Schwarze Jung-Schwäne: Sequel zu Markus Kralls Draghi-Crash

cover_junge_schwarze_schwäneEineinhalb Jahre nach seinem Draghi-Crash – siehe hier – hat Markus Krall einen Nachfolger mit dem Titel Wenn Schwarze Schwäne Junge kriegen vorgelegt. Leser, die sich billigen Doom-Porno erwartet haben, haben sich getäuscht - und wohl bereits aufgegeben, nachdem sie sich im ersten Kapitel in bankbilanziellen Buchungs-Details verheddert haben. Ernst zu nehmen ist der Text aber auf jeden Fall.

Der goetzpartners-Berater, ein bekennender Österreicher aus Deutschland, hat diesmal ein bisserl über seine unmittelbare Berufs-Expertise hinausgelugt und sich auch des Computing, der Fragen des politischen Systems und der Geopolitik angenommen;

ist dabei trotzdem nicht allzuweit fremd gegangen, weil sich seine Expertise sowieso auf einen Kernbestand von bisher im “Westen gepflogener Lebensart” bezieht

(von bilanztechnischen “Zinspositionsnahmen” etc. abgesehen, kann man Krall darin folgen, dass das heutige politische “Personal” aus einer Negativselektion stammt und dass nach dem Crash die Entscheidung zwischen populärer, also wohl direkter Demokratie und populistischem Autoritarismus ansteht.     :mrgreen:     ).

Die Nachfolgerschaft zum Draghi-Crash findet sich hauptsächlich auf den 60 Seiten des ersten Kapitels, das “Währungskollaps” heißt.

Es handelt sich um eine erweiterte und spezifizierte Schilderung der “Palliativmedizin” des Dr. D., die – wie Krall meint -, eigentlich eine Kur auf Kosten und Risiko Dritter darstellt; den rücksichtslosen Versuch, einen Patienten vor dem Tod zu bewahren – egal, was andere das kosten mag.

Langsames Wuchern, schneller Zusammenbruch

Der W-Kollaps ist für Krall eigentlich nur die letzte, spektakuläre Phase eines jahrelangen kontinuierlichen Prozesses, der außerhalb der Sichtweite der allgemeinen Öffentlichkeit, der Fachöffentlichkeit der Banker gar stattfindet.

Es geht ihm um die viele Gestalten annehmende, unaufhaltsame Erosion des Eigenkapitals  – ausgelöst durch die Zinsmanipulationen der EZB (was fast an Antal Fekete erinnert).

Das passiert zum Beispiel über

  • die nachhaltige Zerstörung des operativen Gewinns der Banken, die unter Nullzins-Bedingungen keine Transformationsmargen mehr erzielen können; oder durch
  • die schleichende Verschlechterung von deren Kreditbuch, in qualitativer und ertragsmäßiger Hinsicht. Dadurch sammeln sich Drohverluste an, die nicht (mehr) durch irgendwelche Rückstellungen kompensiert werden.

In diesem Zusammenhang geht Krall davon aus, dass rund 12 Prozent der “normalen Unternehmen” im Euroraum mittlerweile Zombies, lebende Tote, sind.

Firmen, die eigentlich längst verschwunden sein müssten, die aber durch eine de facto Zinssubvention der EZB am Leben erhalten wurden.

Die würden – sobald sich die Zinslandschaft normalisiert – alle insolvent und ihre Kreditgeber mit in den Abgrund reißen.

Die Folge wäre eine Mega-Deflation, der die EZB durch “illegales Drucken” von Billionen Zentralbankgeld entgegenwirken werde – was unweigerlich in eine Hyperinflation ausarte.

Spekulation vielleicht, aber “keine haltlose”, denn Krall kennt die Akteure und deren Handlungsoptionen.

Das Verhalten der EZB, meint der Autor, geht eigentlich auf eine Art Risikoaversion zurück – oder besser: auf eine fast absolute Intoleranz selbst gegenüber kleineren Risiken und unangenehmen, aber quasi natürlichen Vorgängen.

Seine Analyse in nuce (eigene Hervorhebung):

Um Volatilität zu unterdrücken, haben wir die Geldpolitik über jetzt zwei Jahrzehnte benutzt, kurzfristige Entwicklungen auszugleichen. Das haben wir in den Kapitalmärkten getan, und auch in der Realwirtschaft bezogen auf den Konjunkturzyklus, um die Anpassung zu verhindern, die nach 2007/08 hätte erfolgen müssen (…) Wir haben die Wechselkursvolatilität unterdrückt (…) Das haben wir getan, indem wir eine Einheitswährung eingeführt haben, die weder einen idealen Währungsraum abdeckte noch mit der Nüchternheit guter Governance und zielgerichteter Anreize versehen wurde. Diese Unterdrückung der Volatilität führt jetzt zu einer großen Diskontinuität, möglicherweise die größte wirtschaftliche Anpassung in der Geschichte der Menschheit.

Markus Krall, Wenn Schwarze Schwäne Junge kriegen. Warum wir unsere Gesellschaft neu organisieren müssen. 2019

Auf Youtube gibt es einen ca. einstündigen Vortrag des Autors zu den Buchthemen:

Unabhängiger Journalist

Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.