Die gewerkschaftsnahe Otto Brenner-Stiftung (OBS) hat die “Flüchtlings-Berichte” in den etablierten Medien untersuchen lassen. Herausgekommen ist, was allen, die’s wissen möchten, seit langem klar ist: dass die Mainstream-Journos nur nachbeten, was die Politicos ihnen vorgeben. Trotz dieser Diagnose verdunkelt Studienautor Haller oft Kontext und Hintergründe dieses demokratiepolitschen Super-GAUs.
Die Analyse Michael Hallers und seiner Co-Autoren ist betont zurückhaltend und penibel darauf bedacht, sich von allem, was irgendwie als “rechts” bezeichnet werden kann, abzugrenzen – ebenso wie von Aussageformen, die in die Nähe von Pauschalurteilen kommen könnten.
Man will offenbar akzeptierter Gesprächspartner bleiben.
Deswegen können die Studienautoren auch nicht stehen lassen, die Medien hätten in der “Flüchtlingskrise” versagt. Nun, “versagt” steht tatsächlich nirgendwo – das wäre auch zu unwissenschaftlich ausgedrückt.
In der Studie steht nur drinnen, dass die Tageszeitungen das ideologische Konzept der Willkommenskultur einfach drübergestülpt haben und Kritiker nicht zu Wort kommen ließen (S. 138 f.):
In der Tagespresse wurde unseren Befunden zufolge das Narrativ Willkommenskultur als moralisch intonierte Verpflichtungsnorm „top-down“ vermittelt. Wenn in der Presse Kritisches zu Wort kam, dann im Sinne einer weiter zu stärkenden und zu verbessernden, kurz: „neuen“ Willkommenskultur. Annähernd 83 Prozent aller Zeitungsberichte vermittelten das Leitbild Willkommenskultur in einem positiven oder mehr positiven Sinne. Über Bedenkenträger oder Skeptiker wurde eher selten berichtet.
Dabei haben die medialen Schoßhündchen (wie der Blogger sich zu sagen erlaubt) den Politikern nach dem Mund geredet:
Die …Frage, ob es bei der Vermittlung des Flüchtlingsthemas zwischen Bundespolitikern, den Leitmedien und den Folgemedien (lokale Presse) in Bezug auf die politische Linie der Bundeskanzlerin eine Konsonanz gab, haben unsere Analysen bejaht. (…) Von daher ist die Deutung gut gestützt, dass mit dem ‘Framing’ des Komplexes Flüchtlingspolitik/Willkommenskultur eine spezifische Diktion verbreitet wurde, die im Frühsommer 2015 die öffentliche Meinung so stark prägte, dass abweichende Positionen nicht mehr gehört wurden.”
Wie dies im Hinblick auf die Einstellungen in der Bevölkerung zu deuten ist, kann diese Untersuchung nicht beantworten.”
Die (unsere) Studie ging (…) von demokratietheoretisch begründeten, mithin normativen Anforderungen an den Informationsjournalismus aus. (…) Läge der Analyse ein Verständnis zugrunde, dem zufolge der Informationsjournalismus vor allem dazu da sei, Intentionen und Strategien der politischen Akteure dem Publikum zu vermitteln, könnte man unsere Ergebnisse als Beleg dafür nehmen, dass er diese Aufgabe aufs Beste erfüllt hat. Aus Sicht unseres Ansatzes jedoch ist dies eine Leistung, die von der Politik-PR zu erbringen wäre (und erbracht wird).”
So viel zu den starken Seiten der Haller-Analyse.
Es gibt jedoch ein paar Aspekte, die diese Suppe versalzen, zum Beispiel ein unglaubwürdiges Detailergebnis von Hallers quantitativer Auswertung dreier deutscher Zeitungen:
- “Die eigentlichen Hauptakteure – die Helfergruppen, Einrichtungen, freien Träger und Initianten, die sich, viele freiwillig, in erster Linie um Flüchtlinge kümmerten – stellen nur rund 3,5 Prozent aller relevanten Personen, die in den redaktionellen Beiträgen genannt werden. Fachleute und Experten (…) kommen praktisch nicht vor (1:100). Die Hauptbetroffenen (Flüchtlinge, Asylsuchende, Migranten) bewegen sich bei 4 Prozent (das heißt eine Nennung auf 25 andere).” Das ist angetan ein groteskes Zerrbild zu erzeugen.
- Dass die traditionellen Medien nach dem Kölner Silvester 2015/16 differenzierter zu berichten begonnen hätten (was wenigstens relativiert werden muss), wird nicht darauf zurückgeführt, dass es Online-Konkurrenz gegeben hat. Alternative Medien werden schlichtweg ignoriert, wie man beispielsweise bei Tichys Einblick beleidigt feststellt.
- Und schließlich existiert der merkwürdige Umstand, dass mit OBS ausgerechnet eine Organisation veröffentlicht, die sich bei der Hatz auf Parteien und Personen besonders hervortut, die sich der oben geschilderten politisch-medialen Meinungsmache verschließen. Also beispielsweise auf die AfD, die von den Medien nach Gusto “ins Nazi-Winklerl” gestellt wird. Der Beitrag, den die OBS dabei leistet, besteht u.a. darin, “Handreichungen” für den Umgang mit den vermeintlichen Rechtspopulisten zu gewähren. Das freilich kennzeichnet genau jene fatale Mischung aus Affirmation und Repression, die der politischen Klasse und ihren Schoßhündchen erlauben soll, die Kosten der Krise überwälzen und selbst ungeschoren davonkommen zu können.
Michael Haller, Die ‘Flüchtlingskrise’ in den Medien. Tagesaktueller Journalismus zwischen Meinung und Information. 2017
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