses Kommentars, wonach wetterbedingte Katastrophen, deren Intensität oder deren Kosten zunehmen, weswegen deren „größtmögliche“ Verhinderung – ein weiteres Whatever it takes – das Gebot der Stunde sei, soll anhand einiger Statistiken und historischer Einordnungen auf den Zahn gefühlt werden.
Die Überschwemmungskatastrophe von Valencia
Eine der drei Beispiele von EZB-Präsidentin Lagarde für die vermeintliche Zunahme von klimawandelbedingten Katastrophen ist die Überschwemmungskatastrophe in Valencia Ende Oktober mit über 200 Toten. Auslöser der die Überschwemmung auslösenden Regenfälle war das in der Gegend häufige Wetterphänomen der „Gota Fria“, dt. Kaltlufttropfen.
Dieses vor allem im Herbst auftretende Wetterphänomen ist ebenso wenig außergewöhnlich wie Überschwemmungen in Valencia. Lt. spanischer Wikipedia hat es vom 14. bis zum 19. Jahrhundert 26 Überschwemmungen in Valencia gegeben, und zwar in den Jahren 1321, 1328, 1340, 1358, 1406, 1427, 1475, 1517, 1540, 1581, 1589, 1590, 1610, 1651, 1672, 1731, 1776, 1783, 1845, 1860, 1864, 1870 sowie 1897. Die Aufzeichnungen aus früheren Jahrhunderten der von den Römern gegründeten Stadt gingen bei einem Brand verloren.
Diese Daten zeigen zweierlei: 1) eine Wellenbewegung im Auftreten der Überschwemmungen; 2.) die geringe Anzahl an Überschwemmungsereignissen seit Beginn des 20. Jahrhunderts.
In den knapp 125 Jahren seit 1900 gab es lediglich zwei Überschwemmungen, einmal jene von 1957 und jene vor einigen Wochen. In früheren Jahrhunderten waren es hingegen im Schnitt über 4.
Die markante Häufung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fand zu einer Zeit statt, als die globale Durchschnittstemperatur zudem deutlich kühler war als heute.
Das steht im eklatanten Widerspruch zu der von Lagarde und vielen anderen gemachten Behauptung, dass die Klimaerwärmung zu einer Häufung von Überschwemmungen in Valencia führt.
Das Gegenteil scheint der Fall.
Eine Erklärung dafür könnte sein, dass von Gota Fria versursachte Starkregenereignisse große Temperaturunterschiede in der Atmosphäre voraussetzen. Eine Erwärmung erhöht allerdings nicht per se das Temperaturdifferenzial der Luftströmungen.
Auch hinsichtlich der Todeszahlen zeigt sich, dass in früheren Jahrhunderten deutlich mehr Todesopfer zu beklagen waren, jedenfalls relativ zur Bevölkerungsgröße, mitunter sogar absolut.
So starben lt. deutscher Wikipedia beim Hochwasser von 1356 zwischen 400 und 500 Menschen in Valencia und das bei einer geschätzten Bevölkerung von maximal 40.000. Heute leben im Großraum Valencia 1,5 Millionen, in Valencia im engeren Sinne 800.000 Menschen.
Um genauso verheerend wie das Hochwasser von 1356 zu sein, müsste die Anzahl der Todesopfer heutzutage zwischen 8.000 und 20.000 liegen. Per Mitte November beträgt die Zahl der Toten in Valencia 219, bei 13 Vermissten. Das sind zumindest 97% weniger Tote als im 14. Jahrhundert, gemessen an der jeweiligen Bevölkerung.
Eine Gesamtbetrachtung für Europa über einen Zeitraum von 150 Jahren ergibt dasselbe Bild. Immer weniger Menschen sterben an den Folgen eines Hochwassers, wie eine Publikation in der renommierten Zeitschrift nature communications aus dem Jahr 2018 mit dem Titel „Trends in flood losses in Europe over the past 150 years“ belegt. Bjorn Lomborg hat dazu folgenden Chart erstellt.
Tote durch Überschwemmungen in Europa, 1870 bis 2016
Dabei handelt es sich um die direkten Opfer eines Hochwassers. Wesentlich verheerender sind mitunter die indirekten Opfer als Folge der Verschmutzung des Trinkwassers durch die Überschwemmungen.
So starben beim Hochwasser 1830 in Wien direkt in den Fluten 74 Menschen. Weitere 2.000 fielen der anschließenden Cholera-Epidemie zum Opfer. Wien zählte damals rund 340.000 Bewohner. Auf die Bevölkerungszahl von heute hochgerechnet wären das rund 500 bzw. 14.000 Tote.
Zusammen mit dem Hochwasser von 1862 gab das Hochwasser von 1830 den Anstoß zur Donauregulierung und zur Errichtung der 1. Wiener Hochquellleitung.
Waldbrände in Europa
Aller Voraussicht nach dürfte 2024 hinsichtlich der durch Waldbrände zerstörten Flächen weltweit ein unterdurchschnittliches Jahr werden, in Europa sogar ein deutlich unterdurchschnittliches Jahr. Da wie dort ist in der kurzen Frist seit 2012 ein abnehmender Trend zu erkennen, wie folgende Aufstellung von Our World in Data zeigt.
Diese Aussage steht zahlreichen medialen und politischen Behauptungen entgegen. Siehe beispielsweise die aktuelle orf.at-Meldung zum Waldbrandjahr 2023 hier, die weitgehend auf einer Presseaussendung der EU-Kommission beruht.
Hinzugefügt werden muss, dass nahezu alle Waldbrände, denen ein Auslöser zugeordnet werden kann, menschlichen Ursprungs sind, entweder durch vorsätzliche oder fahrlässige Brandstiftung.
