Syrien: Kerry und die Assad-Gegner

Dieser Text beinhaltet old news, die, als sie noch aktuell waren, von den europäischen Medien nicht einmal ignoriert wurden. Es geht um ein Ende September 2016 geleaktes vertrauliches Gespräch zwischen dem scheidenden US-Außenminister John Kerry und Vertretern syrischer (“moderater?”) Anti-Assad-Gruppen. Während die Assad-Gegner mehr militärische US-Hilfe fordern, erklärt ihnen Kerry, warum sie diese nicht bekommen würden und dass er selbst frustriert sei. Hier ist das Video:

Ich habe heute zum ersten Mal von dieser Aufnahme gehört und das passierte zuunächst über diesen nereus-Kommentar im Gelben Forum, dem ich zu seiner Quelle folgte.

Weiter ging’s zur Thematisierung dieses Gesprächs auf einer konservativen US-amerikanischen Internetseite, ein Link, der im Original-Posting Thierry Meyssans auftaucht. Damit war mein Interesse geweckt und ich wollte hören, was Kerry wirklich sagte und was die New York Times darüber geschrieben hat, von der die Story am 30. September 2016 ausgegangen ist.

So etwas kann kein Mensch machen, der einem Brotberuf nachzugehen hat und für solche Aufgaben gibt es eigentlich einen eigenen Berufsstand – der sich allerdings weitgehend weigert, dieser Aufgabe bona fide nachzukommen.

Für nereus, Meyssan und das conservative treehouse ist Kerry der Schurke vom Dienst – aber ich kann das aus den 18 Minuten, die ich systemstisch abgehört habe, nicht erkennen. Kerry lässt freilich durchblicken, dass er und drei andere innnerhalb der Obama-Regierung für den Einsatz von direkter militärischer Gewalt engetreten seien, dass sie diese Debatte aber verloren hätten.

Möglicherweise – ich habe es nicht gehört – gibt Kerry zu, was allen klar sein muss, die die Sache verfolgt haben: dass die USA nämlich schon sehr lange den Abtritt des syrischen Präsidenten Baschar al Assad verfolgen, dass sie zu diesem Zweck die Opposition (inklusive ISIS und Al Nusra) unterstützt haben und dass sie auf diese Weise an diesem sogenannten Bürgerkrieg mit schuld sind.

Vielleicht.

Der Kern des mitgeschnittenen Gesprächs liegt freilich zwischen der Minute 18:30 und dem Ende bei 36:00, wo folgendes gesagt wird:

- Kerry erklärt, dass die amerikanischen legalen Standards andere (höherwertigere) seien als die der Russen und dass Washington für ein Eingreifen eine Ermächtigung des Sicherheitsrats brauche (wobei er aber auch erwähnt, dass die Russen legal auf Ersuchen Assads im Land seien). “Wir haben nicht einmal, was wir im Kosovo hatten, eine bestehende Resolution.”

- Der Kongress würde eine amerikanische Truppenpräsenz in Syrien nicht bewilligen.

- Kerry verteidigt die russisch-amerikanische Entscheidung, Hisbollah nicht aus der Luft anzugreifen.

- Anti-Assad-Aktivistin: “Wir brauchen mehr politische und militärishe Unterstützung.”

- Kerry: Mehr amerikanische Waffen hätte nur zur Folge, dass alle beteiligten ausländischen Parteien mehr Waffen liefern würden,  die Folgen für Syrien wären schlimm.

- Kerry: Der Grund warum die Russen eingegriffen haben, war, dass ISIS stärker geworden ist und drohte Damaskus einzunehmen.

- Kerry: Die beste Lösung wäre eine politische Lösung mit Assad und der Opposition, international überwachte Wahlen.

- Die Gesprächspartner trauen dem Wahl-Vorschlag nicht. Die Regierungspartei habe für ein solches Szenario alle Trümpfe in der Hand, sagen sie. Sie könne das Stimmverhalten in den von ihm kontrollierten Gebieten kontrollieren.

- Kerry: How about accountability by elections? Wenn alle wählen dürfen, auch die Diaspora außerhalb des Landes, könnte eine Wahl was bringen.Wir wissen, dass Assad Angst davor hat: Democracy has some virtues, folks.

- “Torture does not go by election, genocide does not go by election.”

- Kerry (schwer verständlich):Eine militärische Lösung ist die einzige Lösung für euch?

-  Yes.

- Kerry: Und wer soll diese Lösung durchführen? (…)

- Kerry: Tut mir leid. Wir haben Tausende Amerikaner in anderen Ländern verloren. Es ist ziemlich schwierig die Amerikaner jetzt dazu zu bringen, Leute in ein anderes Land zu schicken damit sie Krieg mit Sunniten, Schiiten und Extremisten führen…”

- Anti-Assad-Kämpfer: Wir haben ja keine US-Invasion gefordert.

- Kerry: Ihr wollt aber den Krieg gewinnen (…) Man müsste dabei Stadt für Stadt erkämpfen, gegen Heckenschützen…das ist nicht einfach. Wir versuchen den Syrern so gut es geht zu helfen diesen Typen (Assad) zu bekämpfen. Die Russen sind reingegangen und das hat die ganze Gleichung verändert, unglücklicherweise.

- Anti-Assad-Kämpfer sprechen Lösung ohne US-Bodentruppen an: “No fly zone”.

- Kerry: Wir wollen eine vereinbarte no fly zone. Wir können sie aber ISIS nicht aufzwingen, weil das zu aufwendig wäre (paraphrasiert). I am frustrated too.

Unabhängiger Journalist

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