Petry oder: die journalistische Kunst die Opposition zu grillen

Die Deutsche Welle, der englischsprachige Auslandssender der Bundesrepublik, hat ein kontroverses Interview mit Frauke Petry, der Chefin der AfD geführt. Beim Thema Waffeneinsatz gegen illegale Grenzübertritte entwickelte sich ein Hickhack, das außerhalb Deutschlands als absurd empfunden werden muss.

Das von DW u.a. auf Youtube gestellte Interview mit Tim Sebastian (TS) findet sich auf der eigenen HP hier und auf YT hier. Auszüge aus den ersten drei Minuten (eigene Übersetzung):

TS: Sie sind jene deutsche Politikerin, die die Möglichkeit erörtert hat, als letztes Mittel Flüchtlinge an der Grenze zu erschießen. Sind sie darauf stolz ?

FP: Ich habe das nie gesagt. Die Diskussion über die Kontrolle deutscher Grenzen hat zu einer sonderbaren Situation in der Öffentlichkeit geführt. Wir hatten überall Schlagzeilen, die im Wesentlichen das Gegenteil von dem behaupteten, was ich gesagt hatte.

TS: Sie sagten (Text wird eingeblendet, Rückübersetzung): “Ein deutscher Grenzwächter muss das illegale Überschreiten der Grenzen verhindern und, wenn nötig, sogar Schusswaffen verwenden. Ich will das (auch) nicht. Bewaffnete Gewalt ist das letzte Mittel.” Sie haben damit die Perspektive eröffnet, als letztes Mittel auf Flüchtlinge zu schießen.

FP: Ich habe im Wesentlichen ein deutsches Gesetz zitiert (…) Wir sind uns alle einig, dass wir nicht wollen, dass das letzte Mittel ergriffen wird.

TS: Aber warum haben sie in einer so aufgeladenen Atmosphäre dieses Gespenst heraufbeschworen ?

FP: Die Verwendung von Waffen ist nicht dasselbe wie die Verwendung von Waffen gegen Menschen.

TS: Würden Sie Schüsse in die Luft vorschlagen ?

FP: Natürlich müsste das zuerst getan werden. Ich habe dieses Thema auch nicht selbst angeschnitten Die Frage ist, ob die Journalisten Themen anschneiden, um unsere Partei in einem speziellen Licht erscheinen zu lassen.

(…)

TS: Aber sie sind die einzige, die das angesprochen hat.

FP: Sorry, aber das ist nicht richtig. Wir haben einen Grünpolitiker, Boris Palmer …

(…)

TS: Aber der sprach nicht von bewaffneter Gewalt.

FP: Natürlich hat er das getan.

(Zitat Palmer wird eingeblendet, Rückübersetzung): “Griechenland allein wird nicht dazu in der Lage sein. Das kann nur durch europäische Grenztruppen erledigt werden. Und es ist völlig normal, wenn sie bewaffnet sind, wie es an beinahe jeder Grenze üblich ist.”

(…)

TS: Aber sie haben dieses Gespenst heraufbeschworen und ich würde das Thema mit ihnen noch gerne vertiefen.”

FP: Ja – aber sie sollten die Dinge richtig erfassen. Ich habe das nicht zum Thema gemacht. Wir haben ein deutsches Gesetz zitiert und viele deutsche Zeitungen haben das Thema umgedreht (und uns nachgesagt), dass wir die Leute erschießen wollten.

Unterdrückte Einwanderer und Geschlechtertrennung

So weit O-Töne aus den ersten Minuten. Das Thema Grenzsicherung nimmt etwa ein Viertel der Interviewzeit in Anspruch.

Die nächste Passage ist kritischen Urteilen abgegangener AfD-Politiker über die Partei (“fremdenfeindlich”) bzw. über deren Abgrenzung gegenüber einer als neonazistisch gezeichneten Pegida gewidmet.  Petry antwortet, dass keine andere Partei den Demonstranten der Pegida zuhöre, dass die AfD aber einen Dialog mit diesen Leuten führen wolle.

Ab der 17. Minute werden die Positionen gegenüber dem Islam besprochen. Petry sagt, dass ein Teil dieser Religion Inhalte vertrete, die nicht mit einer demokratischen Gesellschaft vereinbar seien. Der Interviewer hält Petry vor, sie wolle Zugewanderte unterdrücken, indem sie etwa die Gesichtsverschleierung oder das Tragen einer Burka in der Öffentlichkeit verbieten wolle und dass die AfD die Gesellschaft spalte.

Frauke antwortet, es sei das Recht jeder Gesellschaft zu entscheiden, wer einwandern dürfe und wer nicht. Und eine Gesellschaft, in der plötzlich wieder diskutiert werde, ob Mädchen und Buben gemeinsam schwimmen gehen dürften, sei bereits gespalten, und das sei nicht Schuld der AfD. Den Abschluss bildet eine Diskussion über einzelne Punkte des (noch nicht beschlossenen) Parteiprogamms.

Am Ende des Interviews meint die hörbar frustrierte (und falsch vorbereitete) Petry: “Sollten wir nicht über den Euro sprechen?  Es ist in fast jedem Interview die gleiche Geschichte: Sie picken sich teilweise unbestätigte Details heraus und versuchen, damit ein Bild zu zeichnen (..) Ich bin daran gewohnt. Aber es hilft nicht bei der Aufgabe, ein neutrales, repräsentatives Bild meiner Partei in der Öffentlichkeit zu zeichnen. Aber wenn das ihr Ziel ist … ok.”

