Ö: Ein 1986 geborener “Nazi” – Solidarität mit Udo Landbauer!

20180121_NOE_Landtagswahl_0414Die Wähler zum niederösterreichischen Landtag erleben seit einigen Tagen eine konzertierte Kampagne gegen den 31-jährigen FPÖ-Kandidaten. Sie sollten sich folgende Frage vorlegen: “Erscheint mir der Umstand bedenklicher, dass im Vorfeld der FPÖ hier und da noch Nazi-Liedgut gepflegt wird – oder aber, dass Experten, Politiker und Medien wie auf Knopfdruck gegen den Kandidaten einer Außenseiter-Partei zu kampagnisieren beginnen?” NB zum großkoalitionären Rufmord. NB II über den Lohn der bösen Tat.

Wer – wie dieser Blogger – die zweite Variante für gefährlicher hält, sollte morgen, Sonntag, mit dem FP-Kandidaten Udo Landbauer solidarisch sein – auch wenn er oder sie eigentlich Mikl-Leitner wählen wollte.

Johanna Mikl-Leitner und ihre ÖVP sind es, die am meisten von einer Beschädigung des blauen Kandidaten gewinnen würden. Für “Mi-Lei” und die Schwarzen geht es (auch) um die Wurst – nämlich die absolute Mehrheit im Land.

Für alle, die – weil vielleicht keine Österreicher – die Sache nicht kennen, zunächst die dürren Fakten und danach ein paar, vielleicht subjektive, Worte zur Einordnung.

Der “Falter”, ein linksalternatives Wochenmagazin mit einer reichen Geschichte kampagnenartiger Berichterstattung, hat Mitte dieser Woche eine story über das Liederbuch einer deutschnationalen Mittelschülerverbindung veröffentlicht, der der FPÖ-Kandidat angehört, zuletzt in herausgehobener Position.

Darin enthaltene Liedtexte sollen fragwürdige bis rassistsische und antisemitische Passagen enthalten (seltsamerweise ist bis jetzt kein Faksimile der inkriminierten Texte aufgetaucht, was in “Aufdeckermedien” eigentlich üblich ist).

Parallel dazu haben sich Dutzende Vertreter des regierenden/regierungsnahen Polit-Kartells “zu Wort gemeldet” ( = sie durften zu Wort kommen), die sich über Landbauer empörten, der zum Zeitpunkt der Anschaffung des umstrittenen Gesangsbuchs noch nicht bei der Burschenschaft und elf Jahre alt war.

In diesen Wortmeldungen forderten die konkurrierenden Politicos und ihre Verbündeten Landbauers Rücktritt.

Das enthüllt auch den Hauptzweck der Veröffentlichungen.

Es geht darum, die Wahlchancen der FPÖ maximal zu schädigen und jene der ÖVP/SPÖ maximal zu verbessern.

Es geht um dirty campaigning.

Darum, jemanden mit “braunem Dreck” zu bewerfen, der 40 Jahre nach dem Ende des NS-Regimes geboren wurde.

***

All das fand (findet) unmittelbar vor Regionalwahlen im größten österreichischen Bundesland statt, in Niederösterreich, wo morgen, Sonntag, der “Landeshauptmann” gewählt wird (der in Deutschland Ministerpräsident genannt werden würde).

Spitzenkandidat der größten Partei, der ÖVP, ist eine Frau – die frühere österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner.

In Niederösterreich sind – ähnlich wie bei der CSU in Bayern – die Schwarzen g’rade drauf und dran, die “traditionelle absolute Mehrheit” zu verlieren – doch Mikl-Leitner, ein “neuer Besen”, scheint gut zu kehren und liegt in den Umfragen nur knapp unterhalb von 50 Prozent.

Schafft Mikl-Leitner die Absolute nicht, muss sie koalieren, wenn sie Landesgesetze “durchbringen” will.

Dabei kommen bzw. kämen primär SPÖ oder FPÖ in Frage.

