Hans-Werner Sinn gehört zu den gescheitesten Menschen, die dieser Blogger kennt und wenn jemand zum früheren ifo-Chef sagen würde, es gebe Dinge, die zu schlimm seien um darüber nachzudenken, würde diesem auf irgendeine Weise der Vogel gezeigt. Doch trotz beeindruckender kognitiver Statur schafft es der Professor, zwei Stunden lang über ungelöste (unlösbare?) Probleme eines “Metanarrativs” zu sprechen ohne dieses auch nur ansatzweise in Frage zu stellen. NB zu konkreten Handlungsmöglichkeiten.
Gemeint sind das Lehrgebäude vom menschlich verursachten Klimawandel (“AGW”) und der Vortrag Wie retten wir das Klima und wie nicht?, den der Ökonom kurz vor Weihnachten gehalten hat.
Dabei läuft der Mann in einem gewissen Sinn tatsächlich zu einer Art Hochform auf. An jeder Stelle seiner Vorlesung ist zu merken, dass Sinn es über Jahrzehnte hinweg gelernt hat, sich große Datenmengen zu beschaffen und diese anzuordnen und analytisch zu durchdringen.
Der erste Abschnitt ist zunächst den deutschen “Ausstiegen” aus Atom- und Kohlestrom gewidmet.
Sinn macht klar, dass sein Land nach dem Wegfall besagter Kraftwerke die fünffache Menge an Elektrizität aus Wind und Sonne erzeugen müsse, wolle es überdies noch seinen Inividualverkehr elektrifizieren.
Das geht offenkundig nicht.
Dann das deutsche Erneuerbare Energiengesetz (EEG), das die teutonischen Haushalte mit den höchsten Strompreisen Europas belastet hat – es bringe unter den Bedingungen des Emissionshandels absolut nichts für das Klima, argumentiert Sinn.
Drittens sei das “Volatilitätsproblem” der erneuerbaren Stromerzeugung bis heute nicht gelöst und würde einen aberwitzigen Aufwand für Pumpspeicher-KWs erfordern um es wenigstens zur Hälfte zu lösen.
Ein Langfrist-Vergleich der CO2-Bilanz von Batterieautos mit Diesel-Verbrennern fällt, viertens, unentschieden aus
und eine Emissions-Verordnung aus Brüssel ist, fünftens, so angelegt, dass Autohersteller zu einer Modellpolitik gezwungen werden, für die kein passender Markt absehbar ist (“Flottenverbrauch”).
Und schließlich erwähnt der Vortragende das Phänomen des Carbon Leakage – die Verschiebung von Verbrennungsvorgängen bzw. “CO2-Produktion” von “strengen” zu “weniger strengen” Emissionsländern.
Das alles, erläutert der Professor sinngemäß, zeige
- wie schwierig sich das Problem darstelle und
- wie untauglich die von den Politikern ins Auge gefassten Lösungsansätze seien
(der Mann macht am Ende seines Vortrags eigene, seiner Meinung nach bessere Vorschläge).
Nirgendwo wird bezweifelt, dass menschliches Handeln für die Klimaveränderungen hauptverantwortlich ist.
Das ist zunächst nachvollziehbar,
schließlich gilt Anthropogenic Global Warming in Sinns Peer-Gruppe – unter “den Klimaforscher-Kollegen” – als unstrittig.
Das ist auch eine pragmatische Position in einem positiven Sinn, etwa nach dem Motto: “Das ist nicht mein ‘Kerngeschäft’ und ich will gar nicht damit anfangen Dinge auf Plausibilität zu überprüfen, die nicht in diese Kategorie fallen
- denn dadurch würden hohe ‘zeitliche Opportunitätskosten’ anfallen. Die Zeit, die ich für diverse Checks aufwenden müsste, könnte ich besser für Fragen verwenden, die ‘näher an meiner Expertise’ liegen.”
