Der Schriftsteller Akif Pirinçci, der dieser Tage ein neues Buch herausbringt, ist seit einiger Zeit Opfer einer versuchten Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz. Seine Jäger bilden eine verdeckte Allianz, deren hochtrabende Rhetorik in Kontrast zu ihrem dubiosen Tun steht. Es geht um einen faktischen Boykott, der wohl rechtswidrig ist und auf einer (konzertierten ?) Falschberichterstattung fußt. Nachbemerkung zum Vergleich mit dem Judenboykott.
Auslöser der Boykottbewegung war eine Rede des Mannes zum einjährigen Geburtstag der Pegida am 19. Oktober 2015. Ich habe bereits hier darüber berichtet.
Vorwand für das Halali war jene Passage, in der Pirinçci angeblich bedauerte, dass keine KZs für Flüchtlinge mehr zur Verfügung stünden – zumindest wurde das dutzend-, wenn nicht hundertfach im gesamten deutschen Sprachraum berichtet.
Dabei handelte es sich aber um eine krasse (oft wohl auch bewusste) Verzerrung des Gesagten – darüber kann deswegen kein Zweifel bestehen, weil eine Aufzeichnung seiner Rede existiert.
Im Zentrum der Falschberichterstattung stand folgender Satz des Redners, der aus dem Zusammenhang gerissen wurde:
Es gäbe natürlich andere Alternativen, aber die KZs sind ja derzeit leider außer Betrieb.”
Aus dem Redekontext geht aber klar hervor, dass das ein polemisch-sarkastischer “Vorschlag” war, wie der Staat gegen Kritiker seiner Flüchtlingspolitik vorgehen könnte.
Nirgendwo befürwortet Pirinçci, Flüchtlinge/Migranten in ein Konzentrationslager zusammenzutreiben.
Der Autor hat über den Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel Dutzende Medien klagen lassen, die die obige rufschädigende Behauptung aufgestellt haben, etliche straf- und medienrechtliche Prozesse sind noch unterwegs. Sie scheinen wegen der eindeutigen Beweislage fast immer zu Gunsten des Autors zu enden.
Kein skrupulöses Seelchen von einem Menschen
Nun ist der Schriftsteller keine zart besaitete Person, die vor Gewissensbissen nicht schlafen kann, weil sie jemanden beleidigt hat. Pirinçci ist ein wortgewaltiger und zotiger Polemiker, ein begnadeter Schimpfkünstler, der im literarischen Betrieb nur deswegen nicht anerkannt wird, weil er auf die “Falschen” schimpft – auf Schwule, Muslime, “Flüchtlinge” und einen gewissen, ausschließlich aus Steuermitteln finanzierten, dafür unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindenden Kulturbetrieb.
Kurz: Der Mann hat Letzterem genug Gründe geliefert, ihn zu hassen. Das ist halt nur keine gute Begründung für einen Boykott, schon gar nicht in Deutschland.
Da kamen die Pegida-Rede und der angeblich dabei gefallene Nazi-Sager gerade recht. Seine zwei Hausverlage aus dem Bertelsmann-Umfeld nutzten die Gelegenheit, die Zusammenarbeit mit P. zu beenden und die Auslieferung auch seiner fiktionalen Texte – darunter Millionenbestseller – zu stoppen.
Im Buchhandel fasste eine faktische Boykottbewegung gegen den “kleinen Akif” Fuß – im Einzelbuchhandel, bei den Ketten und den Grossisten, die ein Drittel der im Einzelbuchhandel vertriebenen Bücher liefern. Bei diesen sogenannten Barsortimentern scheint der Boykott lückenlos eingehalten zu werden (die beiden größten Unternehmen Libri und KNV gaben gegenüber diesem Blog keine Stellungnahme ab).
Privatautonomie und Kontrahierungszwang
Die Zurückweisung des Autors geschieht unter Berufung auf die Privatautonomie, nach der es jedem/jeder gestattet ist, Geschäfte nach eigenem Gutdünken einzugehen oder abzulehnen.
