USA: Wenn Joe Biden vorzeitig aus dem Amt scheidet…

Dr.Dr. Heinz-Dietmar Schimanko zum neuen Kräfteverhältnis bei einem möglichen Ausscheiden des nicht mehr fitten Joe Biden aus dem Amt.

Die Mehrheitsverhältnisse im Kongress sind auch relevant für die in der US-Bundesverfassung normierte Vorgehensweise, wenn z.B. Joe Biden vor dem Ende seiner regulären Amtszeit aus dem Amt des US-Präsidenten ausscheidet.

Nunmehr besteht nach den “Midterm Elections” vom 08. November 2022 auch für diesen Fall eine neue Ausgangssituation.

Nach dem 25. Verfassungszusatz würde bei einem Ausscheiden von Joe Biden durch dessen Rücktritt, dessen Tod oder dessen dauernde Amtsunfähigkeit die derzeitige Vizepräsidentin Kamala Harris an dessen Stelle zur neuen Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika

(was nach Ansicht vieler Beobachter sogar gemessen an der Amtsführung Joe Bidens eine Verschlechterung wäre).

Damit wäre das Amt des US-Vizepräsidenten vakant. Im 25. Verfassungszusatz ist geregelt, daß in diesem Fall die nunmehrige Präsidentin einen Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten zu nominieren hätte.

Dieser bedürfte der Bestätigung der Mehrheit von beiden Kammern des Kongresses, also von Repräsentantenhaus und Senat, um Vizepräsident zu werden. Statt einer unmittelbaren Volkswahl hat ein solcher neuer Vizepräsident nur die mittelbare demokratische Legitimation durch gewählte Volksvertreter.

Wenn die Demokraten in beiden Kammern die Mehrheit hätten, könnten sie diesfalls aus der Mitte ihrer extremeren Parteisoldaten jemanden zur neuen Vizepräsidentin oder zum neuen Vizepräsidenten machen, die oder den das Volk bei einer Wahl nie akzeptiert hätte.

Daher war es bedeutsam, daß bislang die Demokraten nur im Repräsentantenhaus die Mehrheit (von 220 zu 212) hatten, aber im Senat ein Gleichstand von 50:50 bestand.

Die Republikaner und der neue Vizepräsident

Bei den Wahlen vom 08. November wählten wahlberechtigte Bürgerinnen und Bürger das gesamte Repräsentantenhaus mit 435 Abgeordneten neu.

Außerdem wurden 35 der 100 Sitze und damit rund ein Drittel der Abgeordneten des Senats neu gewählt (Senatoren haben eine Amtszeit von sechs Jahren, nach dem Prinzip der Partialerneuerung wird alle zwei Jahre jeweils rund ein Drittel der Senatorinnen und Senatoren neu gewählt

- 33, 33, 34, nie beide von einem der Staaten zu entsendenden Senatoren gemeinsam in einer Wahl; bei der diesjährigen Wahl wurden regulär 34 Senatsabgeordnete neu gewählt (und irregulär ein Senatsabgeordneter für Oklahoma).

Nach dem derzeitigen Stand der Auszählung haben nach diesen Wahlen nun die Republikaner jedenfalls die Mehrheit im Repräsentantenhaus (zumindest 218 und damit mehr als 217 Sitze; Quellen: BBC London, CNN Politics, jeweils Stand 18.11.2022, 18:00h MEZ).

Im Senat haben nach derzeitigem Stand die Demokraten insgesamt 50 Sitze und die Republikaner 49. Um einen der Sitze für Georgia findet am 6. Dezember eine Stichwahl statt. (Bei regulären Abstimmungen haben damit jedenfalls die Demokraten im Senat die Oberhand, weil bei Gleichstand die Stimme der Vizepräsidentin als Senatsvorsitzender den Ausschlag gibt.)

Nach den nunmehrigen Mehrheitsverhältnissen hätten also die Republikaner den bestimmenden Einfluß, wer neue Vizepräsidentin oder neuer Vizepräsident wird.

Das könnte sich aber natürlich dahingehend nachteilig auswirken, daß möglicherweise versucht wird, Joe Biden auch dann möglichst lange im Amt zu halten, wenn er dafür nicht mehr die erforderliche Entscheidungsfähigkeit hat.

Dann bestünde das Problem, daß er durch gewisse Akteure bei der Amtsführung fremdbestimmt wird.

Nach Absatz 4 des 25. Verfassungszusatzes wäre es möglich, daß die Mehrheit der Regierung oder ein Prüfungsausschuß des Kongresses schriftlich die Amtsunfähigkeit Bidens attestiert.

Wenn Biden sich im Unterschied dazu nicht für amtsunfähig hielte, hätte der Kongress über die Frage der Amtsfähigkeit Bidens zu entscheiden und könnte Biden nur mit einer Mehrheit von zwei Dritteln wegen Amtsunfähigkeit des Amts entheben.

Der 25. Verfassungszusatz wurde im Februar 1967 nach der Ermordung Kennedys etabliert. Er hat in der Geschichte bereits einmal dazu geführt, daß jemand US-Präsident wurde, ohne vom Volk in das Amt des Präsidenten oder des Vizepräsidenten gewählt worden zu sein.

Nachdem Spiro Agnew 1973 vom Amt des Vizepräsidenten zurückgetreten war, wurde Gerald Ford auf Vorschlag Richard Nixons mit Mehrheitsvotum des Kongresses zum neuen Vizepräsidenten. Nach dem Rücktritt Nixons wurde Ford im August 1974 zum Präsidenten, der Nelson Rockefeller als seinen Vizepräsidenten nominierte, wofür er die Zustimmung des Kongresses erhielt.

Nachstehend das 25th amendment to the US Constitution:

PRESIDENTIAL VACANCY, DISABILITY, AND INABILITY TWENTY-FIFTH AMENDMENT

SECTION 1. In case of the removal of the President from office or of his death or resignation, the Vice President shall become President.

SECTION 2. Whenever there is a vacancy in the office of the Vice President, the President shall nominate a Vice President who shall take office upon confirmation by a majority vote of both Houses of Congress.

SECTION 3. Whenever the President transmits to the President pro tempore of the Senate and the Speaker of the House of Representatives his written declaration that he is unable to discharge the powers and duties of his office, and until he transmits to them a written declaration to the contrary, such powers and duties shall be discharged by the Vice President as Acting President.

SECTION 4. Whenever the Vice President and a majority of either the principal officers of the executive departments or of such other body as Congress may by law provide, transmit to the President pro tempore of the Senate and the Speaker of the House of Representatives their written declaration that the President is unable to discharge the powers and duties of his office, the Vice President shall immediately assume the powers and duties of the office as Acting President. Thereafter, when the President transmits to the President pro tempore of the Senate and the Speaker of the House of Representatives his written declaration that no inability exists, he shall resume the powers and duties of his office unless the Vice President and a majority of either the principle officers of the executive department or of such other body as Congress may by law provide, transmit within four days to the President pro tempore of the Senate and the Speaker of the House of Representatives their written declaration that the President is unable to discharge the powers and duties of his office. Thereupon Congress shall decide the issue, assembling within fortyeight hours for that purpose if not in session. If the Congress within twenty-one days after receipt of the latter written declaration, or, if Congress is not in session within twenty-one days after Congress is required to assemble, determines by twothirds vote of both Houses that the President is unable to discharge the powers and duties of his office, the Vice President shall continue to discharge the same as Acting President; otherwise, the President shall resume the powers and duties of his office.

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