Die dünne Faktenlage des Klimaalarmismus

Als Beleg dafür, dass Wetterextreme immer schlimmer würden, verweisen Klimaalarmisten auf die steigenden Kosten von Unwetterkatastrophen. Auf den ersten Blick scheint der Eindruck gerechtfertigt zu sein, denn die Schadensummen erreichen immer neue Rekordwerte. Doch bei näherem Hinsehen erweist sich die Datenlage als wesentlich uneindeutiger. So müssen zur Vergleichbarmachung über die Jahrzehnte hinweg die jeweiligen Beträge um die Inflation korrigiert werden. Dies ist aber nur eine von mindestens drei nötigen Bereinigungen. Von Gregor Hochreiter

Es war erst vor wenigen Tagen, dass US-Präsident Joe Biden den Klimaalarmismus in einer Rede befeuerte. „Das Land und die Welt sind in Gefahr. Das ist keine Übertreibung. Das ist eine Tatsache“, so Joe Biden.

Er rief für die USA „Alarmstufe Rot“ aus. Dabei verwies er unter anderem auf die Verwüstungen, die der Hurrikan „Ida“  hinterlassen hatte – Beleg dafür, dass die Naturkatastrophen immer schlimmer würden. Die Urache für diese – vermeintliche oder tatsächliche – Verschlimmerung wäre menschengemacht.

Dass die Naturkatastrophen immer schlimmer würden, mag unter den Klimaalarmisten eine ausgemachte Sache sein, ebenso die modellgestützte Prognose, dass diese durch den Klimawandel noch schlimmer würden.

Aber ist das wirklich der Fall? Und was bedeutet es eigentlich, dass die Naturkatastrophen immer schlimmer werden sollen?

Schlimmer in welcher Hinsicht? Höhere Schadenssummen, höhere Opferzahlen oder ein häufigeres Auftreten in höherer Intensität? Im Folgenden sollen die ersten beiden Aspekte näher beleuchtet werden, die meteorologisch-klimatische Frage wird nur am Rande gestreift.

Die oberflächliche Analyse des aktuellen WMO-Berichts

Am 1. September veröffentlichte die Weltwetterorganisation (WMO) ihren Report „WMO Atlas of Mortality and Economic Losses from Weather, Climate and Water Extremes (1970-2019)“ und setzte zu diesem Anlass folgenden Tweet ab:

tweet_Wetterextreme_WMOAls Beleg für den dramatischen Anstieg der ökonomischen Schäden präsentiert die WMO folgende Statistik, die die Naturkatastrophen bedingten ökonomischen Schäden von gesamt 3,6 Billionen USD der vergangenen 50 Jahre wie folgt aufschlüsselt: wmo_Schadensgrafik

Quelle: WMO Atlas, S. 19

 Wenn Äpfel mit Birnen verglichen werden

Die Schäden hätten sich, so die dramatische Botschaft, in 5 Jahrzehnten fast verachtfacht. Bereinigt man in einem ersten Schritt die Zahlen der 1970er-Jahre um die Inflation, so entsprechen die 175,4 Milliarden USD in den 2010er-Jahren rund 770 Milliarden USD (Der Einfachheit halber wurde für jedes Jahrzehnt jeweils der Zahlenwert des 5. Jahres, also xxx4, für den Vergleich herangezogen).

Damit hätten sich die Schäden in 50 Jahren real „nur“ verdoppelt.

Diese Zahlen müssen allerdings noch um das reale Wirtschaftswachstum bereinigt werden – schließlich kann eine Naturkatastrophe gleicher Stärke an Orten mit einem höheren realen Wohlstand mehr Dinge zerstören als in einer armen Gegend.

Das globale reale Bruttoinlandsprodukt hat sich im Beobachtungszeitraum mehr als verdreifacht. Somit ist die Wirtschaftsleistung deutlich stärker gestiegen als die Schadenssumme.

