Wieder kritiklose EU-Schönfärberei in Österreichs Staatsfernsehen

Der ORF-zählt zu seinen Kernaufgaben die “Förderung der Idee der europäischen Integration” Das sollte ihn aber nicht daran hindern, sich Werbebotschaften zu versagen. Der Beitrag im Wirtschaftsmagazin Eco am gestrigen Donnerstag war wieder ein Beispiel für eine Propagandamischung aus Wahrheit, Halbwahrheit und Falschinformation.

Der Beitrag über den EU-Beitritt und seine Folgen ist hier (noch) anzusehen. Er beschäftigt sich mit den angeblichen und wirklichen Vorteilen, die die österreichische Wirtschaft aus Ostöffnung, EU-Beitritt, Euro und Osterweiterung gezogen hat.

Das Stück beginnt bezeichnenderweise mit den Förderungen, die heimische Unternehmen und Regionen von der EU erhalten haben – zum Beispiel das Burgenland, in das über die Jahre drei EU-Milliarden geflossen sind und das nach Meinung des Autors heute eine “Boomregion” darstellt.

Das ist schön für die Burgenländer – doch dass sich Österreich – als Nettozahler – die Subventionen praktisch selber zahlt, hätte man wenigstens nebenbei erwähnen können.

Weiter geht’s mit dem (volkswirtschaftlichen) Einkommen, wo Österreich  pro Kopf den zweithöchsten Wert in der EU aufweist. Unausgesprochen wird suggeriert, dass diese Entwicklung in erster Linie auf die EU-Integration zurückgeht. Letztere hat nach Meinung der Wirtschaftskammer massiv zum Wirtschaftswachstum in Österreich beigetragen ( welches Wachstum? Das war in den vergangenen 10,15 Jahren schwach wie bisher noch nie).

Ein Kammer-Mann zitiert das Wifo, wonach  das Land “durch Erweiterung, Ostöffnung und EU-Beitritt in Summe pro Jahr um 0,9 Prozent stärker gewachsen ist als ohne diese drei Faktoren. Das ist um 0,7 Prozent mehr als die Schweiz und um 0,6 Prozent mehr als Deutschland. Also man sieht, es gibt einen positiven Effekt.”

Die Passage ist ein wahres Meisterstück an Desinformation. Dass die genannte Studie existiert, ist noch der am wenigsten fragwürdige Teil. Doch

1.) wird in der Studie alles – inklusive der Ostöffnung in den 1990ern – in einen Topf geworfen. Der dabei erzielte mediale Effekt ist ziemlich manipulativ, denn schließlich lautet das Motto des Beitrags: Die wirtschaflichen Vorteile durch die EU.

2.) wird Verwirrung gestiftet. Die Zahlen im ersten Satz können nichts anderes als Prozentpunkte bedeuten, mit denen  das österreichische BIP durch die drei Faktoren zusätzlich gewachsen ist. Zahlen, die aus einer im Wesentlichen unüberprüfbaren Modellrechnung stammen;

die Zahlen im zweiten Satz können aber unmöglich mit den Prozentpunkten des ersten Satzes vergleichbar sein – denn dies würde bedeuten, dass z.B. die Schweiz  – mit Ostöffnung, aber ohne den Beitritt und die Vorteile aus der Osterweiterung – praktisch nicht gewachsen ist.(Für Deutschland gilt sinngemäß das gleiche).

Das ist nicht glaubwürdig, wie schon ein kurzer Blick auf Daten von Eurostat zeigt. Die folgende Tabelle zeigt das Wachstum des Bruttonationalprodukts pro Kopf in Kaufkraftparitäten an (also unter Berücksichtigung der Stärke der Währung für den Konsumenten).

Und der Sieger ist.....die Schweiz!
Schweiz-BIP stieg um 75% in KKS. Quelle: Eurostat

Im Zeitraum von 1995 bis 2012 liegt das Nicht-EU-Mitglied Schweiz sogar etwas vor Deutschland und Österreich (während sie bei der Entwicklung des BIP/Kopf etwas hinter den beiden Ländern liegt.)

Und schließlich müssen wieder die Investitionen (FDI) herhalten, ein echter Dauerbrenner in der wirtschaftspolitischen Diskussion. Seit 20 Jahren wird der fragwürdige Eindruck erweckt, dass ohne Beitritt, Euro, Osterweiterung – und weiß der Teufel was noch alles – niemand in Österreich investiert hätte. Hier eine Tabelle der OECD, die dieser Ansicht zuwiderläuft.

Österreich trotz EU für Auslandsinvestoren nur mäßig interessant. Quelle: OECD
Österreich trotz EU für Auslandsinvestoren nur mäßig interessant. Quelle: OECD

Die Tabelle zeigt Anteil der direkten (kumulierten) Auslandsinvestitionen, ausgedrückt als Prozentsatz am BIP in Österreich und der Schweiz. In Österreich ist dieser Anteil in knapp 20 Jahren von neun auf 44 Prozent gestiegen – d.h. er hat sich verünffacht. In der Schweiz ist dieser Anteil um das 6,5-Fache gestiegen. Das heißt, dass die Schweiz, die nicht einmal dem EWR angehört, für Auslandsinvestoren attraktiver war und ist.

Letztes Thema Ostinvestitionen. Auch hier stammen die Zahlen wieder von der OECD und weil deren Datenbank nicht mehr hergibt (und ich für alles Weitere zu faul bin), habe ich nur die (ursprünglichen) Visegrad-Staaten herausgegriffen. Es geht um die österreichischen (kumulierten) Auslandsinvestitionen in diesen Ländern.

FDI in Visegrad-Staaten. Quelle: OECD
FDI in Visegrad-Staaten. Quelle: OECD

Die Tabelle zeigt gut, dass die Investitions-Dynamik in den ersten Jahren nach dem Mauerfall am größten war und dass diese im Lauf der Jahre zurückging. Sie blieb nach der Osterweiterung zwar beträchtlich, verlangsamte sich aber. Das verträgt sich mit dem großen Bild in einem meiner früheren Posts, wo gezeigt wird, dass die österreichischen Exportüberschüsse nach 2004 gesunken sind.

Wie hieß es im Eco-Kommentar so richtig und und irreführend zugleich ?

“Insbesondere die Osterweiterung 2004 bescherte den heimischen Unternehmen einen zusätzlichen Wachstumsschub, nicht nur als Exporteure, sondern als Direktinvestoren Richtung Mitteleuropa.”

“Die Vorteile von EU-Beitritt und Euro sind für Forscher und Experten ziemlich offensichtlich”, resümiert der Eco-Journalist und stellt sich am Ende die Frage: “Warum die Bevölkerung trotzdem so skeptisch bleibt? (…) Für die Unternehmen im Land ist die Antwort jedenfalls klar: sie sind längst in Europa gelandet.”

Hallo, Eco ! Ich hätte da eine vage Idee: Vielleicht hegt sie den Verdacht, dass ein überwiegender Teil der Forscher und Experten in seinen Studien das herausfindet, was er herausfinden soll. Und vielleicht ist sie der Meinung, dass die Journalisten das nicht bemerken können oder wollen. Ist das eine Denkvariante?

Edit 17.5: Unleserliche Screenshots von OECD-Datenbank ersetzt, Formulierung bei Interpretation der dritten Tabelle

Unabhängiger Journalist

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