Österreich: Herr Verfassungsbogen will Bundespräsident werden

Andreas_Khol_September_2006
Khol im Jahr seines Politik-Abschieds

Andreas Khol, angeblicher Architekt von Schwarz-Blau, tritt zur Wahl des österreichischen Bundespräsidenten an. Die Zeitungen sind ganz aufgeregt, denn sie erwarten ein Da capo, diesmal mit dem Vize-Architekten als Präsident (ohne steinerne Miene?). Weil diese Koalition aber der alten FPÖ den Tod brachte, schulden gerade deren Kritiker Khol und dessen Ex-Chef Lob, Dank & Anerkennung.

Zuerst muss daran erinnert werden, dass Khol 2000 nur der Azubi von ÖVP-Obmann Schüssel war. Das Geniale am Gebäude der beiden war, dass es ihnen gelang, eine Koalition mit nur einem Teil der FPÖ und unter weitgehendem Ausschluss des Wahlsiegers 1999 zu zimmern. Entsprechend “langlebig” war das Konstrukt auch: es glich eher einer windschiefen Bude als einem Haus.

Nach nur zwei Jahren gab’s wieder Wahlen, denn den Blauen war inzwischen bewusst geworden, dass sie von der stimmenschwächeren ÖVP nur als Treppchen für das Amt am Ballhausplatz benutzt worden waren.

Die Folgen des Urnengangs 2002 waren die Zerstörung der alten FPÖ sowie ein historischer Triumph für die ÖVP.

Rückblickend muss man konzedieren: Wenn das alles geplant und kühl kalkulierend umgesetzt worden ist, war Schüssel nicht bloß irgendein Polit-Zocker oder beliebiger Taktiker, sondern zählt zu den Größten Feldherren Aller Zeiten.

Ob Strategie oder Schweindas war jedenfalls das Projekt, bei dem der Dr. Khol der Zureicher des Dr. Schüssel war.

Alle ehrlichen Kritiker der alten Haider-FPÖ sind daher aufgerufen, Andreas Khol zum Bundespräsidenten zu wählen, und zwar aus Dankbarkeit (Schüssel ist ja nicht mehr wählbar).

Die SPÖ-Funktionäre, die damals durch das Doppelspiel der ÖVP um einen Regierungsposten gebracht wurden, brauchen Khol dagegen nicht zu wählen. Für diese gibt’s z.B. Van der Bellen, wenigstens den.

A propos: der Khol war in den 1990ern Erfinder des schönen Begriffs Verfassungsbogen. Alle außerhalb dieser Krümmung liegenden Gruppen waren für die guten politischen Kräfte kein Koalitionspartner – und die FPÖ lag für Khol außerhalb.

Ein paar Jahre später, als die ÖVP mit der FPÖ koalierte, befand sich die FPÖ wieder innerhalb besagten Bogens (jener Teil, der mit der ÖVP kooperierte) – und Khol konnte mit einer überraschend guten Erklärung für die wundersame Wandlung der Freiheitlichen aufwarten: diese hätten u.a. der Deutschtümelei abgeschworen.

Das hat die FPÖ bei ihrem Parteitag in Feldkirch 1996 tatsächlich getan. Sie bekennt sich seither zum Österreich-Nationalismus. Das ist mehr als man von Dr. Khol und seiner ÖVP sagen kann. Die hängen nach wie vor der Europatümelei an.

Foto: Gryffindor, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-3.0

Unabhängiger Journalist

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