Anders ausgedrückt: In den 2010er-Jahren war der Anteil der durch Naturkatastrophen hervorgerufenen wirtschaftlichen Schäden am globalen Bruttoinlandsprodukt niedriger als in den 1970er-Jahren. Der Eindruck, der durch die Darstellung der unbereinigten Zahlen vermittelt wird, ist daher stark irreführend.

Je länger der Beobachtungszeitraum ist, desto stärker schlagen sich die notwendigen Bereinigungen zu Buche, die die Zahlen erst vergleichbar machen.

Zudem müssen die Zahlen sogar noch um einen weiteren Faktor korrigiert werden – die Veränderung der Bevölkerungsdichte.

Denn nicht nur die materielle Güterausstattung fluktuiert, sondern auch die Bevölkerungszahl in den von Naturkatastrophen betroffenen Gebieten. In den letzten Jahrzehnten hat die Bevölkerung weltweit deutlich zugenommen, überdurchschnittlich stark in den Küstenregionen, die häufig bedeutsame Städte und Wirtschaftsregionen beherbergen.

Die schrittweise Bereinigung der Schadenszahlen

Wie wichtig diese dreifache Bereinigung ist – Inflation, reales Wirtschaftswachstum und die Bevölkerungsdichte – zeigen folgende Aufstellungen, die der Publikation „The Deadliest, Costliest, and Most Intense United States Tropical Cyclones from 1851 to 2010“ entnommen wurden.

Diese Veröffentlichung erschien früher alle fünf Jahre, wird mittlerweile allerdings nicht mehr fortgesetzt. Stattdessen werden die Zahlen nunmehr laufend auf der Webseite www.ncdc.noaa.gov/billions aktualisiert, allerdings beginnend erst mit 1980. Die Begründung für diese deutliche Reduzierung des Beobachtungszeitraums ist durchaus bemerkenswert:

1980 is the beginning of the first decade in which most all of the public and private sector disaster data resources we use become available.“

Wie sich weiter unten zeigen wird, sind für die Hurrikans die 1980er-Jahre just jenes Jahrzehnt, in dem sich ein jahrzehntelanger Abwärtstrend umgekehrt hat.

Nominal betrachtet nehmen die Schäden deutlich zu

Die erste Abbildung listet die von Hurrikans in den USA verursachten Schäden im Zeitraum 1900-2010 auf, und zwar zu laufenden Preisen, also nominal. (Das Horrorjahr 2017 mit drei der schadenreichsten Hurrikans der Geschichte „Harvey“, „Maria“ und „Irma“, sowie der Hurrikan „Sandy“ (2012) sind in dieser Liste daher nicht enthalten, ebenso wenig der diesjährige Hurrikan „Ida“.)

costliest_mainland_cyclonesQuelle: Blake, Eric S., und Gibney, Ethan J.: „The Deadliest, Costliest, and Most Intense…“, NOAA Technical Memorandum NWS NHC-6, August 2011, Table 3a, S. 9

Wenig überraschend wird die Liste von Hurrikans seit 2000 angeführt, wodurch auf den ersten Blick der Eindruck entsteht, dass die die Naturkatastrophen nicht nur immer häufiger, sondern auch immer verheerender würden.

Die Inflationsbereinigung verändert die Reihenfolge leicht

Die nächste Liste korrigiert diese Schadenssummen zunächst um die Inflation:hurricane rating_with_deflatorQuelle: Blake, Eric S., und Gibney, Ethan J.: „The Deadliest, Costliest, and Most Intense…“, NOAA Technical Memorandum NWS NHC-6, August 2011, Table 3b, S. 11

Diese Bereinigung um die Inflation ändert die Reihenfolge nur ein wenig, jedoch rücken bereits einige Hurrikanereignisse aus den 1930er-, 1940er- und 1950er-Jahren in die Top-30 auf. Die beiden weiteren Bereinigungen,

