Ein Zusammenstoß ziemlich ungleicher Welten

cover_collision_resizedEin US-amerikanischer Spezialist für das vorspanische Mittelamerika hat eine tiefe Geschichte des Zusammenpralls des spanischen mit dem “aztekischen” Staats- und Kulturwesen vor 500 Jahren geschrieben und war dabei auch auf Ähnlichkeiten bzw. Parallelen aus. Während es diese zweifellos gab, bleibt das Faktum, dass hier eine kriegerische, “technologisch fortgeschrittene” Metallgesellschaft auf eine kriegerische, technologisch weniger fortgeschrittene Steinzeitgesellschaft traf – mit vorhersehbarem Ausgang.

Es mag manchen Experten und (u.a. mexikanischen) Politicos nicht behagen – aber es ist nun einmal so, dass Hernán Cortés & seine Brutal-Conquistadoren vor 500 Jahren ein seinerseits imperialistisches Gebilde zerstört haben, das die unterworfenen Stämme wie die Zitronen ausgequetscht hat

(weswegen sich Tausende “Indianer” den Feinden ihrer Unterdrücker angeschlossen haben, offenbar nach dem Motto der Bremer Stadtmusikanten: “Etwas Besseres als den Tod finden wir überall”).

Darüber hinaus hat die “technologische Differenz” ganz offensichtlich eine große Rolle gespielt (auch wenn die sg. Fachwelt das nicht gerne hört)

- von der Verwendung des Rads zu Transportzwecken über den Einsatz von “Toledo-Stahl” (gegen Obsidianklingen) bis zur Verwendung von Arkebusen, die – wenn sie schon nicht gefährlich waren – einen Feind aus der Steinzeit doch in Angst und Schrecken versetzen konnten

(und natürlich hatten die Europäer Pferde, die die Azteken nicht kannten).

Das soll die Massaker der Spanier und die gewollten und ungewollten Gräuel der Kolonisierung Nueva Españas nicht klein reden

- erklären hilft es den raschen Sieg der ursprünglichen Eroberer allemal.

Das unbestrittene Verdienst des Autors, eines Archäologie-Professors aus Boston, ist es,

einen schnellen Überblick über die naturräumlichen Gegebenheiten sowie über die vielfältigen Kulturen des vorspanischen Mesoamerika zu geben

- ohne sich allzu sehr in Details zu verlieren (die für Spezialisten wiederum selbstverständlich sein mögen).

Ja, das Hochland von Mexiko war “multiethnisch” und von Sprechern dreier großer Sprachfamilien besiedelt (Nahuatl-, Maya-, Otomangue-Sprachen)

und ja, die Rede ist von langen Zeiträumen, weil z.B. zwischen den ersten urbanen Siedlungen der Olmeken und Tenochtitlan-Tlaltelolco 2.000 Jahre lagen (zwischen Teotihuacán und Tenochtitlan lagen “nur” ca. 1.000 Jahre).

Und dennoch – wenigstens dem Auge des Fremden erscheinen die ach so divergenten mesoamerikanischen Stadtstaaten unheimlich ähnlich:

  • sesshafte Steinzeit-Menschen in urbanen Zusammenballungen,
  • die gleiche oder ähnliche Ackerfrüchte anbauten und
  • unter demselben Himmel gleicher oder ähnlicher Kosmologien und Mythologien lebten.

Carballo, dessen Vorfahren z.T. aus Spanien stammen, liefert zu Vergleichszwecken auch eine tiefe Geschichte der Iberischen Halbinsel,

von Kelten und Phöniziern bis zur Reconquista, die von den vereinigten Königreichen von Kastilien und Aragon vollendet wurde.

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Isabela und Ferdinand waren es auch, die Columbus auf den Weg schickten und ihr Enkel Carlos I vulgo Karl V war schließlich der “oberste Chef” des Hernan Cortés.

Ständige Vergleiche sind jene von Cholula und (dem spanischen) Medellín, der Geburtsstadt des Cortes – und manchmal fragt man sich, worauf Carballo damit hinaus will (wahrscheinlich ist es nur ein unschuldiges postmodernes Spiel mit Identität und Differenz).

Die Kapitel 5 bis 7 sind primär den faktischen Ereignissen von der Landung der Conquistadoren in Yucatan 1519 bis zur Zerstörung Tenochtitlans gewidmet

und das achte Kapitel befasst sich mit dem “Schmieden Neuspaniens”, denn, macht Carballo eindringlich geltend:

Cortés war nicht das Ende, sondern erst der Anfang der Kolonisierung des neuen Vizekönigreichs.

Bis die letzten Indianer-Stämme unterworfen waren – Mayas, wennn ich mich recht erinnere – dauerte es noch knapp 200 Jahre

- und zu diesem Zeitpunkt war es dann nicht mehr allzu lange bis zu den lateinamerikanischen Unabhängigkeitskriegen .

David Carballo, Collision of Worlds: A Deep History of the Fall of Aztec Mexico and the Forging of New Spain.2020

Unabhängiger Journalist

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