Nachdem ich Jahrzehnte unter primitiven Anbetern des Steuerstaats verbracht habe, hat mich das Leben in einen Stamm verschlagen, der dem Credo huldigt, die große Mehrheit entrichte sowieso keine Abgaben – was auch ein Aberglaube ist. Bis jetzt wenigstens. Pro futuro könnte sich das ändern, wenn unsere heutige Unselbstständigen-Gesellschaft zusammenbricht – schnell oder langsam.
Die OECD veröffentlicht jedes Jahr für jedes Mitgliedsland eine Statistik über dessen Einnahmenstruktur.
Die jüngste Analyse zu Österreich findet sich hier und beruht v.a. auf statistischen Angaben aus Wien für das Jahr 2015.
Insgesamt wurden damals 148,4 Mrd. Euro eingenommen – an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen.
Das ergibt eine Steuer- und Abgabenquote von 43,7 Prozent bzw. 42,7 Prozent im Jahr 2016. Das ist weit über dem OECD-Schnitt von 34,0 (34,3) Prozent (die Quote ist der Anteil der Steuern und Abgaben am Bruttoinlandsprodukt).
Vier Arten die Gans zu rupfen
Wie der selbst angefertigten Tortengrafik zu entnehmen ist, trägt die stark “progressive” Einkommens-(Lohn-)Steuer nur 24 Prozent zu den Staatseinnahmen bei. Hier berappen Gut- und Supergutverdiener 80 bis 90 Prozent, Millionen zahlen überhaupt nichts.
Den bei weitem größten Posten machen jedoch die SV-Beiträge aus, die der Übersichtlichkeit halber mit den payroll taxes, den Beschäftigungssteuern zusammengelegt wurden.
Das ist ein Posten, den sich die Sozialpartner ursprünglich 50:50 aufgeteilt haben, der aber im Laufe der Jahre und Jahrzehnte stärker der Arbeitgeberseite zugewachsen ist – sodass dieses “Tortenstück” heute zu 60 bis 70 Prozent von den Unternehmen finanziert wird (hoffentlich informierte Eigenschätzung).
Daran hängen in Österreich 3,7 Millionen unselbstständig Beschäftigte, siehe hier, Statistik Austria.
Die hiesigen Arbeitgeber klagen nicht ganz zu Unrecht über die hohe Belastung der Beschäftigung, die dazu führt, dass die Unternehmen – wo möglich – Mitarbeiter durch Maschinen ersetzen und/oder gar niemanden mehr einstellen.
Gleichzeitig muss jedoch eingeräumt werden,dass der Budget-Beitrag, den die Firmen z.B. über die KöSt leisten, relativ gering ist.
Kapitalertragssteuern spielen in Ö. keine Rolle, ebensowenig wie Grund- oder andere Substanzsteuern (Vermögenssteuern).
Auch Erbschafts- und Schenkungssteuern würden, führte man sie hierzulande ein, für die öffentlichen Finanzen “das Kraut nicht wirklich fett machen”.
Relativ viel tragen dagegen die Umsatzsteuern (MwSt., Mineralölsteuer, Tabaksteuer etc.) bei – mehr als die Einkommensbesteuerung.
Die Umsatzsteuern zahlen alle Konsumenten, also auch Beamte, reine Transferempfänger und Nettosteuervermeider.
Gutverdiener und Vermögende (“Reiche”) entrichten zwar mehr Konsumsteuern als ihrer Kopfzahl entspricht – aber das hängt damit zusammen, dass sie sich teure BMW 5er, Jachten und Pferde leisten, was der gemeine Gemeindebaubewohner nicht tut.
Sie konsumieren jedoch bei weitem nicht so viel, dass ihr Anteil an der Verbrauchssteuerleistung so hoch wäre wie z.B. jener der Gutverdiener an der Einkommenssteuer.
Mehrerlei Umverteilung
Über alle Steuer- und Abgabenarten bedeutet das, dass die Gut- die Schlechtverdiener, die Arbeitenden die Nicht-Arbeitenden und privat Produktive nur bedingt produktive Staatsdiener “sponsern” (letzteres bezieht sich übrigens nicht auf Krankenschwestern, Polizisten und Lehrer)
– und all das liefert zweifellos jede Menge falsche Anreize (aber nicht nur das).
Es gibt also tatsächlich eine beachtliche Umverteilung – weg von Einkommensstarken, Leistungswilligen und Unternehmen hin zu Einkommensschwachen, Nicht-Erwerbstätigen und Nicht-Leistungswilligen – aber
- die ist nicht so extrem, wie manche, die nur die Einkommenssteuer sehen, das darstellen und
- es wird auch zwischen anderen Gruppen umverteilt, z.B. von arbeitenden Unselbstständigen zu Unternehmersgattinnen ohne Erwerbsarbeit oder von arbeitsamen Putzfrauen zu unproduktiven Bürokraten (“finanzielle Repression”, negative Realzinsen).
Just saying...
Sozialbeiträge und Zukunft
Freilich machen sich schon seit längerem deutliche Hinweise bemerkbar, dass das Wirtschaftsmodell Marke Nachkriegszeit in den kommenden Jahrzehnten an sein Ende kommt und ein Anzeichen dafür ist, dass die sg. Teilzeitquote von 14 Prozent Mitte der 1990er auf heute 29 Prozent angestiegen ist.
Es könnte sein, dass artificial intelligence und smart production in den kommenden Jahren der Produktivität einen regelrechten Turbo verpassen und dass dadurch deutlich weniger (abhängig) Beschäftigte benötigt werden – siehe dazu z.B. Andrew Burgess oder Dan Zhang & Bin Wei.
Und es könnte sein, dass sich diese Entwicklung als hoch willkommen erweist, weil mit dem phasing out der fossilen Treibstoffe (geringere Verfügbarkeit, sinkende Netto-Energie) der für das 20. Jahrhundert typische Treibsatz für die biophysische Produktion ausfällt.
Aber das hat nicht der Prof. Badelt gesagt, weshalb Redakteur & Redakteurin Strunz auch nicht darüber nachdenken müssen.
Edit: Zahl der unselbstständig Erwerbstätigen in Österreich auf 3,7 Millionen korrigiert. Die ursprünglich genannten 2 Millionen waren nur die Frauen.
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