Damit beantwortet sich die Frage nach dem Cui bono der Kampagne. Ihre Nutznießer sind:

  • Mikl-Leitner, die die absolute Mehrheit ihrer Partei noch einmal verteidigen könnte, wenn es gelingt, Stimmen von blau zu schwarz umzuleiten. Auch sind bei den potenziellen Wählern die Überschneidungen zwischen ÖVP und FPÖ wohl am größten.
  • Die zweite mögliche Nutznießerin ist die Sozialdemokratie und deren Spitzenkandidat Franz Schnabl, die sich gegenüber 2013, als eine historische Niederlage eingefahren wurde, kaum verbessern wird. Auch die Roten haben, erstens, nennenswerte Überschneidungen mit den Wählern der FPÖ; sollte die ÖVP, zweitens, die absolute Mehrheit verfehlen, könnte die SPÖ als einziger Koalitionspartner der Schwarzen übrigbleiben. Unabhängig vom Wählerzuspruch wird die FPÖ in dem Maß isoliert sein, in dem das Hitlerbärtchen, das Landbauer jetzt verpasst wurde, klebt.

Das alles hat so gut wie nichts mit dem angeblichen Thema zu tun, einem an und für sich sich bedenkenswerten Sachverhalt.

Das ist Schuldzuweisung durch Assoziation. 

Das ist Schmutzkübel.

Das sind Sudelpolitik und Schmuddeljournalismus.

Das ist der Versuch, einen jungen Politiker zu vernichten, mithilfe der Sünden, die sein Großvater begangen hat – wirklich oder vermeintlich.

Und: Diese Form der Politikasterei wird weitergehen, solange kein hoher Preis dafür entrichtet werden muss.

Bild: Ailura, CC BY-SA 3.0 AT via Wikimedia Commons

Nachbemerkung, 28.1.2018, 03.00 Uhr: ÖVP und SPÖ haben sich indirekt, aber unmissverständlich zur gemeinsamen Rufmordkampagne gegen FP-Landbauer bekannt.

Politisch wird das Ziel verfolgt, im Land die kartellähnliche Zusammenarbeit wieder aufzunehmen, die in den ersten fünf Jahrzehnten der Zweiten Republik auf Bundesebene verfolgt wurde.

Es ist, wenn man so will, die für Gesamtdeutschland angepeilte GroKo - en minature.

Mikl-Leitner hat dem Gedanken erneut die absolute Mehrheit zu erringen, offenkundig abgeschworen und schränkt schon jetzt für die Zeit nach der Wahl den eigenen politischen Handlungsspielraum ein.

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Screenshot: orf.at (APA-Meldung)

Die Sozialdemokraten kommentieren diese scheinbar irre Vorgehensweise mit Wohlwollen, wenig überraschend.

Damit sind die Fronten für jeden, der sie sehen will, klar – aber auch, dass die niederösterreichische GroKo heute gewinnen wird.

Denn: Wie fragwürdig die Umfragen vor der Wahl auch sein mögen – so falsch, dass sich keine Mehrheit im niederösterreichischen Landtag ausgehen wird, sind sie nicht – 50 und 20 sind 70 Prozent.

Nachbemerkung II, 28.1.2018, 18.00 Uhr: Der amtierende weibliche Landeshauptmann Niederösterreichs feiert mit dem früheren männlichen Landeshauptmann die erneute absolute Mehrheit.

Die paar tausend Stimmen, die Mikl-Leitner zu diesem großen Erfolg verholfen haben, sind mit ziemlicher Sicherheit von liederbuchbewegten Doch-nicht-FPÖ-Wählern gekommen.

Das heißt: Die Sudelkampagne gegen Landbauer hat gewirkt.

Es war, moralisierend gesprochen, der Lohn der bösen Tat.

Johanna von St. Pölten benötigt für die nächsten fünf Jahre nicht einmal mehr den alten bundespolitischen Schmierensteher der Volkspartei, die SPÖ – entgegen den letzten Einschätzungen dieses Bloggers.

Unabhängiger Journalist

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