“Panama”: Lichtscheues Lulu-Leck

Die “Panama Papers”, das größte Datenleck der Weltgeschichte, hat sich bisher als Sammlung von Halbwissen, Andeutungen und Nichtigkeiten herausgestellt. Die wenigen wuchtigen Geschichten, die aus dem Datenmaterial potenziell entstehen könnten, mussten entweder aus Rücksichtnahme vorzeitig begraben werden oder kommen nicht vom Fleck, weil sich das Investigative Konsortium weigert, die Dokumente, auf die es sich stützt, zu veröffentlichen. Edit zum Skalp des Island-Premiers.

Die Zahl der Skalps, die sich die 400 Korruptionsjäger mit ihren 11,5 Millionen Dokumenten holen können, wird sich in engen Grenzen halten – wie schon ihre bisherige Ausbeute. 

Die beschränkt sich (vielleicht) auf einen isländischen Premier, der bis vor sechs Jahren an einer offshore company beteiligt war sowie den Funktionär einer chilenischen Antikorruptionsorganisation, der Anteile an fünf Briefkästen sein eigen nennt.

Gesetze, hieß es von der einen wie der anderen Seite, seien nicht verletzt worden - wie scheinbar auch in allen anderen Fällen, die den Medien erwähnenswert erscheinen.

Der vielleicht witzigste Aspekt ist die öffentliche Auseinandersetzung zwischen dem Panamakonsortium und Wikileaks (das ein eigenes, ambivalentes Thema darstellt). Wikileaks, das 2010 begonnen hatte, 250.000 diplomatische Depeschen zu veröffentlichen und in eine per Internet zugängliche Datenbank zu stellen, forderte die Veröffentlichung des gesamten Materials, was Panama umgehend zurückwies, weil man in diesem Fall unschuldige private Beteiligte nicht schützen könne.

Wahrscheinlich meint man damit Akteure wie jenen Wiener Investmentbanker, der in der Übernahmeschlacht OMV-MOL im Jahr 2007 möglicherweise einen Insidertipp bekommen hat, es gilt die Unschuldsvermutung.

Bemerkenswert auch, dass damals alles binnen einer Woche gehen musste und der vorvorige OMV-Chef einen Paketaufschlag in ungenannter Höhe bezahlte (an den Investmentbanker und nicht den ursprünglichen Besitzer der MOL-Anteile – und das ist wirklich ein Skandal).

Auweh.

Dass in Panama keine Amerikaner auftauchen, hat übrigens eine absolut natürliche Ursache – dass US-Bürger gar nicht nach Panama gehen müssen, weil die landeseigenen Steueroasen genauso gut sind, wie z.B. hier gesagt wird.

Deutlicher nach Geheimdienst riechen die Enthüllungen über das private Umfeld des russischen Präsidenten, das mithilfe staatlicher (staatsnaher) Banken 2 Milliarden Dollar außer Landes geschafft haben soll.

Das wäre wirklich eine von den oben erwähnten, potenziell wuchtigen Geschichten, wenn sie denn – mit den dazugehörigen Dokumenten – offen auf den Tisch gelegt werden würde, aber ach … (siehe oben).

Aber auch die Wiener Poroschenko-Geschichte über die Ursprünge des Firmenimperiums des ukrainischen Präsidenten wäre ausbaufähig – aber das interessiert unsere internationalen Aufdeckerprofis nicht, wie sich an ihrer alternativen Berichterstattung zeigt.

Auweh.

Edit, 6.4.2016: Der isländische Regierungschef Sigmundur David Gunnlaugsson ist offenbar doch (noch) nicht zurückgetreten. Es herrscht wieder mal Verwirrung  :lol: !

Unabhängiger Journalist

Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.