Jeff Schwartz, Management-Berater und Experte für die Zukunft der Arbeit, hält die sg. Pandemie für einen großen Beschleuniger, einen “Disruptor”, der alte Konventionen und Ideologien aufbricht und damit den Weg für radikale Veränderungen frei macht. Wäre dieser Blogger Change-Manager des digital-faschistischen Covid-Projekts, würde er das auch so framen. In gewisser Weise ist Schwartzs Perspektive die genaue Gegenposition zu den Ansichten der Steinzeitler mit den Smartphones. Beider Zukunftserwartungen decken sich jedoch weitgehend.
Inspektor Columbo würde jeden, der den Tod eines Mordopfers als überfällig, unerwartete Chance o.ä. ansehen würde, sofort als tatverdächtig werten
- dieser Blogger nimmt aber von einer solchen Verdächtigung Abstand, weil Jeff S. “Tatwaffe” und – soweit erkennbar – auch “-gelegenheit” gefehlt haben (bei Klaus S. bin ich mir da nicht so sicher);
Eigentümlich sind die Schwartz-Aussagen im Kontext aber trotzdem, z.B.:
Enter the coronavirus pandemic, an abrupt fast-forward to the future of work. Changes expected to take decades, occurred within weeks.”
Disruptive innovation is a powerful way to think about innovation-driven growth. Disruption shifts profitability from one prevailing business model to another. The new model typically provides customers with the same or better value at a much lower cost.” etcetc.
Unfreiwillig komisch sind in dem Text freilich noch etliche andere Dinge, nämlich schiefe Bilder, Gruppen-Sprech und Consulter-Meme (die anders sind als die “linken Meme”.)
Dieses Potpourri beginnt beim Begriff des “Sherpas”, den Schwartz für sich in Anspruch nimmt (im Sinn von “Tourguide für die künftige Entwicklung der Arbeit”); eine Metapher, die seltsam zwischen – wohl geheuchelter - Bescheidenheit und Anmaßung changiert;
und reicht bis zur Figur der “open road”, die auf ein 150 Jahre altes Gedicht von Walt Whitman zurückgeht – eine Hymne an menschliche Indeterminiertheit und freien Willen, ein fester Bestandteil US-amerikanischen Bildungs-Kanons.
Schwartz verwendet open road als Kontrapunkt zu staatlichen oder offiziösen Lehrgängen, als Sinnbild für die Millionen von Weiterbildungsentscheidungen, die ambitionierten Individuen offen stünden.
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Computer und Künstliche Intelligenz, erklärt der Autor, seien nicht die Feinde, sondern die Kollegen und Helfer menschlicher Arbeitskräfte. Sie könnten beispielsweise Krankenschwestern und Ärzte von monotonen Routinearbeiten befreien oder helfen, weniger fehleranfällige Diagnosen zu stellen.
Automatisierung schaffe eher zusätzliche Jobs, meint der Deloitte-Konsulent, der sogar nahe legt, dass die Automatisierung des Zahlungsverkehrs der vergangenen Jahrzehnte “unter dem Strich” keine Arbeitsplätze in den Banken gekostet habe.
Wie Covid bewiesen habe, sagt er, liege die Zukunft von Arbeit & höherer Ausbildung zu großen Teilen im Teleworking und in der Abkehr von stationären “nine to five jobs”.
Die Wertschöpfung der Zukunft werde sich in diversen & heterogenen Teams abspielen, in denen jede Schattierung von Beschäftigungsverhältnissen vertreten sein werde,
vom Vollzeitangestellten über Teilzeitarbeitskräfte bis zum atypisch Selbstständigen;
entscheidend seien nur deren Einsatzfreude, Flexibilität und Bereitschaft zu Veränderung und lebenslangem Lernen.
Die künftigen Leaders sieht Schwartz eher als Coaches & Designer denn als Manager im heutigen Sinn,
clevere Überblicker von Gruppen Leistungswilliger, die diese gewissermaßen “von hinten” steuerten.
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Das alles steht in einem prononçierten Gegensatz zu Arbeits- und Produktionsphilosophie unserer Buschmänner des 21. Jahrhunderts,
im Widerspruch zu nicht wenigen sozialdemokratischen, gewerkschaftlichen oder anderen auf staatliche Umverteilung setzenden Akteuren
(dieser Gegensatz ist nicht zwingend “unvereinbar” – es lassen sich ohne weiteres Arrangements vorstellen, in denen die einen nach Herzenslust werken und die anderen lebenslang chillen dürfen).
Beiden sonst so unterschiedlichen Perspektiven liegt freilich eine gemeinsame Vision der Zukunft zugrunde,
der energetischen und technologischen Zukunft der menschlichen Gesellschaften.
Beide Seiten gehen wenigstens implizit davon aus,
- dass der energetische Reichtum des Fossilzeitalters fortgeführt oder sogar übertroffen werden kann;
- dass Knappheit tatsächlich ein Ding der Vergangenheit sei
- und die Produktion nachgefragter Güter & Dienstleistungen weiter gesteigert & qualitativ verbessert werden kann;
- in Szenarien, in denen die industrielle Produktion durch Technologie weiter “ermächtigt” werden und weitgehend auf menschliche Arbeitskraft verzichtet werden kann.
Ironischerweise ist das ein ziemlich lineares Modell, das auf der Fortschreibung von in vergangenen Jahren beobachteten Tendenzen beruht und das eigentlich keine “Disruption” erfordert.
Dass der Produktion und deren smarten Steuerungselementen “der Saft ausgeht” – damit rechnet keiner.
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