  • einmal um das reale Wirtschaftswachstum – wo es mehr materielles Vermögen pro Kopf gibt, dort kann ein extremes Wettereignis gleicher Stärke auch mehr zerstören;
  • und dann noch um die Veränderung der Besiedelungsdichte – schließlich kann ein Wettereignis gleicher Stärke bei einer gestiegenen Besiedelungsdichte mehr zerstören, weil, wo beispielsweise Menschen siedeln;

diese Bereinigungen ändern die Zusammenstellung der Top-30-Hurrikans mit der größten Schadenssumme markant:

adjusted_for_growth_population_densQuelle: Blake, Eric S., und Gibney, Ethan J.: „The Deadliest, Costliest, and Most Intense…“, NOAA Technical Memorandum NWS NHC-6, August 2011, Table 3b, S. 11

Nach diesen Korrekturen ergibt sich ein völlig anderes Bild.

Unter den Top-5 finden sich nach der dreifachen Korrektur gleich drei Hurrikans von vor 1930. (Wie bereits erwähnt, die 5 zerstörerischen Hurrikans aus den Jahren 2012, 2017 und 2021 sind in dieser Aufstellung nicht berücksichtigt.

Weitet man den Beobachtungszeitraum auf 2020 aus, dürfte sich „Harvey“ auf Platz 4 schieben, „Ida“ könnte ebenfalls unter den Top-5 landen, sollte sich die erste Schadensschätzung von rund 100 Mrd. USD bewahrheiten. Dieser Betrag müsste jedoch noch um die Bevölkerungsentwicklung – nach unten – korrigiert werden.)

Weitere zu berücksichtigende Aspekte

Frei nach dem Motto „Traue keiner Statistik, deren Zustandekommen man nicht selber überprüft hat“, sind noch folgende Aspekte zu bedenken:

  • Beobachtungszeitraum: Die bereits erwähnte Studie der Weltwetterorganisation „WMO“ beschränkt ihre Analyse der Naturkatastrophen auf die Jahre 1970-2019, wodurch die in der obigen Liste vorzufindenden zahlreichen desaströsen Hurrikans von vor 1970 unberücksichtigt bleiben. Dabei sprechen wir von 7 der 10 schadensreichsten Hurrikans im Zeitraum 1851-2010. Dies führt in einem Artikel auf orf.at „Deutliche Zunahme der Naturkatastrophen“ zu der falschen Behauptung, dass der Hurrikan „Katrina“ die teuerste Naturkatastrophe gewesen sei. Dies war, nach obiger Aufstellung, aber der namenlose Hurrikan im Jahr 1926, und zwar mit großem Abstand.Wie sehr die Auswahl des Beobachtungszeitraums die Aussagerichtung verändern kann, zeigt anhand der Entwicklung der Anzahl und Stärke der Hurrikans die folgende Tabelle: number_hurricanes_decadeQuelle: Blake, Eric S., und Gibney, Ethan J.: „The Deadliest, Costliest, and Most Intense…“, NOAA Technical Memorandum NWS NHC-6, August 2011, Table 6

Fokussiert man die Betrachtung auf die letzten 40 Jahre, so zeigt sich eine deutliche Zunahme der Hurrikans. Weitet man den Beobachtungszeitraum bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts aus, ist allerdings ein rückgängiger Trend bis in die 1980er-Jahre zu erkennen. Auffällig ist der Ausreißer in den 1940er-Jahren, der aber auch als Zwischenhoch interpretiert werden könnte.

  • Ausreißer wie das Jahr 2017 mit den drei verheerenden Hurrikans Harvey, Maria und Irma verzerren Statistiken mit wenigen Beobachtungen enorm. Daher sind Jahresvergleiche, selbst Vergleiche von einzelnen Jahrzehnten mit äußerster Vorsicht zu genießen, zumal sich im Laufe der Zeit das Monitoring deutlich verbessert hat. Die Unschärfen der Inflations-, Wohlstands- und Besiedelungsdichtenanpassung sind weiterhin so groß, dass Langfristvergleiche zu diametral unterschiedlichen Ergebnissen führen können (siehe hier bzw. hier).

