Österreich: Heinz und Christoph sind mit sich zufrieden

coverHeinz Fischer und Christoph Leitl, zwei österreichische Politicos, die dem in diesem Blog beschriebenen Staats-Kidnapping ihren Stempel aufgedrückt haben, haben ein Buch vorgelegt, das eigentlich Gründe für Optimismus ankündigt. Stattdessen freuen sich der Rote von der Hofburg und der Schwarze von der Wiedner Hauptstraße, dass sie gut Freund miteinander sind. Vom putschartigen Handstreich, den sie und ihre Parteifreunde durchgezogen haben, ist nur höchst indirekt die Rede. NB zum von den ehemaligen Volksparteien angerichteten historischen Flurschaden.

Es gibt einen gern dekonstruierten Gründungsmythos der Zweiten Republik, der “Geist der Lagerstraße” genannt wird.

Dieser besagt, dass die chronisch verfeindeten sozialdemokratischen und konservativen Politiker der Ersten Republik in den Konzentrationslagern des Nazi-Regimes eine neue Gemeinsamkeit gelernt hätten – was nach 1945 erst die friedliche Entwicklung der Alpenrepublik ermöglicht habe.

Folgt man den Erzählungen des Sozialdemokraten Fischer und des ÖVP-Mannes Leitl, müsste die Lagerstraße jetzt durch den Geist der Business-Class während des Fluges nach Shanghai ersetzt werden, denn:

die Basis ihrer Freundschaft ist auf den gemeinsamen Flügen ins Ausland gelegt worden, die der eine als Staatsoberhaupt und der andere als Leiter einer begleitenden Wirtschaftsmission absolviert hat.

Eine andere Gemeinsamkeit, die in dem in der Slowakei gedruckten Büchlein beschworen wird, ist die “gemeinsame Lebensidee”, die Fischer und Leitl haben,

und die heißt Europa.”

“Europa” ist Code, der hier etwas Besonderes bedeutet, nämlich: Europäische Staatsbildung durch Elitenkonsens und unter Umgehung der dabei bevormundeten Völker.

Das, glauben Fischer und Leitl, wäre legitim und legal.

Legitim, weil damit künftiges Blutvergießen zwischen den Völkern verhindert würde und legal, weil die gewählte Vorgangsweise, das scheibchenweise, über einen langen Zeitraum verteilte Abtragen nationalstaatlicher Souveränität immer wieder durch qualifizierte parlamentarische Mehrheiten genehmigt worden sei.

So argumentierte vor allem der frühere Staatsrechtler Fischer, der sich als Bundespräsident von Ex-Kollegen hat bestätigen lassen, dass der Vertrag von Lissabon, eigentlich ein Wiedergänger des gescheiterten EU-Verfassungsvertrags von 2005, nur eine Teiländerung der österreichischen Verfassung und daher nicht abstimmungspflichtig sei (dem Lobbyisten Leitl gehen solche Überlegungen sowieso am A. vorbei).

Schließlich, so die zugrunde liegende Lehrmeinung, ist das hiesige politische System das einer repräsentativen Demokratie – und wenn in einer solchen die Parlamentarier die Zwischenschritte zur Umgründung des eigenen Staats mit Verfassungsmehrheit billigen bzw. keine Volksabstimmung verlangen, ist das “grundgesetzkonform”.

Direkte Volksentscheide zu wesentlichen Fragen werden in einem solchen System nicht benötigt.

Entscheider sind dabei dieselben Parlamentarier, über die Praktiker Leitl folgendes zu Protokoll gibt (eigene Hervorhebung):

Derzeit ist der Nationalrat auf die Wasserträgerfunktion für Regierungsentscheidungen reduziert. Initiativen werden durch Koalitionspakte und Koalitionsdisziplinen unmöglich gemacht, was den Vorteil hat, dass die Politik berechenbarer wird, aber den Nachteil, dass das Parlament praktisch entmündigt ist (…) Das unabhängige Mandat existiert ja nur noch am Papier. Und wenn sich jemand traut aufzumucken – insbesondere aus der jüngeren Generation –, kommt der- oder diejenige nicht mehr auf die Liste. “

Damit ist fast schon alles über das Geheimnis des EU-Konsenses à la autrichienne gesagt – von den Euro-Begleitgesetzen 1998 bis zum ESM 2012.

Die Parteiführer und Listenbesetzer des Wiener Polit-Kartells haben diesen ihren Konsens bestellt und bekommen. Die Staatsbürger waren wahrscheinlich dagegen, wurden “zur Sicherheit” aber nie befragt.

Der ursprüngliche Plan sah möglicherweise vor, am Ende des Weges abstimmen zu lassen, nachdem durch einen langen Salami-Putsch vollendete Tatsachen geschaffen worden waren.

Selbst das dürfte mittlerweile aber passé sein, weil man befürchtet, dass nicht einmal mehr die Schaffung von faits accomplîs ausreichen wird, um eine Mehrheit zu garantieren.

Dieses “Projekt” ist das im Buch von Fischer und Leitl nobel übergangene Ding,  das die beiden gemeinsam gedreht haben – Fischer ab 1990 als Nationalrats- und ab 2004 als Bundespräsident, und Leitl ab 1999/2000 als Präsident des Wirschaftsbundes und der Wirtschaftskammer.

P.S. Bundespräsident Fischer und ÖVP-Vorstandsmitglied Christoph Leitl haben 2015 nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als Hunderttausende über österreichisches Staatsgebiet nach Deutschland gelotst wurden und Zehntausende Asyl in Österreich beantragt haben

- wohl wissend, dass à la longue praktisch alle als Asylberechtigte zugelassen werden und eine sechsstellige Zahl von Familienangehörigen nachholen würden;

Fischer und Leitl wussten und wissen auch, dass die Rechnung dafür von den hiesigen Steuerzahlern und Transferbeziehern bezahlt werden muss.

Während Fischer noch ein gewisses Maß an (fiskal)politischer Naivität zuzubilligen sein mag, ist Leitl ein geübter Weh-Schreier, sobald er meint, dass seiner Klientel zusätzliche Belastungen drohen.

Nicht so in diesem Fall.

Der Wirtschaftskammer-Kapo, der sich vier Jahre zuvor noch für ein kriteriengeleitetes Einwanderungssystem stark gemacht hatte, hielt den Mund, als der Zuzug von an sozialstaatlicher Versorgung interessierter, schlecht ausgebildeter Migranten eskalierte

- offenbar in der Erwartung, dass andere die auch auf seine Klientel zukommenden Belastungen übernehmen würden.

Nachbemerkung, 18.9. 2017, 04.30 Uhr: Wenn während des fraglichen Zeitraums wenigstens EIN VERSUCH unternommen worden wäre, den supranationalistischen Europa-Kurs der ehemaligen Volksparteien durch ein direktes Votum zu legitimieren!

Wenn es wenigstens EINE NATIONALRATSWAHL gegeben hätte, vor der Parteien offen unterschiedliche Europa-Konzeptionen zur Wahl gestellt hätten!

Dann wäre der Schaden für eine wie immer geartete demokratisch verfasste Staatsform nicht so groß gewesen.

So aber wird künftig jeder Feind demokratischer Prinzipien drauf verweisen können, dass es ja “die realen Demokraten” selbst gewesen wären, die in der wohl wichtigsten Teilfrage das Prinzip der Volkssouveränität in Frage gestellt hätten.

Das ist das eigentlich fatale Vermächtnis der Fischers und Leitls.

Unabhängiger Journalist

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