Nachlese z. Bellen-Einvolkung, Wahl

Falter-Cover
Falter 48/16

Die Stichwahl zum österreichischen Präsidenten findet in vier Tagen statt und selbst bisher verlässliche ideologische Bastionen müssen feststellen, dass es um die Wahl zwischen einem proösterreichischen Kandidaten geht und einem, der das nicht ist (versinnbildlicht durch die Farben der BRD). Das ist lustig, vor allem wenn Prof. Sascha die Rolle des Ersteren spielt. Witzig auch, wenn ein Großjournalist, der schon immer wusste, dass die VdBs eingedeutscht wurden, das aber nie geschrieben hat, das Thema jetzt für pfui erklärt.

Die ideologischen Pirouetten, die der Mainstream derzeit zum Thema dreht, sind wirklich sehenswert. Auch hätte ich nie gedacht, vom Herausgeber des Falter jemals zu hören:

Wir nehmen den Österreicher. (…) Der Kandidat der Mitte, Van der Bellen, steht nun vor allem für Europa. Für Wald, Wiese und Österreich sowieso.”

Was Armin T.s wolkiges Europa betrifft, halte ich mich eher an die konkretere Sichtweise der Alexandra Bader, wenn sie z.B. schreibt:

Mit Van der Bellen in den EU-Superstaat”

Die Bader begründet das u.a. mit der Vorliebe des Kandidaten für die Vereinigten Staaten von Europa.

Unteressen sitzt Gegenkandidat Hofer nach Darstellung des Falter

grinsend auf dem Rasenmäher und ruft: Das ist doch gar kein Rasenmäher!”

Was heißen soll: Hofer will den EU-Austritt, gibt das aber nicht zu.

Tatsächlich? Ein EU-Austritt in den Nationalfarben Merkeldeutschlands? Reife Leistung, selbst für einen Falschspieler!

Was publiziert werden darf und was nicht

Womit wir bereits bei einem anderen Gewerbe wären, einem, das ich bis vor einigen Jahren im Auftrag Dritter ausgeübt habe.

Da hat mir einer meiner erfolgreicheren Ex-Kollegen eine Nachricht geschickt; ein Mann, von dem ich schon seit Jahren nichts mehr gehört habe und von dem ich nicht wusste, dass er weiß, wer Andreas van de Kamp ist und wen er unter dessen Emailadresse erreicht.

Na, jedenfalls schrieb er mir, dass sein Medium das und das schon lange wisse, dass es aber nie so tief gesunken sei es zu schreiben, weil es keine erlaubte Geschichte sei (ich habe nachgezählt: die Datenbank verzeichnet vier Mal die Erwähnung des Begriffs Flüchtlingskind, und was sich die Zeitung gegenüber sonstigen Dritten erlaubt hat, hab’ ich gar nicht angefangen zu zählen).

Branchenunkundige sollten sich die hier nur angedeuteten Regeln des Erlaubten als komplexes System vorstellen, in dem nicht nur presseethische, sondern auch straf- und zivilrechtliche sowie auflagentechnische Faktoren eine Rolle spielen.

Also beispielsweise: Über die Scheidungen, Liebschaften und sexuellen Vorlieben des politischen Personals darf man nicht schreiben, es sei denn, dieses will im Wahlkampf glauben machen, die heile Familie gehe über alles oder wenn. z.B. der abgelegte gleichgeschlechtliche Liebhaber bei der Konkurrenz auspackt.

Dann handelt es sich nicht mehr um eine moralische, sondern um eine auch kommerzielle Frage und eine des Wettbewerbs und das Medium darf nachziehen, vorbehaltlich des grünen Lichts vom Justiziar.

Mein etwas ironischer Gegenvorschlag, die ständigen Erwähnungen des kandidatlichen Migrationshintergrundes im Zusammenhang mit der aktuellen Flüchtlingskrise als eine Art Homestory aufzufassen, in der die Tür für dessen Familiengeschichte geöffnet wurde, blieb bisher unbeantwortet.

Unabhängiger Journalist

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