Weiße Hinterwäldler erklären – Trump-Wähler auf liberaler Couch

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Eine feministische Rechtsprofessorin aus Multikultanien-Genderei, hat ein Buch über die weiße Arbeiterklasse in den USA geschrieben und kommt dabei zum Schluss, dass die Hillary-Demokraten die US-Präsidentenwahlen 2016 eigenhändig versaut, indem sie die sich selbst fortbringenden US-Amerikaner weißer Hautfarbe ignoriert haben. Ungeachtet einiger irritierender Behauptungen wartet Joan C. Williams mit vielen spannenden Einsichten auf, vor allem für europäische Leser.

Ihre White Working Class in Buchform ist eine Erweiterung eines Zeitschriften-Beitrags, den sie noch in der Wahlnacht vom 8. November vergangenen Jahres zu Papier gebracht hat, als für viele überzeugte Demokraten eine Welt zusammenbrach:

Ein kognitiv gehandicapter, peinlicher, rassistisch-sexistischer weißer Milliardär hatte sich gegen die “ungleich besser qualifizierte” Hillary Rodham Clinton durchgesetzt.  :mrgreen:

Die “liberale” Standard-Erklärung dafür brachte ein mit versteckter Kamera aufgenommener CNN-Journalist prägnant auf den Punkt: Die Wähler seien halt dumb as shit, siehe hier.

Es ist das Verdienst der Williams, sich mit einer so leichten Erklärung nicht zufrieden zu geben und so beginnt sie die Bewohner der kontinentalen Staaten ( = alle, bis auf die meisten an der West- sowie der Ostküste) zu erkunden.

Dabei helfen ihr das Wissen, dass die Demokraten stärker noch als ihre republikanischen Gegenstücke an Klassen-Ahnungslosigkeit (“class cluelessness”) leiden sowie ihre Entschlossenheit, die Dinge beim Namen zu nennen – auch wenn sie im Freundeskreis deswegen in Verdacht gerät, homophobe Klimaleugner etc. zu entschuldigen.

Ein zentraler Punkt ihrer Erklärung ist die condescension, die Herablassung, mit der das progressivistische Patriziat (“PME” = professionell-manageriale Elite) auf die breite Masse herabschaut (obwohl die Autorin selbst nicht ganz frei von dieser Haltung ist).

Deutlich wurde solche Arroganz, als die Hillary die Anhänger ihres Gegners als deplorables, bedauernswerte Menschen, bezeichnete. Die Seite Donalds griff diese Entgleisungen begierig auf und wandte sie gegen ihre Urheberin.

Nach Darstellung unserer Autorin war die Allianz zwischen weißen Arbeitern, demokratischen Südstaatlern und african americans, die der Partei bis dahin Wahlerfolge in Serie gebracht hatte, in den 1970ern zu Ende.

Danach sind die beiden ersten Gruppen ihrer eigenen Wege gegangen, während sich die Demokraten auf andere Bundesgenossen konzentrierten.

Wie die kleinen Produktiven zu Modernisierungsverlierern wurden

Heute, schreibt die Autorin, bestünde die Partei nur noch aus zwei Fraktionen – den “kleinen Demokraten” (Minderheiten, Gewerkschaftern, öffentlich Bediensteten und Armen) sowie den “großen/gehobenen Demokraten” (Akademiker, Bibliothekare, human relations manager und Chefredakteure),

in anderen Worten: der intellektuell-reformorientierten Elite (…)”,

die in der Partei zwar in der Minderheit sei, aber den Ton angebe.

2016 habe die Hillary Clinton-Kampagne

im (…) Verständnis (gehandelt), dass die weiße Arbeiterklasse nicht einmal mehr Teil der (demokratischen) Koalition sei. Bill Clinton machte wiederholt aufmerksam, dass Hillarys Kampagne Themen der Arbeiterklasse ansprechen müsse. Und während Bill Clinton (der letzte Demokrat, der die Arbeitenden verstanden habe, wie die Williams anderswo schreibt) einen Einmann-Feldzug (mit dieser Stoßrichtung) führte, stießen seine Warnungen im Wahlkampfteam seiner Frau auf taube Ohren. (…) Sein Rat wurde mit einer Geste abgetan (…) als handle es sich um den persönlichen Rachefeldzug eines talentierten, aber alternden Politikers, der sich weigert, die neue demokratische Landkarte zu akzeptieren”,

zitiert die Autorin einen Artikel.

Die working class, die die Williams meint, ist weder die klassische Industriearbeiterschaft alleine, noch sind es die Armen, wie das aus der Sicht der herblassenden Eliten manchmal erscheint.

Es sind in pemanentem Existenzkampf stehende blue collar workers, Farmer, Kleinunternehmer und kleine Beamte, die mehr verdienen als die 30 Prozent Einkommensschwächsten, aber weniger als die am besten verdienenden 20 Prozent.

