Dieser Blogger, ein “Taufschein-Katholik” und Zeit seines Lebens Skeptiker (nicht nur) von Geschriebenem, “gesteht” (wenn man so sagen kann) seine Fasziniertheit vom Kapitel 18 der sg. Johannes-Apokalypse, das das Ende des metaphorischen Babylon und das weltweite Wehklagen der “Kaufleute” darüber thematisiert. Während er sich ein (weiteres) Urteil über andere Inhalte der Offenbarung vorbehält,
scheint ihm dieses Gesicht welches Autors auch immer eine bemerkenswerte “Schauung” von Dingen zu sein, die 2.000 Jahre nach dieser Vision anstehen dürften.
Eine Erklärung für das Phänomen selbst hat er nicht, aber eine “säkularistische Auslegung der Prophezeiung”, die in einer Zukunft spielt, die noch wesentlich “globalistischer” ist als der Entstehungskontext des Evangeliums: das Römische Reich der frühen Kaiserzeit
Metaphorisches Babylon und frühimperiales Rom
In der Schauung des Apostels (?) lamentieren “babylonische Kaufleute” über den von Gott gewollten Fall der zum Symbol eines weltweiten Materialismus gewordenen Stadt, weil sie nun ihre detailliert beschriebenen Luxusgüter nicht mehr absetzen könnten
(interessanterweise werden an erster Stelle Waren – Schmuckstücke? – aus Gold und Silber aufgezählt, was Interpreten aus zwei Jahrtausenden dazu verleitet hat, die beiden Geldmetalle – siehe “Aureus”, “Sesterze” – als Luxusgüter ähnlich Edelsteinen, Perlen und “feinem Tuch” zu begreifen).
Obwohl im Text mit keiner Silbe erwähnt, haben damals zeitgenössische christliche Beobachter die untergehende heidnische Urbs “propagandistisch” mit Rom gleichgesetzt, das ihnen damals viel präsenter war als die eineinhalb Millenia davor dem Ansturm der Meder/Perser zum Opfer gefallene Hauptstadt des neubabylonischen Reichs
(wofür von den bald “systematisch verfolgten Christen” akzeptierte alttestamentarische Autoren beispielsweise des Buchs Daniel eine wichtige Rolle gespielt haben dürften).
Dennoch war das Rom des frühen Kaiserreichs (noch) alles andere als jener “Koloss auf tönernen Füßen”, als den Daniel lange davor das dem Untergang geweihte Babylon interpretiert haben soll.
Rom um 100 war zwar nicht mehr republikanisch, aber
- in vielerlei Hinsicht auf dem Zenit seiner Macht und
- noch weit von der später sprichwörtlich gewordenen “spätrömischen Dekadenz” entfernt.
Noch waren sein Expansionsdrang ungebrochen, seine Legionen weitgehend unbesiegt, seine Energie-/Holz- sowie Getreideressourçen scheinbar unerschöpflich und seine Währung noch nicht von “Inflation” zerrüttet. Die politische Klasse des Römischen Reichs spielte sich selbst sogar den Fortbestand eines republikanischen Staatswesens vor (“Prinzipat”).
Für die (post)jüdischen “Feinde Roms” mag der Text der Johannes-Apokalypse ein “willkommener Peptalk“, eine “Trost- und Hoffnungsschrift” gewesen sein
- als Quelle für die – zweifellos brutale – damalige “gesellschaftliche Wirklichkeit” im Römischen Reich taugt sie freilich nicht
(was seriösen Beobachtern immer bewusst gewesen sein mag, nicht jedoch schlampigen oder propagandistisch bewegten, die die Zeit der Soldatenkaiser gerne mit jener der Flavischen Dynastie in einen Topf werfen).
Dessenungeachtet bringt der Text des 18. Kapitels, das den raschen Fall des “mächtigen Babylon” in nur einem Tag vorhersagt, unter “schnellen Doomern” Saiten zum Schwingen.
Ein “schneller Untergang” ist heute nicht nur mit einem Atomkrieg, sondern etwa auch nach dem Zusammenbruch des weltumspannenden Währungs-, des Dollar- und Schuldenbasierten Finanzsystems möglich
- Letzteres vielleicht nicht binnen Sekunden, sondern Stunden.
