Filmmaterial aus einer Überwachungskamera soll zeigen, dass ein Müll- oder Straßenreinigungsfahrzeug eine Hauptrolle bei der Ermordung des russischen Oppositionspolitikers Boris Nemzow gespielt hat. Ist das Material authentisch, wäre dies ein Anhaltspunkt für FSB-Tätigkeit.
Der geschilderte Ablauf würde die Präzision erklären, mit der Nemzow ermordet, seine Begleiterin aber verschont werden konnte. Bei diesem öffentlich zugänglichen Material handelt es sich trotzdem um wenig aussagekräftige, grobkörnige Aufnahmen unbekannter Herkunft.
Hier ist das Video, das die Szene zeigen soll:
Es wurde von einem keenobserver auf seinem youtube-Channel hochgeladen und einem Dajey Petros in seinem Blog auf einer niederländischen Domain analysiert. Die thematische Ausrichtung/Auswahl sowohl des YT-Channels als auch des Blogs sind eindeutig. Es handelt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um Informationskrieger des Westens. Das Material wurde wenig danach von zerohedge und sogar RT aufgegriffen.
Trotz der eindeutig zuordenbaren Quelle besteht die Möglichkeit, dass die Passage tatsächlich die Ermordung “zeigt” (sie zeigt sie nicht wirklich). In diesem Fall stellt sich die Frage, wie die westlichen Geheimdienste an das CCTV-Material gekommen sind (für den FSB). Unmöglich ist es jedenfalls nicht – alles hat seinen Preis.
Wie bekannt, hat Nemzow um 23.30 Uhr mit seiner Begleiterin, einem aus der Ukraine stammenden 23-jährigen model, seinen letzten Gang über die Brücke angetreten. Die Bluttat soll laut YT-Clip bzw. der Interpretation in dem Blog folgendermaßen abgelaufen sein:
Der Mörder holt das Paar an Bord eines langsam dahinrollenden Müll-/Straßenreinigungswagens ein und schießt Nemzow nieder ohne dass dies von der CCTV-Kamera aufgenommen wurde (der Müllwagen bietet einen Sichtschutz). Danach springt der Mörder in einen vorbeifahrenden Fluchtwagen. Während der entscheidenden Sekunden sind keine anderen Fahrzeuge als die zwei in den Mord verwickelten sichtbar.
Sollte der Mord tatsächlich so abgelaufen sein, ist das ein deutlicher, aber nicht eindeutiger Hinweis auf den FSB. Müllwägen wie diese lassen sich ohne Probleme auch für andere vor Ort tätige Geheimdienste besorgen – die hohe Komplexität einer solchen Operation ist aber wahrscheinlich nur “auf Heimatboden” beherrschbar.
Nachbemerkung für alle, die meinen letzten Eintrag in Englisch nicht lesen wollten (gelesen haben): Es ist durchaus denkbar, dass der Mord vom russischen Geheimdienst begangen wurde – obwohl es auf den ersten Blick absurd erscheint, einen “Regimekritiker” direkt vor dem Kreml zu ermorden.
Es könnte durchaus sein, dass genau dieser Eindruck beabsichtigt ist und dass es sich daher um einen falschen false flag-Anschlag handelt. Kalkül: “Kein vernünftiger Mensch kann ernsthaft annehmen, dass Putin einen Rivalen an einem solchen Ort so offensichtlich ermorden lässt.”
In Russland ist dies bereits der Mainstream. Alle Welt geht dort von einem false flag-Anschlag aus. Und egal, ob die Nemzow-Ermordung ein vom FSB kontrollierter echter oder ein falscher false flag war – das Ereignis bietet die perfekte Handhabe, wirkliche oder angebliche Verräter im eigenen Staatsapparat bzw. in der eigenen Öffentlichkeit auszuschalten.
Foto: Screenshot Youtube
Edit II, 1.3.2015, 17.20: Nach einem soeben hochgeladenen, professionell wirkenden Youtube-Clip entstand das Material in einer Wetterkamera des TV-Senders TZW. Der “Müllwagen” soll in Wirklichkeit ein Fahrzeug zur Schneeräumung gewesen sein. Der neue Clip ist länger und zeigt auch die Minuten nach der Mordtat. An den Eckpunkten des Tathergangs (Killer nähert sich mit Straßenreinigungsfahrzeug, verdeckte Mordtat, Flucht mit weißem PkW) ändert sich offenbar nichts.
Edit, 1.3.2015: Das Material der Überwachungskamera wurde scheinbar vom russischen Privatsender TZW veröffentlicht. Möglicherweise war die Weitergabe dieses Materials eine offizielle und offene Entscheidung der Ermittlungsbehörden.
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