Dort, kritisiert die Williams, gönne man der wirklich reichen Business-Elite Einkommensteuersenkungen mehr als den Armen ihre Sozialleistungen (und der liberal-progressivistischen  Polit- und Wirtschafts-Elite gönnt man ihre oft überhöhten Gagen und ihr Prestigegehabe schon gar nicht).

Es geht also um jene 50 Prozent in der Mitte, die Transferbezieher und working poor unten oft als faul und politisch verhätschelt ansehen (und sich selbst als diesen gegenüber zurückgesetzt) und die “PME”, die gut verdienenden Akademiker, Freiberufler und höheren Staatsangestellten als narzistisch, dekadent und neunmalklug.

Diese Arbeiterklasse, die meist kirchlich organisiert – “churched” – ist, ist meist zwar auf ein zweites Einkommen durch die Frau angewiesen, bevorzugt eigentlich aber das traditionelle Verständnis von Geschlechterrollen: hier dad, der breadwinner, dort mom, die homemakerin.

Diese Leute, schreibt die Williams, wollten kein Sozialnetz, sondern primär anständige Männer-Jobs, in denen Papa genug verdient um seine Familie zu unterhalten und Mama daheim bleiben kann.

Halt so wie noch bei ihren (Groß)Eltern.

Zweierlei Ressentiment

Während die PM-Eliten mit ihren teuren College-Abschlüssen in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr verdient haben, hat für die working class der Reallohn seit gut 40 Jahren stagniert (gilt für die black working class übrigens auch).

Man ist in der Arbeiterklasse Williams sozial bzw. kulturell konservativ und überaus staats-/bürokratiekritisch eingestellt (“tea party”), lehnt die (illegale) Immigration ab (“fremdenfeindlich”) und besteht letztlich auf einer strikten Trennung zwischen Berufs- und Privatleben.

Während die neue PME im Beruf aufgehe und ihr Familienleben nach diesem ausrichte, habe die arbeitende Klasse tendenziell wenig Lust, einem freien Posten quer über den Kontinent nachzuziehen (auch weil die ihnen gebotenen opportunities meist keine echten sind).

Geographische Nähe und Familienbande seien ihr wichtiger.

Der Kult, den die besseren Leute um die College-Abschlüsse ihrer kids betreiben, ist der working class fremd, und wenn es mehr sein darf als die Highschool, tut’s ein Abschluss einer nah gelegenen “öffentlichen”, nicht rasend prestigeträchtigen Universität auch (was einem neidvollen, vergleichenden Blick auf die Absolventen der Ivy League” nicht widerspricht).

Natürlich ist die white working class für die Autorin auch rassistisch und sexistisch (wenngleich anders rassistisch und sexistisch als die Eliten).

Die Arbeiter-Frauen seien zwar nicht sexistisch, aber dass eine Geschlechtsgenossin die “gläserne Decke” durchbreche und zur US-Präsidentin aufsteige, sei diesen kein besonderes Anliegen.

Alles in allem wisse die arbeitende Klasse die Wohltaten nicht zu würdigen, die der Staat auch ihr biete (Invaliditätspensionen)  – weswegen die Autorin eine (bisher nicht zustande gekommene) PR-Kampagne mit dem Motto “Danke Uncle Sam!” plant.

Die Feindseligkeit der kleinen Leute gegenüber dem Staat, meint Williams, sei ein großes Unglück. Das sei auf das ideologische Zerstörungswerk der wirtschaftsliberalen republikanischen Eliten in den vergangenen Jahrzehnten zurückzuführen.

Natürlich verhielten sich auch viele republikanische Spitzenpolitiker abgehoben, die Demokraten hätten es dabei aber zu regelrechter Meisterschaft gebracht.

Etwa wenn der frühere Präsident die Preiserhöhungen bei Senfrauke im Bioladen thematisiere, oder sein Außenminister ein Foto veröffentliche, das ihn beim Windsurfen zeigt.

Statt jugendliche Fitness zu signalisieren, kommunizierte er damit aber nur Klassen-Privilegien.”

Die Botschaft sei einfach, resümiert Williams, die vor Jahrzehnten in eine working class-Familie einheiratet hat (ihren Mann, heute Partner in einer gut gehenden Rechtsanwaltskanzlei, beschreibt sie als Klassenmigranten):

Wenn Du die zwei Drittel der Amerikaner ohne College-Abschluss von deiner Vision vom guten Leben ausklammerst, bemerken sie es. Und wenn sich die Eliten für Gleichheit für unterschiedliche Gruppen einsetzen, aber arrogant die ‘dunkle Rigidität ds fundamentalistischen ländlichen Amerika’ ablehnen, ist das ein Rezept für extreme Entfremdung unter den Weißen der arbeitenden Klasse.”

Joan C. Williams, White Working Class. Overcoming Class Cluelessness in America. 2017

J.D. Vance, Hillibilly Elegy, A Memoir of a Family and Culture in Crisis. 2017

Unabhängiger Journalist

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