Friedrich Hayek hat 1944 prophezeit, dass eine freie Gesellschaft ohne eine freie Wirtschaft nicht gedeihen könne und viele (mich eingeschlossen) haben ihn deswegen für einen Ideologen und Hysteriker gehalten. Der Draghi-Crash, das soeben erschienene Buch eines Bankfachmanns, schildert ebenso sachkundig wie polemisch die letzten 10 Jahre auf unserem Weg in die Knechtschaft. Die Hauptrolle im letzten Akt spielt Dr. Frankenstein aus Frankfurt/Main. Zum Revolutions-Aufruf eines Beraters.
Der Autor des vor zwei Monaten erscheinenen Draghi-Crash heißt Markus Krall und er hat mit seinem neuen Text auch für die breite Öffentlichkeit das Visier hochgeklappt. Sein letztes Buch, Verzockte Freiheit, hat er 2014 noch unter dem Pseudonym Diogenes Rant geschrieben.
Es ist davon auszugehen, dass Krall die berufliche und vielleicht auch private Rechnung für seinen jüngsten rant präsentiert bekommt, aber das war ihm sicher bewusst. In seiner Branche hat sowieso jeder gewusst, wer der Autor der Verzockten Freiheit ist.
Unser Diogenes hat, nehme ich an, gewusst, was er tut und es ist für ihn zu hoffen, dass er mehr in der Hinterhand hat als nur eine Tonne.
Das System, in dem auch Krall seine Brötchen verdient hat, reagiert nämlich empfindlich auf Insider, die zu whistleblowern werden – mehr als auf alle anderen.
Denn wenn einer seit 25 Jahren professionell Banken berät, kann man nur schwer behaupten, der Sprecher wisse nicht, wovon er rede. Eine solche Behauptung wäre bei jedem beliebigen Laien viel glaubwürdiger, weil in der Finanzwirtschaft ja tatsächlich alles sehr kompliziert ist und auch informierte Außenstehende oft daneben greifen.
Krall geht in seinem Buch davon aus, dass die Politik der EZB eine epochale Krise auslösen wird, die in Depresion und Hyperinflation münden und die die “liberalen” Regierungsformen beseitigen wird.
Dieser Crash werde Europa
an den Rand seiner zivilisatorischen Existenz bringen.”
Der ökonomische Hintergrund zu dieser Projektion Kralls ist die business cycle-Theorie der Österreichischen Schule, die davon ausgeht, dass es im Zug des kreditgetriebenen Aufschwungs notgedrungen zu Fehlinvestitionen kommt, die in der folgenden Anpassungskrise beseitigt werden.
Weil die Zentralbank(en) aber keine sozusagen laufende, “kleine Bereinigung” mehr zulässt (zulassen), wird das Missverhältnis immer größer und der unvermeidliche Absturz immer brutaler.
Krall hat aber nicht nur Mises und Hayek gelesen (und logisch weiter gedacht), er hat auch ein halbes Berufsleben als Bankenberater hinter sich, bei McKinsey, Roland Berger und nun bei goetzpartners.
Es folgen ein paar Einschätzungen, die unverkennbar aus dieser seiner Berufserfahrung stammen:
Um der Politik der größten zwischenstaatlichen Umverteilung von Wohlstand und Kaufkraft in der Geschichte der Menschheit ein wissenschaftliches Mäntelchen umzuhängen, bedient man ( = EZB) sich der wirtschaftswissenschaftlichen Theorien des Spät-Keynesianismus. Das Modell geldtheoretischer Grobmotorik, das dabei zum Einsatz kommt, geht im Wesentlichen davon aus, dass die Zentralbank nur genug Geld drucken muss, dann wird die Inflation schon anspringen. Das wird die EZB natürlich niemals zugeben, dass sie so simpel denkt. Deshalb hat sie ihre kleine Dampfmaschine mit vielen Kolben, Rädchen, Ventilen und Pfeifen ausgestattet, die das alles sophistiziert und wissenschaftlich aussehen lassen sollen.(…)
Die EZB hat sich ein Loch gegraben (…) Ja, und so sitzen wir in unserem Loch und graben immer weiter. Die Nebenwirkungen sind aber da. Sie werden dabei immer größer, immer unberechenbarer, und immer weniger passen die Ergebnisse zu den genialen keynesianischen Modellen in der Waschküche unseres Glaspalastes (…)
Die herbeigesehnte Umverteilung vom deutschen Sparer zum italienischen Finanzminister aber, die kommt bzw. ist schon lange da. Die Gebühreneinnahmen für die Wertpapierhändler, die der EZB die Berge von Papier in die Keller schaufeln, die kommen auch. Aber die Inflation kommt nicht.”
