Warum der WWF-Regenwaldbericht zur EU so nicht stimmen kann

cover_stepping_upWenn die EU – wie vom World Wide Fund for Nature (WWF) behauptet – wirklich für 16% der Regenwald-Rodungen verantwortlich wäre, müssten die Handels-Statistiken anders aussehen. Mit Ausnahme von Palmöl, das weltweit ein Sonderfall ist, hat die Union in den vergangenen 15 Jahren aber weniger von jenen agrarischen Rohstoffen importiert, die auf den gerodeten Regenwaldflächen produziert werden. Auch mit dem “negativen Klimabeitrag” durch die behaupteten indirekten Rodungen ist es nicht weit her. Die Causa scheint zu einem Lehrbeispiel für “aggressives Betteln” zu geraten, dem Pseudowissenschaft, Journaille und EU-Bürokratie Vorschub leisten.

Wie bekannt (und den Tatsachen entsprechend), übt “der Mensch” in den (Sub)Tropen ständigen Druck auf die Regenwälder aus; d.h. er rodet (meist) mit Feuer die Urwälder und nutzt die gewonnene Fläche zum Anbau von “cash crops”, aber auch für “die eigene landwirtschaftliche Produktion”.

Gemäß dem Lieblings-G’schichterl unserer Öko-Campaigner wird der Großteil der neu gewonnenen Flächen für den Anbau von Pflanzen verwendet, die zu agrarischen Rohstoffen verarbeitet, “kommodifiziert” und so in die Zentren unseres heutigen “Weltsystems” geliefert werden

(was stimmen kann, wenngleich kaum zu einem so hohen Prozentsatz wie das aus ideologischen Gründen behauptet wird. Wesentliche Teile dieser commodities dienen der Fettversorgung armer Städter in der sg. 3. Welt und dem Fleischkonsum des rasch wachsenden Bürgertums in Asien).

Wenn die in “relativ unideologischen Handelsstatistiken” abgebildete Realität diesem Narrativ widerspricht, finden sich anscheinend sofort angebliche Wissenschafter und “angesehene” internationale Organisationen, die dann halt “die Realität passend machen”,

sowie engagierte Journos, die als unkritische Herolde solcher “Studien” fungieren (meist ohne selbst einen blassen Tau zu haben)

- und wohl auch Bürokraten, die im Dienst einer vermeintlich guten Sache “fünf grade sein lassen”.

Das aktuelle Regenwald-EU-Mem folgt jedenfalls einer eigentümlichen Rollenverteilung, die sich bereits in der “CO2-Diskussion” entwickelt hat und die sich mit “die Europäer sind hauptsächlich schuld” umschreiben lässt – trotz statistischer Evidenz für das Gegenteil.

Angeblicher Regenwaldzerstörer EU

Ein schönes Beispiel eines solchen Mechanismus ist die am Mittwoch veröffentlichte WWF-Studie Stepping up? The Continuing Impact of EU consumption on Nature Worldwide.

In dem Papier wird u.a.postuliert, die EU sei zwischen 2005 und 2017 für 16% der Regenwald-Abholzung verantwortlich, was 3,5 Millionen Hektar entspreche.

Begründet wird dieser claim mit einer 2020 veröffentlichten anderen Studie, die auch in der vom WWF veröffentlichten “Langversion” (33 Seiten) nicht nachvollziehbar gemacht wird, nicht einmal annähernd.

Wenn es so wäre wie behauptet, müsste sich der Vorgang auf jeden Fall in den EU-Handelsstatistiken von “deforestation embedded commodities” niederschlagen – was mit einer Ausnahme aber nicht der Fall ist, eher im Gegenteil.

Der Grund, warum in diesem besonderen Fall den offiziellen Statistiken vertraut werden darf (im Gegensatz zu “CPI” etc.) ist, dass diese (bisher) nicht für politische Zwecke benutzt wurden.

Folgend eine kleine Tabelle der fraglichen, in die EU importierten “soft commodities” für die Jahre 2004, 2017 sowie der Veränderungen in diesem Zeitraum.

Mit einer Ausnahme zeigt die EU-Importstatistik Rückgänge.

Die Ausnahme ist Palmöl, der Zuwachs der EU-Importe ist allerdings deutlich geringer als das weltweite Produktionswachstum.

palm-oil-production
ourworldindata.org

Die Werte der Tabelle stammen von indexmundi.com,

dessen Daten vom US-Landwirtschaftsministerium kommen (die dort wahrscheinlich wiederum von Eurostat bezogen werden).

Die Soja-Importe werden in die beiden quantitativ wichtigsten Kategorien “Mehl” und Ölsaaten unterteilt, ebenso wie die Palm-Fette in Öl und “Palmkernschrot”.

Die weniger wichtigen Rindfleischimporte werden nach “Schlachtkörper-Gewichtseinheiten” klassifiziert.

EU-IMPORTE 2004 & 2017
Rohstoff 2004 2017 Einheit Veränderung
Soja – Ölsaaten 14591  14584 1.000 MT  - 0,1%
Soja – Mehl  22019  18367 1.000 MT  - 16,6%
Palm-Öl  4031  7079 1.000 MT  + 75,6%
palm kernel meal  2876  2313 1.000 MT  - 19,6%
Rindfleisch  641  329 1.000 MT CWE  - 48,7%

Palmöl ist also die einzige Möglichkeit, die behauptete wesentliche Zerstörer-Rolle der EU mit Handels-Daten zu untermauern. Tut man das, sollte man aber dazu sagen, dass

  • dessen Konsum anderswo schneller wächst sowie
  • dass z.B. die US-Amerikaner schon deswegen keine Regenwaldzerstörung mit Soja betreiben können, weil es in den Breitengraden, in denen sich die Staaten befinden, keine rain forests gibt.

Treibhausgase und Entwaldung

Und schließlich wird der irreführende Eindruck erweckt, dass die “dem Markt” zugeschriebene Entwaldung im Jahr 2017 eine nennenswerte Größe beim Ausstoß von Treibhausgasen wäre.

Die angeblich durch die “marktinduzierte deforestation” entstehenden (bzw. nicht abgebauten) 116 Mio. Tonnen CO2 p.a. (gemeint sind wohl  eher Äquivalente) wären gerade einmal 0,2% des weltweiten Treibhausgas-Ausstoßes und 2,5% der GHG-Emissionen der EU.

textausschnitt_wwf_studie

Die WWF-Umrechnung von 203.000 Hektar Entwaldung in 116 Mio. Tonnen CO2(e) mag stimmen oder nicht

- der Einsatz einer solchen aus dem Zusammenhang gerissenen Zahl ist jedenfalls grober Unfug aus durchsichtigen politischen Motiven.

An den weltweiten Emissions-Anteilen würde sich durch den (richtig gerechneten?) “land use change” in den Tropen jedenfalls so gut wie nichts ändern.

Zum Beispiel Europa: Unter der hypothetischen, vermutlich stark übertriebenen Annahme, dass die EU tatsächlich für 16% der Entwaldung und den daraus folgenden Mehrausstoß von 116 Mt. verantwortlich ist, müssten 19 zu den von den Europäern 2017 emittierten 4.560 Mt. addiert werden siehe z.B. hier, Seite 42. So what?

Unabhängiger Journalist

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