Ein aktuelles Beispiel bezüglich der Waldbrände im deutschen Bundesland Brandenburg findet sich hier. Der vor wenigen Tagen veröffentlichte „2023 Forest Fires Report“ spricht davon, dass rund 96% aller Waldbrände menschlichen Ursprungs seien.
Die Hurrikansaison
In globaler Betrachtung war 2024 (bislang) ein unterdurchschnittliches Jahr hinsichtlich der Intensität tropischer Wirbelstürme, gemessen an der akkumulierten Zyklonenergie (ACE), die von der US-amerikanischen Wetter- und Ozeanographiebehörde NOAA berechnet wird.
Überdurchschnittlich war das Aufkommen von tropischen Wirbelstürmen in der Ende November zu Ende gehenden Hurrikansaison hingegen im Nordatlantik. Quelle: https://climatlas.com/tropical, per 18. November 2024
Der aktuelle ACE-Wert von 166,0 per 18. November reicht allerdings nicht für die Top-Ten. Dafür wäre ein Wert von 181,8 vonnöten. Spitzenjahr der atlantischen Hurrikansaison war 1933 mit einer ACE von 258,6, gefolgt vom Jahr 2005 mit einer ACE von 245.
Auf dem dritten Platz liegt das Jahr 1893 mit einem Wert von 231. Den Höchstwert eines einzelnen Hurrikans hält mit geschätzten 73,6 der San-Ciriaco-Hurrikan im Jahr 1899.
Schlüsselt man die historische Entwicklung der landfallenden Hurrikane in den USA auf, zeigt sich kein Trend zu einer Verschärfung der Hurrikansaison auf Grundlage der Saffir-Simpson-Hurrikan-Windskala. Die Entwicklung läuft in einer Wellenbewegung ab.
Quelle: https://www.nhc.noaa.gov/pastdec.shtml
(Eine lesenswerte Zusammenfassung zu dieser Thematik bietet der Welt-Artikel „Die lukrative Aufregung um die Zahl der Hurrikans“ von Axel Bojanowski.)
Die Entwicklung der Schadenssumme wetterbedingter Katastrophen
Auch Christine Lagarde äußert immer wieder die Behauptung, dass die Schäden von wetterbedingten Naturkatastrophen ständig zunähmen. Diese Behauptung hält einer Überprüfung jedoch nicht stand, wenn man die nötigen Korrekturen der Zahlen vornimmt. (Siehe dazu auch „Die dünne Faktenlage des Klimaalarmismus“)
Die von den Klimaalarmisten gerne herangezogenen absoluten Zahlen sind wenig aussagekräftig. Die nominalen Schadenssummen müssen drei Korrekturen unterzogen werden, um im zeitlichen Verlauf vergleichbar zu sein:
- die Bereinigung um die Inflation;
- die Bereinigung um den Wohlstandsanstieg, d.h. das reale Wirtschaftswachstum, denn wo es mehr materielle Güter gibt, können auch mehr materielle Güter zerstört werden, selbst wenn das Extremwetterereignis exakt dieselbe Intensität aufweist;
- die Bereinigung um die höhere Besiedelungsdichte, d.h. der sogenannte „Expanding Bull’s-Eye Effect“. So hat sich die Bevölkerung des vom Hurrikan Milton heimgesuchten Florida im Vergleich zum Jahr 1900 fast vervierzigfacht. Eine eindrucksvolle bildliche Gegenüberstellung der Bebauung von Miami Beach im Jahr 1925 mit jener im Jahr 2017 findet sich hier.
Zu dieser Thematik ist weiters ein Blick in die Präsentation „Assessment of Natural Catastrophe Impacts on the Insurance Industry“ zu empfehlen, S. 17 für den „Expanding Bull’s-Eye Effect“ und S. 7 für die Auswirkungen der Korrektur um die Inflationsrate auf die Schadenssummen für den relativ kurzen Zeitraum ab 2000.
Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist in der für Klimabetrachtungen kurzen Frist seit 1990 eine leicht abnehmende Tendenz bei der weltweiten realen Schadenssumme durch Extremwetterereignisse erkennbar, und zwar im Trend von 0,25% im Jahr 1990 auf 0,20% mehr als drei Jahrzehnte später. Das zeigt folgender von der THB Group erstellter, auf den Arbeiten von Roger Pielke jr. basierender Chart
Fazit
Wenn Klimaalarmisten wie Christine Lagarde unter Verweis auf die finanziellen Schäden und die menschlichen Opfer von aktuellen Extremwetterereignissen Superlative bemühen, ist dies keine faktenbasierte Warnung, sondern eine ideologisch motivierte Instrumentalisierung von menschlichem Leid und materiellem Verlust.
Das ist ein Garant für falsche, wenn nicht gar fatale politische Entscheidungen. Den Anspruch, datengetrieben und damit wissenschaftlich zu agieren, erfüllt Lagarde jedenfalls aufgrund der Vehemenz ihrer Formulierungen nicht. Denn die Daten zeigen ein differenziertes, wenn nicht sogar ein gänzlich anderes Bild.
Bei Lagarde kommt erschwerend hinzu, dass sie, die Politikerin, die EZB und am liebsten alle globalen Zentralbanken für die grüne Klimaagenda instrumentalisieren möchte.
Dies stößt insbesondere bei der Federal Reserve auf Widerstand. Nicht zum ersten Mal hat die Federal Reserve vor kurzem den Versuch, die Zentralbanken über die BIZ für die globale Klimaagenda einzuspannen, entschieden zurückgewiesen. Zumindest der US-amerikanische Schuster bleibt also bei seinem Leisten.
Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.