Die von der EZB organisierte Ökonomie ist kein “Kapitalismus”, sondern eine Planwirtschaft unter nicht realsozialistischen Bedingungen, schreibt Krall.
Das zentrale Teil dabei sei die “Licht-aus-Politik”, die die EZB in Bezug auf die wesentlichste Information allen Wirtschaftens, verfolge. Der echte Preis des Gelds, der Zins, sei für Unternehmer iund Konsumenten nicht mehr erkennbar – weswegen es zu Fehlallokationen en masse komme.
Die wahren Populisten sind diejenigen, die unter dem Deckmäntelchen vermeintlicher Gerechtigkeit der Gesellschaft die Informationen wegnehmen, die sie braucht, damit die wirklichen Knappheiten beseitigt werden und nicht nur der Anschein erweckt wird, als würde das geschehen.
Die Behauptung, dass die Finanzkrise auf entfesselte Märkte oder ein Versagen dieser zurückzuführen sei, sei eine glatte Lüge, erklärt Krall und beschreibt einige Mechanismen, wie es zum verhängnisvollen Handeln der Banken kommen konnte – beispielsweise, warum sich die deutschen Landesbanken vor 2007 mit toxischen US-Wertpapieren vollgesogen haben, was ein “Kreditersatzgeschäft” sein sollte.
Der Autor klingt regelrecht “links”, wenn er beschreibt, für wen die inflationistische Geldpolitik der EZB welche negativen Folgen hat (nämlich für die vom Geldschöpfungsprozess weit entfernten Otto & Grete Normalverbraucher – nicht etwa für seine Kunden, die Bankster).
Die Politik des Stimmenkaufs durch Wohltaten mit anderer Leute Geld fände viel weniger Gehör für eine Umverteilung, wenn nicht marktfremde Eingriffe die massive Folge hätten, dass man dem kleinen Mann, dem Mittelstand und der arbeitenden Bevölkerung in riesigem Umfang Geld wegnimmt und es an eine kleine Gruppe von Reichen schaufelt, die noch nicht einmal etwas im unternehmerischen Sinne produziert (…)
Die Planwirtschaft des Geldes ist daher vor allem auch eins: unsozial. Sie ist ein marktfremder Eingriff in das freie Spiel der Kräfte, das den kleinen Leuten Wohlstand wegnimmt und ihn den Reichen gibt. Sie untergräbt die Leistungsgerechtigkeit.”
Spott und Hohn wird über die Stresstests der europäischen Bankenaufseher ausgeschüttet, die zwar Milliardensummen gekostet haben, aber keine wesentlichen Erkenntnisse gebracht haben.
Krall erklärt, dass die Nullzinspolitik auf vielfältige Weise zur Zerstörung des Kreditsystems führe, weshalb
Generationen von Wirtschaftshistorikern den resultierenden Kollaps »Draghi-Crash« taufen”
würden. Die von der EZB betriebene Eskalation der Zentralbankgeldschöpfung führe nämlich in der Volkswirtschaft zu einer Deflation in der breiten Geldmenge (“Geldmengenparadox”) und bei den Banken zum Verschwinden der Gewinne und zur Verschlechterung ihres Kreditportfolios.
Die Bundesrepublik, sagt Krall, sei der “größte Hedgefonds der Welt”, der auf das Fortbestehen des Euro und sonst nichts gewettet habe. Eine Rettung des Euro in letzter Minute sei nur durch
- die Verwandlung von Staatsschulden in Eigenkpital
- die Wiederherstellung der Risikotragfähigkeit der Banken, eine
- Stabilisierung der Pensionskassen und Lebensversicherungen sowie
- “neue”, tatsächlich einzuhaltende Regeln des Euro möglich.
Die Chancen für solch drastische Maßnahmen seien freilich minimal, denn:
Hier wie dort will sich die politische Elite nicht mit der Oligarchie und dem staatswirtschaftlich-gewerkschaftlichen Komplex anlegen. Da ist Realitätsverweigerung die bevorzugte Strategie.”
Markus Krall, Der Draghi-Crash. Warum uns die entfesselte Geldpolitik in die finanzielle Katatsrophe führt, 2017.
Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.