Die Regierung in Wien möchte in den kommenden vier Jahren die Zahl neuer Asylanträge auf das Niveau des Jahres 2014 absenken und damit die Neuzuwanderer ins Sozialsystem (allein aus internationalem Schutz) auf etwa 15.000 pro Jahr begrenzen. Dies wäre ein Drittel jenes Zuwachses, der sich aus dem verrückten Flüchtlingsjahr 2015 ergeben wird. Gelingt Faylehner das, ist die Dynamik des vergangenen Jahres gebremst – dies, aber nicht mehr. Selbst kurzfristig scheint die Bewirtschaftung der Flüchtlinge durch Brüssel Mittermanns einzige Überlebenschance.
Die Medien-Terrier, die ihr informationelles Futter üblicherweise aus dem regierenden Kartell beziehen, haben das alles nicht auf dem Radar – außer vielleicht Zweifel, ob die Politicos ihr Vorhaben wirklich umsetzen können; den “Plan”, die Neuanträge bis 2019 von 90.000 im im Jahr 2015 auf 25.000 2019 zu schrumpfen. Das wären über vier Jahre 127.500 Anträge, also durchschnittlich 32.000 pro Jahr.
2014 haben in Österreich 28.064 neu angesucht und das entspricht einem bis dahin starken Normaljahr (zumindest in diesem Jahrhundert).
Natürlich lässt sich die Zukunft nicht voraussagen, weil es ja durchaus sein könnte, dass
- die Industrie in großem Maßstab syrische und afghanische Flüchtlinge anzuheuern beginnt (der Herr Kapsch, der österreichische Industriellenpräsident, wird sicher mit gutem Beispiel vorangehen, nach der Qualifizierungsoffensive des AMS).
- Es kann auch sein, dass die unabhängig entscheidende Behörde BFA ihre Anerkennungsquote senkt (steigern könnte sie sie natürlich auch).
Es gibt aber ein paar Erfahrungswerte und Annahmen, die gegeben und/oder plausibel sind. Dazu gehört,
- dass, wenn der Plan der Politicos aufgeht, pro Jahr nur mehr so viele neue Anspruchsberechtigte aus Asyl und subsidiärem Schutz entstehen wie 2014, nämlich gut 11.000. Newcomer haben, rechtlich gesehen, Zugang zu praktisch allen Sozialleistungen, die so ein mitteleuropäischer Wohlfahrtsstaat über mehrere Jahrzehnte für seine schrumpfende Bevölkerung eingeführt hat, siehe unten.
- Der zweite Punkt ist eine Extrapolation, die Erfahrungstatsache, dass zwei sozialrechtliche Neubürger – wie in den vergangenen Jahren – zusammen nur einen neuen Anspruchsberechtigten nachholen (“Familiennachzug”). Das ist eine ziemlich konservative Annahme, denn schließlich haben die Scouts aus dem globalen Süden ja das Recht, Ehefrau(en), minderjährige Kinder sowie Mama und Papa (“Kernfamilie”) nachzuholen. Die Überlegung ergibt in Summe 17.000 Anspruchsberechtigte.
- Schließlich nehme ich an, dass 90 Prozent ganz oder überwiegend auf Sozialkohle angewiesen sind um überleben zu können. Das hat subjektive und objektive Gründe. Bildung/Qualifizierung/Sprache ist nur ein Ursachenkomplex. Derlei lässt sich über einen langen Zeitraum wirklich nachholen, wenngleich nicht in dem Ausmaß, das unseren Träumern und Sozialindustriellen vorschwebt. Stichwortartig vier weitere Gründe für meine 90-Prozent-Annahme: andere Mentalität (“Erwerbsstreben”), gleiche Mentalität (“Nimm, was du kriegen kannst”), zu geringer Abstand zwischen Mindestsicherung und Einkommen aus Erwerbstätigkeit sowie Nullwachstum/Rationalisierung/stagnierende Wirtschaft.
