Europa, Syrien und die zwei amerikanischen Außenpolitiken

In den USA – und davon abgeleitet – in der EU gibt es je zwei Außenpolitiken, die sich nicht zu erkennen geben, geschweige denn bekämpfen können. Die eine beruht auf dem Prinzip der Machtteilung zwischen den USA und Russland, wie sie schon im Kalten Krieg bestanden hat (Bi-, manchmal ist auch von Multipolarität die Rede). Die andere Schule glaubt, die USA seien als einzige Supermacht übriggeblieben und dürften keine rivalisierende Macht neben sich dulden. Eine Spekulation.

Die erste Schule übt sich in einer realpolitischen, konservativen, “bewahrenden” Ordnungspolitik, in der global wichtige Entscheidungen im geheimen, direkten Einvernehmen zwischen Washington und Moskau getroffen werden.

Ein guter Teil der noch im Kalten Krieg groß gewordenen amerikanischen Apparatschiks (Militär, Geheimdienste, Außenpolitik) der USA gehört dieser Schule an.

Was jedoch vielleicht noch wichtiger ist: US-Präsident Obama scheint, je älter er im Amt wird, desto stärker in dieses Lager zu rücken ( “Syrien-Rückzieher im September 2013″, “Deal mit dem Iran” sowie die mit den Russen vereinbarte “aktuelle Syrien-Feuerpause”).

Obama und sein “Umsetzer”, Außenminister Kerry, haben und hatten jedoch weder die gesamte US-Außenpolitik unter Kontrolle noch ist der von ihnen eingeschlagene Kurs irreversibel.

Obamas Gegenspielerin und Parteifreundin Hillary Clinton, die dessen Präsidentschaft 2009 bis 2013 geprägt hat, ist die bekannteste Exponentin der anderen US-Außenpolitik.

Es ist eine “neokonservative”, “zionistische”, “trotzkistische” und “exzeptionalistische” Linie, die keine Beschränkung für die Welt-Mission der USA duldet und die nach Möglichkeit darauf verzichtet, geostrategischen Interessen der Russen Rechnung zu tragen.

Der US-Präsident kann der Rhetorik dieser Landsleute unmöglich eine Absage erteilen, zumindest nicht öffentlich (noch kann er sich ernsthaft von Clinton distanzieren). So etwas wäre nicht vermittelbar und könnte bis hin zu seinem impeachment führen.

Der US-Präsident muss den Eindruck vermeiden, er sei gegenüber Russland zu soft und deshalb (und weil er die Macht sie abzustellen nicht hat), muss er sich mit der konkurrierenden Schattenaußenpolitik abfinden. 

Es ist dies die Außenpolitik des anderen Teils des Apparats und der US-Verbündeten, z.B. der Victoria Nuland und des Zentrums der Europäischen Union. Diese Akteure müssen wiederum jeden Eindruck vermeiden, dass ihre Linie nicht vom US-Präsidenten gedeckt wird.

Union der Rosstäuscher

Warum Europa, wer in Europa ?

Gemeint sind die deutsche Kanzlerin und der Präsident der Kommission (wie deren persönliche Motivation dafür aussieht, sei dahingestellt). Diese beiden Politiker hängen weniger am Gängelband Obamas als an jenem der geschilderten Schattenpolitik.

Schon auf den ersten Blick ist erkennbar: Die Merkel und den Juncker eint, dass beide bereit sind, ihre eigene constituency zu schädigen, wenn dies im Interesse der US-Kriegspartei oder eines der von dieser favorisierten player liegt.

Also zum Beispiel: Es sind primäre Ziele der Neocon-Außenpolitik

  • das Erpressungspotenzial des Gas-Transitlands Ukraine gegenüber Europa zu erhalten (kurzfristig) und längerfristig
  • Russland von den Gas- und Öleinnahmen europäischer Kunden abzuschneiden.

Die EU-Kommission exekutiert mit ihren Pipeline-Entscheidungen die dazugehörige EU-Politik – wie teuer dies die künftigen Europäer auch zu stehen kommen mag.

Das war schon 2014 erkennbar, als die Kommission mit bürokratischen Kunststückchen die South Stream hintertrieb, erfolgreich. Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2016 und die Uhr ist um zwei gescheiterte Pipelineprojekte vorangerückt.

Nun scheint es für die EU an der Zeit zu sein.

  • illusionäre Problemlösungen zu pushen und
  • das russisch-deutsche Projekt North Stream 2 abzudrehen (wofür mittlerweile die nötigen gesetzlichen Voraussetzungen existieren – anders als bei der ersten North Stream), siehe hier.

Damit schädigen Kommission und deutsche Regierung offen die Energieinteressen deutscher Konsumenten und Unternehmen (wobei nur letztere über das Wissen und die Urteilskraft verfügen um das zu erkennen).

Doch selbst die Unternehmerverbände nehmen diese Dinge widerspruchslos hin – so wie die zum Scheitern verurteilte Energiewende oder die selbstschädlichen Wirtschaftssanktionen gegen Russland.

Wieso ?

Keine Ahnung.

Ebensowenig kann der von Merkel gefahrene Immigrationskurs im Interesse der Deutschen liegen – auch nicht der dortigen Unternehmen (die sind heute nicht so sehr an Lohndrückerei für Hilfsarbeiter, als an “leistbaren” qualifizierten Arbeitskräften interessiert).

Aber die Türkei gehört wie die Ukraine und die Staaten der Arabischen Halbinsel zu den Lieblingsklienten der US-Schattenpolitik. Von daher scheint es für Führungsfiguren vom Schlag der Berliner Kanzlerin klar, dass Deutschland gefälligst die Gesamthaftung für die von den genannten Mächten befeuerten Syrienkrieg zu übernehmen hat.

Unabhängiger Journalist

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