 Die Todeszahlen sinken signifikant

Eindeutig ist dagegen der Befund hinsichtlich der Entwicklung der Todeszahlen infolge von Naturkatastrophen. Die Todeszahlen werden, so sie überhaupt Erwähnung finden, meist als unbedeutende Randnotiz versteckt, passen sie doch nicht so recht in das Narrativ von den immer schlimmer werdenden Naturkatastrophen.

Die bereits erwähnte Studie der WMO zeigt, dass im Beobachtungszeitraum der vergangenen 50 Jahre die absoluten Todeszahlen seit den 1990er-Jahren markant zurückgegangen sind und nur mehr rund ein Drittel im Vergleich zu den 1970er-Jahren betragen. Da die Todeszahlen in den 1980er-Jahren zulegten, ist der Rückgang seither mit -72% noch ausgeprägter.

Die absoluten Zahlen erzählen jedoch nicht die ganze Geschichte, schließlich ist die Weltbevölkerung seit den 1970er-Jahren deutlich angewachsen. Betrug sie 1974, als Proxy für die 1970er-Jahre, 4,0 Milliarden, so waren es 2014, als Proxy für die 2010er-Jahre, bereits 7,3 Milliarden.

Das entspricht einem Anstieg um 83% in fünf Jahrzehnten. Gemessen am Anteil der Weltbevölkerung ist der Rückgang an naturkatastrophenbedingten Todesfällen von 0,0014% der Gesamtbevölkerung pro Jahr auf 0,00025% noch beeindruckender. Das entspricht einem Minus von 82%.

Dass die Frühwarnsysteme einen Beitrag zu dieser Entwicklung gegeben haben, wie der WMO-Report ausführt, ist durchaus plausibel.

Beim Hochwasser im Ahrtal in Deutschland im August hat man die tragischen Konsequenzen nicht funktionierender Frühwarnsysteme und Alarmierungsketten beobachten können. Allerdings trägt mit Sicherheit auch die dem Wirtschaftswachstum geschuldete Verbesserung der Wohnsituation, der Bergungs- und Rettungsgeräte sowie baulicher Schutzmaßnahmen wie Dämme eine Rolle.

Schlussfolgerung

In der polit-medialen Darstellung von Naturkatastrophen überschlagen sich  die Befürworter der These des maßgeblich oder ausschließlich vom Menschen verursachten Klimawandels geradezu.

Von den Horrormeldungen ausgenommen sind nur die Todeszahlen, denn tatsächlich sterben immer weniger Menschen an wetter- oder klimabedingten Extremereignissen, nicht nur relativ zur Weltbevölkerung, sondern sogar absolut. Die Menschheit kann sich also immer besser vor derartigen Extremereignissen schützen.

Doch auch die Antwort auf die Frage, ob die finanziellen Schäden tatsächlich im Steigen begriffen sind, ist lange nicht so eindeutig wie es scheint.

Wie gezeigt, müssen die Schadenssummen früherer Jahrzehnte nicht nur um die laufende Geldentwertung bereinigt werden. Es sollte auch die Zunahme des realen Wohlstands gemessen am (lokalen) Bruttoinlandsprodukt gezeigt werden. Ferner müssen die Zahlen um die Bevölkerungsentwicklung bzw. Besiedelungsdichte korrigiert werden,

am besten heruntergebrochen auf möglichst kleine geographische Einheiten, was schon deutlich schwieriger ist.

Je weiter man in der Geschichte zurückgeht, desto uneindeutiger wird die Datenlage.

Dies trifft auch auf die Zählung der Extremwettereignisse selbst zu.

Es ist ein häufig begangener Fehler, die aktuellen Datenerhebungsmethoden auf frühere Epochen umzulegen und anzunehmen, dass Vergleiche selbst nur über mehrere Jahrzehnte hinweg ohne größere Schwierigkeiten möglich wären.

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