Das ist nun wirklich ein weites Feld für Juristen mit einem Hang zum Prinzipiellen, wie Pirinçcis Anwalt, ein berühmter Wettbewerbsrechtler, einer ist. Das Recht kennt nämlich einen Kontrahierungszwang, die Pflicht marktbeherrschender Unternehmen Verträge zu schließen – beispielsweise im Pressegrosso.
Damit sollen Kartellpraktiken gegen Außenstehende verhindert werden.
So weit, so nachvollziehbar.
Andererseits haben gerade Personen vom Typus wirtschaftsliberale Rechte ihre liebe Not mit dem staatlich verordneten Zwang zum Abschließen eines Vertrags - der manchmal auch in einer Verkleidung daherkommen kann.
Beispielsweise im Kostüm einer verbotenen Diskriminierung; wenn also z.B. Arbeitgeber Bewerber nicht ablehnen dürfen, weil diese zu einer Minderheit gehören oder prospektive Vermieter, die Interessenten für ihre Wohnung nicht ausschließen dürfen, weil diese aus dem Ausland kommen. Das wird von einigen als illegitime staatliche Einmischung in private Vertragsbeziehungen gesehen.
Wir haben also einen interessanten Konflikt vor uns: zwischem einem politisch korrekten, staatsfetischistischen Literaturbetrieb, der zweifellos jedes Antidiskriminierungsgesetz befürwortet, sich im vorliegenden Fall aber auf seine Vertragsfreiheit beruft;
auf der anderen Seite steht ein national-liberales Lager, dem Pirinçci jetzt irgendwie zugezählt werden muss. Es sind meist Leute, die allergisch gegen jeden Staatseingriff sind, die in diesem Fall aber unter der Fahne freien und fairen Wettbewerbs segeln, mit durchaus beachtlichen Argumenten.
12 Millionen Schadenersatz?
Nun geht es hier aber nicht nur um Prinzipien, sondern auch um viel Geld – auf 12 Millionen Euro soll der kleine Akif den Schaden beziffern, der ihm aus der Beendigung der Verträge bzw. dem Boykott entstanden ist.
P. äußert sich derzeit ebensowenig dazu wie sein Anwalt und dieses Schweigen könnte eine juristische Taktik sein, um sich Optionen auf eine (lukrative) Einigung mit Gegnern in Zivilrechtsverfahren offen zu halten.
Es ist jedenfalls verdächtig, dass Pirinçci, der für und bei sich wohl nach Rache lechzt und der diese sicher auch öffentlich auskosten möchte, nichts mehr zu den Verfahren von sich gibt.
Es ist reine Spekulation von meiner Seite, aber die Strategie Steinhöfels könnte darauf hinauslaufen, in einer ersten Phase im Straf- und Medienrecht die Grundlagen für eine zweite Phase zu legen; eine, in der auf zivilrechtlichem Weg viele Millionen Schadenersatz eingesammelt werden.
So etwas würde lange dauern – viel, viel länger als ein halbes Jahr.
Es kann natürlich auch sein, dass Akif & Joachim Nikolaus bereits den Schwanz eingezogen und die Friedenspfeife mit Bertelsmann & Co geraucht haben.
Nachbemerkung, 21.4.9:15 Uhr: Nun, der Boykott jüdischer Geschäfte nach der Machtergreifung der Nazis ist ein Vergleich und dabei gibt es natürlich Unterschiede zum Vergleichsobjekt - aber eben auch nennenswerte Übereinstimmungen. So existiert heute z.B. keine SA, die über die Einhaltung des Boykotts wacht. Wie damals geht es aber um die Verdrängung des (der) Boykottierten aus dem Wirtschaftsleben.
Foto: blu-news.org, Wikimedia Commons, CC BY-SA 2.0
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