- Das macht, grob überschlagen, 15.000 Neuzugänger ins Sozialsystem. Es könnte sehr wohl zu einer Rückwanderung in die Peripherie kommen, aber das ist eher Theorie, wenn man die Entfernung und vor allem die Unterschiede bei Einkommen und Lebensqualität bedenkt.
Die Regierung scheint Neuzugänge in dieser Größenordnung, nachhaltige Neuzugänge allein aus der Asylimmigration für verkraftbar zu halten. Ich glaube das nicht. Seit der Einführung der Mindestsicherung vor fünf Jahren hat sich die Zahl der Bezieher auf 360.000 fast verdoppelt und diese Dynamik ist nicht aus der Asylimmigration gekommen.
Zwei Dynamiken dieser Art hält so ein System nicht aus, nicht einmal in einer nennenswert wachsenden Wirtschaft. Speziell Faymann glaubt offenbar, er könne das über die Posse vom strukturellen Defizit (=Schulden) finanzieren, siehe hier: Ich denke aus mehreren Gründen, dass alle jene träumen, die glauben, sie könnten auf verdeckte Art das deficit spending der 1970er wieder einführen (aber das ist wieder eine andere Geschichte).
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Die Völkerwanderung, die Schlangen der Migranten sind es, die sich den Leuten eingeprägt haben und nicht zufällig stehen bei all dem Unmut die Kosten der Grundversorgung für Asylwerber im Vordergrund. Unterbringung und Verpflegung der Asylwerber drängen (fast) jedes andere Thema an den Rand – zu Unrecht. Denn gegenüber dem Rattenschwanz an Kosten und Verpflichtungen, die aufnehmenden Gemeinschaften erst nach Ende des Verfahrens ins Haus stehen, verblassen die Aufwendungen für die Antragsteller.
Vielleicht hängt das damit zusammen, dass die Kosten in der ersten Phase sichtbar bei den Gebietskörperschaften anfallen, konzentriert bei Bund und Ländern. In der zweiten Phase sind sie verteilt. Sie fallen fast überall an, auch bei den Beitragszahlern zur Krankenversicherung oder bei den Unternehmern (Familienbeihilfe).
Da ist in Österreich zum Beispiel die Bedarfsorienierte Mindestsicherung, die alte Sozialhilfe, die sich unter den hiesigen working poors (und ihren Arbeitgebern) steigender Beliebtheit erfreut. Man nennt die Leute, die weniger als den Mindestsicherungssatz verdienen und die sich vom Staat die Differenz zahlen lassen, Aufstocker. Manche lassen sich auch die ganzen 800 Euro auszahlen und man wird irgendwie schief dafür angeschaut, vor allem am flachen Land.
Asylanten und Schutzbefohlene haben einen Rechtsanspruch drauf, und viele von diesen mögen keine andere Wahl haben als das Geld zu nehmen (oder sie sind gar deswegen gekommen). Dazu gibt es eine “gratis” Krankenversicherung, ggf. auch für die nachgeholte Kernfamilie.
Auch gebührt beispielsweise Familienbeihilfe (Kindergeld in Deutschland) sowie Kinderbetreuungsgeld, für einen oder zwei Elternteile, und zwar in mehreren Varianten. Auch Pflegegeld gibt’s bei Bedarf, obwohl das in der wirklichen Welt eher etwas für die überalterte lokale Gesellschaft ist.
Arbeitslose und Pension sind dagegen keine Sozialknete, sondern reine Versicherungsleistungen. Die gibt’s nur, wenn gearbeitet und Beiträge gezahlt wurden.
Kurz: die Sache ist ziemlich kompliziert und deswegen sind in der Sozialindustrie Spezialberater entstanden, sowohl unter dem Dach von big names (“Caritas”), als auch in kleinen Rechtsanwaltskanzleien.