Mein Senf dazu

Zunächst einmal: Petry machte einen extrem kompetenten Eindruck, nicht nur, weil sie in (fast) fehler- und akzentfreiem Englisch antwortete (welcher deutschsprachige MEP, der schon viele Jahre in Brüssel/Strassburg verbracht hat, kann das?)

Obwohl sie “bergauf kämpfen” musste, ist sie nie in die Enge getrieben oder wenigstens zum Stottern gebracht worden. Sie blieb dem - seinerseits gut vorbereiteten - Sebastian nichts schuldig: “… dann haben Sie keine Ahnung davon, wie der politische Prozess läuft.” (Letztlich, muss man freilich zugeben, war das Ganze ein für die deutsche Öffentlichkeit nicht verständliches Trockentraining).

Petry hörte dem Interviewer aufmerksam zu und achtete auch auf seine Zwischensätze. Kaum jemals hat sie (manchmal in Fragen gekleidete) Unterstellungen im Raum stehen lassen.

Aber dabei hat sie “über die Stränge geschlagen” und versucht, die Fragen zu suggerieren, die ihr ihrer Meinung nach eigentlich gestellt werden müsstenDas war ein Verstoß gegen die Regeln des “Spiels”. 

Die Regeln für die einen und die für die anderen

Sie wird dafür auch gebührend zurechtgewiesen (“You can answer, but I am going to ask the questions, I like to ask (…)That’s what a free press does.”)

Exakt – das ist, was die Presse gegenüber den einen tut. 

Sebastian hat mit seiner Bemerkung recht, doch die von ihm geschilderten Praktiken kommen nicht so oft vor. Jedenfalls nicht im Umgang mit den Machthabern. Deren Interviews sind üblicherweise vorab abgestimmt/gescriptet, die Fragesteller agieren meist als Stichwortgeber. So sind die wesentlich milderen Regeln für die anderen.

Es geht dabei, um eine Analogie zu ziehenum selektiven, gefakten Journalismus.

Konkrete Beweise können nur in Ausnahmefällen beigebracht werden, weil die Dinge unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden und die Beteiligten, die ihren Job behalten möchten, darüber schweigen (allerwenigstens bekommen sie kein Fragegelegenheit mehr). Die servile Haltung speziell der Öffentlich-Rechtlichen wird trotzdem in regelmäßigen Abständen überdeutlich, siehe z.B. hier oder hier 

Der Tonfall eines Interviews wird jedenfalls hörbar kritischer, sobald ein Politiker der (politisch nicht korrekten) Opposition interviewt wird.

Dieser frappierende Unterschied ist es, der z.B. die Österreicher über die Jahre so skeptisch gegenüber den  ORF-Fragerunden gemacht hat (dies und die Tatsache, dass es auch eine Form von “Kritik” gibt, die pure Affirmation ist).

Das “echte” Grillfest

Dieses “Grillen” ist eigentlich etwas, was aus dem Parlamentarismus kommt und was - seiner oft einseitigen Art und Unfairness zum Trotz - der “Wahrheitsfindung” und der “Demokratie” dient.

In dieser Situation hat der Befragte fast keine und der Interviewer/das Ausschussmitglied fast alle Rechte. Die Situation ist, wie Sebastian sie andeutet: Die eine Seite fragt so manipulativ wie sie möchte und die andere hat lediglich das Recht, genau darauf zu antworten – Punkt.

Die (gespielte) Naivität des Fragestellers muss dabei auf keinerlei Grenzen achten (“Der Islam hat, sagen sie, eine Staatsvorstellung, die der europäischen völlig fremd ist. Warum ist das für sie wichtig?”). Der Interviewer darf auch völlig frei interpretieren, was die Befragte angeblich von sich gegeben hat (“Aber sie sagen, dass die Moslems keine Wahlen und keine Parlamente haben…!?”)

Bei einem Interview dieser Art muss der Fragesteller auch keine Rechenschaft darüber abgeben, warum er sich für das eine interessiert, für das andere aber nicht. Zum Beispiel, warum bei einer Partei, die gleichermaßen als “Pegida- und Anti Euro-Partei” charakterisiert wird, keine Frage zur europäischen Gemeinschaftswährung gestellt wird.

Hat den Interviewer halt nicht interessiert. Vielleicht war auch die Sendezeit zu kurz – schmeck’s. Die Journalisten sind jedenfalls Herren des Verfahrens.

Das kommt gut an in der geschundenen und geschurigelten Masse der Lohnschreiber, speziell dann, wenn es um eine Person unter Nazi-Verdacht geht (“Waking up the ghosts of the past”).

Die Reaktionen der Lügenpresse?

“Journalist weist Petry in die Schranken”, “ein solch kritisches Interview hat Petry wohl noch nie geführt”.

Na schön.

Dann warten wir mal drauf, dass sich die Staatssender die Machthaber auf vergleichbare Weise vorknöpfen.

Denn was die Deutsche Welle kann, die direkt über das deutsche Bundeskanzleramt finanziert wird, werden die Öffentlich-Rechtlichen, in deren Gremien “nur” Politicos sitzen, ja wohl auch können.

Foto: Screenshot Youtube/DW/Conflict Zone

Edit, 30.3.2016, 8.00 Uhr: Die AfD ist natürlich die Anti Euro-Partei. Das war schlampig formuliert, hab’s gerichtet, tut mir leid.

Unabhängiger Journalist

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