The Wall – eine gefakte Kontroverse

512px-United_States–Mexico_border_mapInformationskriegsführung statt Journalismus: Die jüngste Schein-Kontroverse zwischen US-Präsident Trump und Ex-Stabschef Kelly zeigt, wie “Patrioten” Konflikte inszenieren, um mithilfe einer eigentlich feindlichen Journaille zu punkten. “Linksliberale” Medien, selbst zu Informationskriegern degeneriert, öffnen sich bereitwillig für Psyops, weil sie meinen, sie dienten damit der Anti-Trump-Agenda. Das Beispiel border wall.

Wie bekannt, hat Donald Trump mit dem Versprechen wahlgekämpft, er werde der illegalen Immigration über die Südgrenze, die (wenigstens) 25 Jahre lang von den konservativen und progressiven Administrationen des Imperiums geduldet wurde (“graue Migration”), einen Riegel vorschieben.

Das Symbol dieser prinzipiell eigentlich strikt legalistischen Politik war “die Mauer” – die Imagination, eine massive physische Barriere könne die Grenze zu Mexiko besser schützen als das momentan vorhandene Flickwerk (und “alles andere”).

Natürlich sehen funktionstüchtige Barrieren anno 2019 ganz anders aus als anno 1919, aber das scheint noch nicht in die Vorstellungswelt des heutigen Elektorats eingesickert zu sein.

Die “Trumpsche” Mauer aus Beton ist und bleibt bis heute gleichzeitig ein politisches Symbol und ein Mythos.

Das gilt auch für die Trump-Feinde: ein Symbol der Herzlosigkeit – dass nämlich Arme aus dem Süden aus den USA ausgeschlossen werden sollen und ein Mythos der Dysfunktionalität (was streng genommen miteinander unvereinbare Vorstellungen sind);

also die jahrelang, “praktisch überall” genährte Vorstellung, Staatsgrenzen könnten nicht gegen Wirtschaftsmigranten geschützt werden – jedenfalls nicht ganz und nicht mit solchen Mitteln.

Natürlich hält auch dieses Mantra keinem Realitätstest stand.

Für Trump-Republikaner, aber auch Demokraten ist die Finanzierung des politischen Symbols bedeutsam  genug, um dieser Tage einen erneuten government shutdown in Kauf zu nehmen (freilich etwas, das alle paar Jahre vorkommt).

Beide Seiten verwenden die Mauer (bzw. die populäre Vorstellung davon) als Panier, um das sie “ihre Truppen” scharen können.

Trump & Co. scheinen nun willens zu sein, das bei ihren Anhängern verbreitete Symbol künftiger Wehrhaftigkeit und strikten Gesetzesvollzugs einzutauschen – und zwar gegen eine größere, vor allem aber gegen eine größere demokratische Öffentlichkeit.

Und das geht so:

General John Kelly, der angeblich im Unfrieden mit Trump als Stabschef aus der Administration ausscheidet, gibt der Washington Post ein Interview, in dem er erläutert, dass sich “Praktiker der Grenzpolizei” keine durchgängige Betonmauer, sondern vor allem

technology across the board and (…) more people”

wünschten und dass die Administration Trump schon

am Anfang ihrer Amtszeit die Vorstellung einer soliden Betonmauer aufgegeben”

habe.

Trump twittert daraufhin zum Gaudium der “liberalen” Journos etwas über “gescheiterte Generäle”, die aufhören sollten sich zu beschweren und dass er NIEMALS von einer Betonwand abgerückt sei, wie ja auch die Medien berichtet hatten (die “fake news-Medien”).

Die US-Journaille ist über diese “Kontroverse” so entzückt wie ihre österreichischen Kollegen über die jüngste Familienfehde bei den Lugners - und “berichtet breit”.

Genau das ist auch der Zweck der gefakten Kontroverse:

Berichte über die jüngsten Possen des madmans vom Weißen Haus, bei denen weiter unten geschrieben wird, dass der nunmehrige Kronzeuge gegen den “Verrückten” auch für Maßnahmen zur Sicherung der Grenze ist, und womöglich, dass auch Chuck Schumer (D) dafür ist, prinzipiell. 

Ist das erst einmal als politisches Faktum etabliert, lässt sich der sowieso schon unglaubwürdig gewordene Spin der ursprünglichen Berichte leichter neutralisieren.

Angenehmer Nebeneffekt ist, dass Trump damit öffentlich auf Distanz zu den Generälen geht – jenen “patriotischen Militärs”, die – leicht erkennbar – eine wesentliche Stütze seiner Administration sind.

Bild: Larsinio on en.wikipedia [Public domain], via Wikimedia Commons

Nachbemerkung, 31.12.2018, 20.30 Uhr: Einverstanden, militärische List ist legitim, wo kein ehrliches journalistisches Bemühen mehr besteht, sondern nur mehr eine tief verwurzelte Allianz mit dem politischen Gegner und chronische unfairness.

Unabhängiger Journalist

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