Vom Grundsätzlichen her ist die Sache überhaupt nicht kompliziert. Anerkannte Asylwerber und subsidiär Geschützte sind den Einheimischen, die vielleicht bis vor kurzem noch in die Systeme eingezahlt haben, gleichgestellt – laut internationalem Recht (= “Verfassungsbestimmungen”), wie die Politicos sagen. “Und daran führt kein Weg vorbei.”
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Es ist symbolischer Zufall, dass der verzweifelte Asylobergrenzen-Plan der österreichischen Regierung am 20. Jänner veröffentlicht wurde, einen Tag nach der Bekanntgabe der Asylbilanz 2015.
Das BFA hat natürlich verschleiert und bemäntelt wie es sich für Profis gehört und für die Schoßhündchen ist Asyl sowieso kein Thema, bei dem sie ihre investigativen Triebe ausleben wollen. Die Gewährung von möglichst viel Asyl an möglichst viele Flüchtlinge ist eine gute Sache und einer solchen schnüffelt ein anständiger Mensch nicht hinterher.
Trotzdem kann, wer sich Text, Zahlen und Berichterstattung dazu ansieht, erkennen, was sich schemenhaft im vom Innenministerium servierten Zahlenwust abzeichnet: Nach der vorläufigen Bilanz haben im Jahr 2015 16.000 Menschen in der ersten Instanz rechtskräftig den Status von anerkannten Asylanten oder subsidiär Schutzberechtigten bekommen.
Wenn man in Rechnung stellt, dass 60.000 Anträge noch gar nicht bearbeitet wurden, könnten aus diesen 16.000 noch 30.000 werden, als Folge des krassen Jahres 2015. Und aus den 30.000 werden 45.000, wenn diese in bisherigem Ausmaß auf die Idee kommen, ihre Familie nachzuholen. Da nutzen auch die geplanten Augenauswischereien der Innenministerin nichts.
25.000 Asylanten haben ja schon vor ein paar Monaten Branchenkenner aus der Asylindustrie prophezeit.
30.000 Asylanten und Subsidiäre entprechen einer Verdreifachung der neu Anspruchsberechtigten aus dem Jahr 2014. Das hat die Medien vorgestern kalt gelassen, manchen Politikern (die das freilich schon lange wussten) aber offenbar die sprichwörtlichen Grausbirnen aufsteigen lassen.
Konkret sollen es nach dem Rekordjahr 2015 mit 90.000 Anträgen heuer bloß 37.500 Asylwerber sein, 2017 soll die Zahl auf 35.000 schrumpfen, 2018 auf 30.000 und im Jahr 2019 sollen es dann nur mehr 25.000 Schutzsuchende sein – was insgesamt circa 1,5 Prozent der Bevölkerung entspricht. – derstandard.at/2000029410115/Asylgipfel-Obergrenze-bis-2019-fixiert-die-Umsetzung-ist-voellig-offen
Konkret sollen es nach dem Rekordjahr 2015 mit 90.000 Anträgen heuer bloß 37.500 Asylwerber sein, 2017 soll die Zahl auf 35.000 schrumpfen, 2018 auf 30.000 und im Jahr 2019 sollen es dann nur mehr 25.000 Schutzsuchende sein – was insgesamt circa 1,5 Prozent der Bevölkerung entspricht. – derstandard.at/2000029410115/Asylgipfel-Obergrenze-bis-2019-fixiert-die-Umsetzung-ist-voellig-offen
Konkret sollen es nach dem Rekordjahr 2015 mit 90.000 Anträgen heuer bloß 37.500 Asylwerber sein, 2017 soll die Zahl auf 35.000 schrumpfen, 2018 auf 30.000 und im Jahr 2019 sollen es dann nur mehr 25.000 Schutzsuchende sein – was insgesamt circa 1,5 Prozent der Bevölkerung entspricht. – derstandard.at/2000029410115/Asylgipfel-Obergrenze-bis-2019-fixiert-die-Umsetzung-ist-voellig-offe
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