Pseudo-Seuche: Eine Woche “hohe Übersterblichkeit” in Österreich

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Pest 1665 London

Krise ist, wenn professionelle Panikmacher aus Gründen des Selbstschutzes auf eine naive & uninformierte Journaille treffen.  In der 46. Kalenderwoche, meldet z.B. of.at auf Basis der jüngsten Sterbezahlen der Statistik Austria, seien 2.286 Menschen gestorben, was eine “hohe Übersterblichkeit” darstelle. Sollten diese Rohdaten stimmen, gab es in KW 46 ’20 (ggü. 2019) tatsächlich eine Übersterblichkeit von ca. 47%. orf_atNur hat das a) nicht unbedingt was mit Corona zu tun, noch ist das b) für eine “Grippesaison” sonderlich ungewöhnlich.

Das soll laut einem gewissen Mortalitätsmonitoring eine” hohe Übersterblichkeit” darstellen – und das mag relativ zu den vorangegangenen Jahren auch stimmen

- aber “so leid es mir tut” ( = Gott sei Dank) – das ist nicht die “Übersterblichkeit einer ‘echten Seuche’”.

Eine “echte Seuche” ist, wenn wesentliche Teile der Bevölkerung dahingerafft werden.

Die hohe Übersterblichkeit einer “echten Seuche” sieht so aus, wie die Grafik über dem Falz zeigt – die Todesfälle bei der Pest in London im Sommer 1665.

Die täglichen Todesfälle explodierten damals von 100 oder 200 pro Tag im Juni auf bis zu über 3.000 im September in den “Liberties” und den “Out-Parishes”.

Auch die Stadt selbst zeigt eine “Freak-Spitze” von 1.400 Toten pro Tag, die freilich wesentlich weniger hoch geklettert ist als die Spitzen von außerhalb der Stadtmauern

(wahrscheinlich haben in der City of London auch nicht so viele Menschen gelebt, weswegen auch nicht so viele sterben konnten).

Wie auch immer – die historische Grafik zeigt eine Vervielfachung der Sterbezahlen um gut eine Zehnerpotenz (gegenüber dem Frühjahr) – also mehr als + 1.000 (900) Prozent

- und die aktuelle “hohe Übersterblichkeit” der Woche 46 in Österreich kommt einem Multiplikationsfaktor von lediglich 1,47% gleich (im Jahresabstand).

Um genauer zu sein, müsste man in die Archive gehen und (wenigstens) die Sterblichkeit in den Frühjahrs- und Sommermonaten 1664 ermitteln und erst von dieser Zahlenbasis ausgehend die excess mortality ein Jahr später bestimmen

- aber man darf davon ausgehen, dass sich in Normaljahren die Todesfälle von Juni und September nicht so rasend unterschieden haben – jedenfalls “Daumen mal Pi”.

So viel zu den Größenordnungen.

Bild: Wikimedia Commons, Wellcome, CC BY 4.0, rote Ellipsen selbst gesetzt.

Unabhängiger Journalist

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