Historisch lange “Übergänge”
Eine solche Plötzlichkeit scheint nun tatsächlich jeglicher “historischer Empirie” zu widersprechen, denn:
Die frühen Wanderungen des homo sapiens währten mehr als Hunderttausend Jahre,
nachdem sich der Übergang von Hominiden/Hominimen zum Menschen über Millionen hingezogen hatte.
Auch die jüngste Eiszeit war noch eine Sache von Hunderttausend Jahren, ebenso wie die Altsteinzeit.
Danach scheint sich die Entwicklung beschleunigt zu haben
(ohne wirklich den “Sauseschritt” des Wilhelm Busch zu erreichen.)
Sesshaftwerdung, der Übergang zum Ackerbau und die Zeitalter der Nichteisen-Metalle dauerten Tausende Jahre, zusammen vielleicht 10.000,
begünstigt durch das Ende der Kaltzeit.
Der Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit nahm beispielsweise im östlichen Mittelmeer nur mehr einige (“dunkle”) Jahrhunderte in Anspruch, wobei
etliche “spätbronzezeitliche Herrschaftsgebiete” sogar binnen Jahrzehnten verschwunden zu sein scheinen.
All das beinhaltete aber noch keinen “Regimewechsel bei der Energiezufuhr” (der noch nicht einmal bei der Sesshaftwerdung der Menschen stattgefunden hatte
- die Sonneneinstrahlung wurde nur effizienter genutzt, was höhere Bevölkerungsdichten ermöglichte).
Der erste – und bisher einzige – “Regimewechsel bei der Energiezufuhr” fand im 18. und 19. Jahrhundert statt und dauerte alles in allem vielleicht 150 Jahre,
der Übergang von Holz zu zunächst Kohle und danach zu Öl und Gas.Was diese Veränderung für die zur Verfügung stehende Primärenergie sowie als Folge davon für die Weltbevölkerung bedeutet hat, wird u.a. bei dieser Malthus-Würdigung und deren Grafiken deutlich;
wer mag, kann auch gern den staatsstreich-Eintrag zu Rolf-Peter Sieferle und Ian Morris oder überhaupt gleich deren Primärtexte lesen
- oder halt nur ein kurzes Zitat von Tim Morgan – jede(r) nach seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen, wie der alte junge Karl Marx gesagt hätte.
Die “transition” hin zu den Fossil-Energien- siehe hier ab S. 114 – erfolgte also im historischen Vergleich schnell,
wenngleich bei weitem nicht so plötzlich wie der vorhergesagte Untergang des metaphorischen Babylon.
Das von den Märchenonkeln und -tanten des Mainstreams schon seit Jahrzehnten bevorzugte Narrativ des schnellen (“menschengemachten”) Untergangs ist jenes vom Schlagabtausch mit atomar bestückten Raketen,
aber ein Versagen des (verbleibenden) Dollar-basierten Finanzsystems wäre ähnlich schnell und letal.
Der Petrodollar mag prinzipiell zu einem lang, über Jahre sich hinziehenden Ende verurteilt sein,
aber sobald keine Überweisungen mehr erfolgen (können), dauert es nur mehr Stunden bis kein “internationaler Handel” mehr stattfindet,
was das rohstoff- und energiearme “Europa” besonders hart treffen wird.
Eigentümlicherweise scheinen dort – also “hier, bei uns” – Verblendung und billiger Spott am verbreitetsten zu sein,
beginnend beim Klopapier, das – wie anderes Papier auch – in der industriellen Herstellung mit Prozessenergie getrocknet werden muss, was partout nicht in die Köpfe ignoranter Vorteilsnehmer in den europäischen Vasallen-Königtümern geht.
Linearextrapolierern solchen Zuschnitts scheint egal zu sein, wenn 75 Prozent der Primärenergie jener Gesellschaften, in denen sie leben, importiert werden muss,
und ihre höchstpersönliche Lebenshaltung daher direkt von Existenz und Zugänglichkeit von “Weltmärkten für (Energie-)Rohstoffe” abhängt.