Die hoch politisierte Nutzung von “Forschungen” dieser Art von Klimawissenschaft und z.B. Unvereinbarkeiten bei den Größenordnungen müssten jedoch misstrauisch machen
- zum Beispiel, dass sich wissenschaftliche und politische AGW-Diskurse auf Weltgegenden konzentrieren, die in einem umfassenden Sinn zahlungskräftig sind bzw. als Ausgangspunkt für eine globale Umverteilung fungieren können.
Gerade jemand, dem der Nexus Klima-Energie geläufig ist und der Zeit seines Berufslebens mit politisch motivierter Verzerrung von Forschungsergebnissen konfrontiert war, sollte stutzig werden.
Umwelt- oder Energiegerechtigkeit?
Es gibt tatsächlich eine Meistererzählung, für die AGW ein funktionelles Äquivalent ist – eines mit einem speziellen verteilungspolitischen Twist;
mit dem Dreh, dass ein globales Powerdown asymmetrisch zu erfolgen habe – vorneweg der “reiche Norden” und erst danach der “arme Süden”.
Die environmental justice-Bewegung wäre in Wahrheit eine verkleidete energy justice-Bewegung und der eigentliche Stein des Anstoßes wäre nicht die Verschmutzung eines globalen Gemeinguts durch “die Reichen”, sondern der Umstand, dass die USA kumulativ 25 und die Europäer 22 Prozent des praktischsten Energieträgers der Weltgeschichte verbraucht haben
- afrikanische Staaten dagegen so gut wie nichts (siehe dazu diese Grafik; ermittelte kumulative Werte möglicherweise nicht ganz korrekt).
Das würde auch erklären, warum diverse Gretas & Luisas sowie das justice warrior-Kommentariat gewisse “Fakten” und “Feindbilder” besonders akzentuieren, obwohl das zu eklatanten logischen Inkonsistenzen führt.
Wie sollen weniger Emissionen in den USA und Europa die “Welt retten”, wenn diese zusammen nur mehr 22 Prozent aller Treibhausgase ausstoßen?
Das macht keinen Sinn, sehr wohl aber einen im Kontext einer vermeintlichen energetischen Verteilungsgerechtigkeit.
PO statt AGW
Es gibt, wie dieser Blogger überzeugt ist, robuste Indizien für etwas, das in einer als diskreditiert geltenden historischen Theorie Peak Oil (PO) genannt wurde.
Keine eindeutigen Beweisstücke freilich und auch der Ausblick und wie sich das Ende des Fossilzeitalters gestalten wird, können beträchtlich von früheren Vorstellungen abweichen.
Wer sich dessen bewusst ist, die Perspektive von AGW zu PO wechselt und damit recht behält, kann sich aber einen ungeahnten Handlungsspielraum erschließen. Er (sie) entpuppt sich als Realist inmitten einer Gemeinschaft, die in Ideologie und Wunschdenken verhaftet ist.
Nachbemerkung, 23.1.2020, 14.45 Uhr: Dieser Blogger betrachtet sich zwar als Realisten, aber als keinen, für den “die richtige Perspektive” einen großen Unterschied machen würde. Ich gehe auf die 60 zu, bin übergewichtig & multimorbid und meine Fortbestandsprognose ist für den Fall einer größeren Konflagration ziemlich schlecht, leider….
Auch den viel Jüngeren und Stärkeren sei es natürlich unbenommen zu sagen, sie wollten unter bestimmten Umständen nicht weiterleben – aber das ist natürlich leichter gesagt als dann hingenommen und – vor allem – als Mit-Entscheidung für deren allfällige Kinder schon wieder nicht mehr ok.
Was die konkreten Umstände betrifft, sind diese enorm schwierig zu antizipieren, weil ein solcher Gezeitenwechsel zu schwer vorhersagbaren Szenarien führen kann.
Edelmetall ist theoretisch ein no brainer – aber man kann nicht wissen, zu welchen politischen Heilslehren mit welchen konkreten staatlich-polizeilichen Konsequenzen (“Beschlagnahme”) es kommen wird.
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