Mohrenköpfe versus Betonköpfe

Das ZDF hat in einem Schlager-Medley den Begriff “Mohrenkopf” zu “Schokokuss” gemacht, was 1.) wohl sachlich falsch ist und 2.) Udo Jürgens-Fans aufgebracht hat. Für Juristen stellt sich die Frage, ob diese Änderung des Werks urheberrechtlich zulässig war. Von Dr.Dr. Heinz-Dietmar Schimanko

Denn ein gesetzliches Änderungsrecht besteht nur in sehr eingeschränktem Umfang.

Ansonsten ist eine Änderung nur mit Zustimmung des Urhebers oder nach dessen Ableben mit Zustimmung dessen Erben oder Vermächtnisnehmern zulässig (§ 21 ö. Urheberrechtsgesetz – öUrhG; vgl. § 39 dUrhG):

Werkschutz.
§ 21 (1) Wird ein Werk auf eine Art, die es der Öffentlichkeit zugänglich macht, benutzt oder zum Zweck der Verbreitung vervielfältigt, so dürfen auch von dem zu einer solchen Werknutzung Berechtigten an dem Werke selbst, an dessen Titel oder an der Urheberbezeichnung keine Kürzungen, Zusätze oder andere Änderungen vorgenommen werden, soweit nicht der Urheber einwilligt oder das Gesetz die Änderung zuläßt. Zulässig sind insbesondere Änderungen, die der Urheber dem zur Benutzung des Werkes Berechtigten nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen nicht untersagen kann, namentlich Änderungen, die durch die Art oder den Zweck der erlaubten Werknutzung gefordert werden.

(2)Für Urstücke von Werken der bildenden Künste gelten die Vorschriften des Absatzes 1 auch dann, wenn die Urstücke nicht auf eine Art benutzt werden, die das Werk der Öffentlichkeit zugänglich macht.
(3)Die Erteilung der Einwilligung zu nicht näher bezeichneten Änderungen hindert den Urheber nicht, sich Entstellungen, Verstümmelungen und anderen Änderungen des Werkes zu widersetzen, die seine geistigen Interessen am Werke schwer beeinträchtigen.”

Diese dem Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechtes dienende Vorschrift soll verhindern, daß ein Werk der Öffentlichkeit in einer anderen Form dargeboten wird, als dies dem Willen des Urhebers entspricht (OGH RS0077630).

Ob eine Änderung nach dem  gesetzlichen Änderungsrecht zulässig ist, soll im Rahmen einer Abwägung der Interessen zwischen dem Werkschutz als Urheberpersönlichkeitsrecht und dem Gebrauchsinteresse des Nutzungsberechtigten vor allem an Hand der Kriterien der Art und Intensität des Eingriffs, der Gestaltungshöhe des Werks (seines künstlerischen Rangs) und seines konkreten Gebrauchszwecks bestimmt werden (OGH RS0126129).

Ohne Zustimmung der Urheberin oder des Urhebers sind unter anderem Änderungen eines Liedtextes zulässig, durch die ansonsten erfolgende Beleidigungen oder Diskriminierungen vermieden werden.

So wurde eine Änderung des Texts der Bundeshymne bei deren Verwendung in einem Kurzfilm für eine Informationskampagne zur Bildungsreform als zulässig angesehen, um eine Gleichbehandlung des weiblichen und des männlichen Geschlechts zu ermöglichen (OGH 15.12.2010, 4 Ob 171/10s – Töchter und Söhne).

Der Begriff “Mohr” ist aber nicht beleidigend oder diskriminierend.

Dazu hat der Pfarrer Eberhard Geisler aus Bärstadt die folgenden wertvollen Ausführungen getätigt:

Hilfe! Ich will einen Mohrenkopf!

Aber immer bietet man mir stattdessen einen Schokokuss oder einen Schaumkuss an. Das ist nicht dasselbe.  Wissen Sie, was ein Mohrenkopf ist? Ursprünglich ist es das Portrait des  Heiligen Mauritius.

Mauritius, auch St. Maurice oder  Moritz, auch abgekürzt Mohr lebte im 3. Jahrhundert. Als Anführer  der Thebanischen Legion Roms weigerte er sich, Christen ihres Glaubens wegen zu töten. Wegen  dieser Befehlsverweigerung wurde er  hingerichtet.

Mauritius war Afrikaner. Sein dunkles Konterfei ziert als Standbild den Magdeburger Dom, im Wappen des Bistums München und Freising ist er als Schutzheiliger abgebildet, als solcher ist er auch in das Wappen Papst Benedikt XVI. gewandert. Da er auch als Heilkundiger galt, wurde er zum Patron der Apotheker.

Moritzkirchen, Moritzapotheken  oder Mohrenapotheken erinnern an den Afrikaner, der sich den  Christenverfolgungen entgegenstellte.  Auch der Mohrenkopf als Gebäck ist von dieser Tradition abgeleitet.Ist dieser also herabwürdigend? Die  Frankfurter Mohrenapotheke soll auf Betreiben der Kommunalen Ausländervertretung ihren Namen ändern. Demnächst ist die   Moritzapotheke in Wiesbaden dran. Der Mohrenkopf ist schon längst zum Schaumkuss geworden.

Und alles nur, weil kein Mensch mehr etwas vom Mohren, dem Moritz, dem Heiligen Mauritius weiß. Wie schade! Man muss diese Dinge ja  nicht wissen. Aber die Kombination von Unwissenheit und moralischem  Überlegenheitsgestus hat noch immer Unheil gebracht. Neulich wurde mir verschmitzt eine ‘Schaumwaffel mit  Migrationshintergrund’ angeboten.

Aber am 22. September, dem Gedenktag des Heiligen Mohren, kaufe ich mir einen Mohrenkopf. Komme was wolle!”

(Quelle: Schlangenbader Nachrichten, Ausgabe Februar 2019; Artikel nach § 44 Abs. 1 öUrhG und § 49 dUrhG zulässig wiedergegeben).

Die vom ZDF vorgenommene Änderung wirft also nicht nur Rechtsfragen auf.

Es stellt sich auch die Frage nach dem Bildungsniveau der Sendeverantwortlichen, deren Bereitschaft, sich zu informieren, bevor sie Entscheidungen treffen, und einem wichtigtuerischen moralischen Überlegenheitsgestus, der ihnen nicht zusteht.

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