Petrodollar, Umdefinierungen & Fördermaximum
Aber einverstanden, die Hegemonie des mit Gold gedeckten US-Dollars und danach das “Petrodollar-System”, wurden nicht in “Europa” grundgelegt, sondern in einem Hotel in New Hampshire und Washington DC
(man hat in “Europa” nur von den anderswo erfolgten Weichenstellungen profitiert).
Viel Kluges wurde zum Petrodollar bereits gesagt und etliches ließe sich noch anfügen, aber beides ist verzichtbar.
Wesentlich ist hier nur, dass das auf ihm basierende System einen Endpunkt hat und schon wenigstens zwei Mal lebensverlängert wurde
- einmal 2001/03 mit den “Terroranschlägen” in den USA und dem Krieg im Irak
- und ein weiteres Mal durch die Shale-Revolution in den USA und der dazu gehörenden Geld- und Schuldenschwemme.
Unverzichtbare Basis des Petrodollars ist natürlich die (weltweite) Produktion von Erdöl, deren Darstellung jedoch wesentlich komplizierter ist als sachunkundige Journos glauben machen wollen
- siehe dazu Nate Hagens Interview mit Art Berman, vor allem aber “Steve St. Angelo im Spiegelkabinett der Erdölstatistik” (beide Einträge vom Jänner 2023).
Aus diesen Texten geht hervor, dass
- die hier auch “definitorisches Erdöl” genannten “All Liquids” nicht das sind, was landläufig geglaubt wird und
- dass eben dieses auch für Rohöl (“Crude and Lease Condensates”, “C & C”) gilt, was folgend auf einer etwas anderen Datenbsasis noch einmal “durchexerziert” werden soll. Auch “das echte Erdöl”, von dem heute gesprochen wird, ist nicht mehr “das Erdöl deiner Eltern”.
Also: Ausweislich der BP bzw. EI Statistical Review of World Energy hat die Welt 2005 pro Tag 75 Mio. Barrel “C & C” produziert und 20 Jahre später, 2024, machte diese Produktion 82,8 mmbd aus,
was auf den ersten Blick ein Plus von fast 8 Millionen Barrel pro Tag ergibt.
Das Problem ist halt “nur”, dass in den Produktionszahlen 2024
stecken, die 2005 beide noch nicht oder erst in geringem Ausmaß vorhanden waren.
Früher kam die “C & C-Produktion” zu – sagen wir – 99 Prozent aus “herkömmlichen vertikalen Bohrungen in herkömmliche Reservoire”, wohingegen
- für das US-LTO 2024 gefrackt und
- die feststofflichen kanadischen Ölsande in einer “open pit mining operation” abgebaut werden müssen.
Nun liegt auf der Hand, dass bei der neuen, nicht-konventionellen Förderung nicht nur a) der Flächenverbrauch, sondern b) auch “Umweltkosten” und Ressourcenverbrauch, mithin c) auch Energie- und d) monetäre Kosten merklich höher sind als 2005 (und das nicht nur wg. “Teuerung”)
- das alles für eine Erzeugung,
- deren Endprodukt nicht universell einsetzbar ist und
- eine Produktionsweise, die als Inbegriff von “schmutzig” gilt.
Beides ist freilich erst “halb so schlimm”. Schlimm wird’s erst, wenn einem klar wird, dass die Produktion von Shale Oil in den USA nicht mehr wächst – siehe STEO von Dezember 2025 und hier -, also jenes Segment, das
- in den Staaten quasi im Alleingang für deren kurzfristiges Wende-Mirakel gesorgt (“Vom Nettoimporteur zum Nettoexporteur”) und
- weltweit wesentlich dazu beigetragen hat, die “C & C-Produktion” auf einem “undulating plateau” zu halten.
- Zu guter (?) Letzt sei noch auf den “wenig nachhaltigen Charakter” des aktuellen Abbaus der Ölsande in Alberta verwiesen, sowie ggf. auf eine künftige geologisch, militärisch und raffinerietechnisch unsichere Ausbeutung des Naturasphalts im venezolanischen Chavez-Gürtel.
Bild:Philip Galle, CC0, via Wikimedia Commons, Public Domain
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