Vor einem Monat veröffentlichte Jim Rickards eine Geschichte der zeitgenössischen globalen “Meta-Supplychain” einschließlich deren gerade stattfindenden Zusammenbruchs. Der Text ist in Recherchetiefe, Problembewusstsein und Verständlichkeit vorzüglich – gleichzeitig aber auch Quelle von allerlei fragwürdigen Perspektiven und Extrapolationen.
Rickards kommt ein bisschen eitel daher, scheint aber ein unabhängiger Geist und ein Forscher/Erforschender im besten Sinn zu sein.
Ob seine Unabhängigkeit auch eine vom republikanischen Establishment einschließt, vermag dieser Blogger freilich nicht zu beurteilen,
weil er die US-Öffentlichkeit nicht systematisch verfolgt.
Unabhängig ist Rickards jedenfalls von “Feinden” wie US-Demokraten, Wokesters und Krypto-Jüngern unterschiedlicher Schattierungen, aber auch von “Freunden”, wie eine gewisse Austrian-Orthodoxie gelabelt werden könnte.
Bezüglich bestimmter Fraktionen der CIA und des US-amerkanischen “MIC” – nicht den heute Ton angebenden – bin ich mir bei Rickards auch nicht so sicher, ehrlich gesagt.
Im ersten Kapitel des ersten Teils thematisiert der Autor “selektiv leere Verkaufsregale” in den USA, Sinnbilder einer frühen Phase des diagnostizierten Supplychain-Kollaps,
um im Folgekapitel darauf einzugehen, welche konkreten politisch-militärischen Entscheidungen Katalysatoren dieses Vorgangs waren/sind, der im Grund auf sozusagen anonyme zu große Komplexität und mangelnde Redundanz zurück geht.
Die teilweise verrückten gesundheitspolitischen Entscheidungen der ersten Phase der “Pandemie” sowie der russische Einmarsch in die Ukraine hätten das Supplychain-Problem verschärft,
aber nicht verursacht, konstatiert Rickards mit einem Verweis auf ein Ende 2019 erschienenes Fachbuch, das “prä Covid” bereits den beginnenden Zusammenbruch zeigen soll.
Den Anfang vom Ende der globalen supply chains ortet Rickards im von Donald Trump 2018 begonnenen Wirtschaftskrieg-Krieg mit China
(was diesen Blogger nicht restlos überzeugt – wenigstens das Gerede über den Rückgang des Welthandels, aber auch rückläufige “harte” Wachstumszahlen etc. sind spätestens seit 2013 nachweisbar)
Die Zuordnung zu einem General-Sündenbock namens Donald ist freilich nicht als grundsätzliche Kritik an dessen Politik zu verstehen,
u. a. weil Rickards andernorts davon spricht, dass 15 Jahre vorher die VRC “naiverweise” in die WTO eingelassen worden sei,
im irrigen Glauben, dass aus hartgesottenen Kommunisten und unfair Spielenden schon noch faire und ideologisch wenigstens kompatible Partner und -innen des Westens würden.
In dieser ungefähr 30 Jahre umfassenden Epoche sei die bekannte, nun zunehmend obsolete Supplychain 1.0 entstanden, auf Basis von rasanten technischen & logistischen Entwicklungen (massiv steigende Computer-Power, Telekommunikation, unbedingte Daten-Orientierung, angewandte Mathematik),
aber auch als Folge weltpolitischer Zäsuren (Zerbrechen der Sowjetunion, wirtschaftliche Öffnung Chinas, verstärkt ab den letzten Lebensjahren Deng Xiao Pings).
Die in diesen Jahrzehnten sukzessive aufgebauten weltweiten Nachschublinien seien extrem weitläufig & hoch effizient (gewesen),
dies freilich u.a. um den Preis hoher Fragilität bzw. geringer Widerstandsfähigkeit
(das seien “hidden costs”, wie z.B. auch Kinderarbeit & De facto-Sklaverei, Menschenrechtsverletzungen, Vergiftung der Umwelt etc.).
Die Supplychain 1.0, ein komplexes System, breche nun im Verlauf einiger Jahre und künftig vielleicht sogar innerhalb einiger Stunden in sich zusammen
und könne nicht mehr repariert werden:
The shortages persist”.
Die kaputte Supplychain sei wie eine zu 5.000 Scherben zerbrochene Vase. Bestenfalls ließe sich eine neue erwerben, die dann aber womöglich ganz anders aussähe.
Der zweite Teil des Texts widmet sich der Rolle des Gelds, zunächst der (Verbraucherpreis-)Inflation und dann der Disinflation bzw. der Deflation.
Die Rolle des Gelds
Für Rickards, auch Autor einer jüngeren Erscheinung über eine neue globale Depression in unserer Zeit – siehe dazu auch hier -,
ist die aktuell sinkende. im “Headline-CPI” zum Ausdruck kommende Teuerung Folge einer cost push inflation, die von der supply side ausgeht
- also durch Verknappung und Verteuerung des Angebots wg. Krieg (quasi)staatlichen Vorschriften zur Bekämpfung der Pseudo-Seuche, neu errichteten Zollmauern, Handelskriegen und sonstigen Beeinträchtigungen der Nachschublinien.
Nicht nur habe dies zur Folge,
- dass es massenhaft zu Nachfrageausfällen bei “diskretionären” Gütern und Dienstleistungen komme,
- sondern auch, dass die Fed auf einen Zinserhöhungs- und Geldverknappungskurs einschwenke, was aktuell beispiellos schnell vonstatten gehe. Eine Erhöhung der Fed Funds Rate um 450 Basispunkte in nur 10 Monaten sei wenigstens seit der Volcker-Fed in den 1980ern unerhört und werde absehbar zu einer weltweiten scharfen Rezession führen.
- “Wall Street” habe zwar lang geglaubt, die Fed werde zügig pivotieren und den Geldhahn wieder aufdrehen – derlei werde wegen des “time lags” von Zinspolitik zu Verbraucherpreisinflation aber frühestens Mitte 2023 passieren, zu einem Zeitpunkt jedenfalls, an dem der Schaden immens und nicht mehr rückgängig zu machen sei. Nicht nur werde es zu Börsecrashs der Sonderklasse kommen – auch die Realwirtschaft werde wegen der neuerdings (hoch) positiven Realzinsen weitgehend zum Erliegen kommen.
Spätestens hier ist der Autor in seinem angestammten Element angelangt, in dem er groß geworden und gereift ist.
Der altgediente Finanz-Kommentator ist aber auch Buchautor, der über die neuen Erkenntnisse des vergangenen Jahres (oder so) berichten möchte
- und wenn er darüber lossprudelt, kann es sein, dass selbst (und gerade) alten Freunden in alternativen Medien der Geduldsfaden reißt.
Die alten Freunde wollen eigentlich nur die jüngste Iteration der eigentlich seit Jahren bekannten Rickardschen Asset Allocation hören
(die Mainsteam-Journaille hat R. ohnedies schon vor längerer Zeit gecancelt).
Nun ist es nicht so, dass man sich an “Sold Out” nicht mehr oder weniger kritisch abarbeiten könnte
- was freilich zur Voraussetzung hat, dass
- der Text zuerst gelesen
- und danach an bisher als wahr akzeptierten Aussagen/Perspektiven gemessen wird.
Der für diesen Blogger natürliche Anknüpfungspunkt für eine solche Beurteilung sind die Schlussfolgerungen Rickards auf den Seiten 197 bis 207 der Printausgabe.
“College of Nations”
Hier wird die Vision einer Supplychain 2.0 entworfen, die vom vom Autor so genannten College of Nations hochgezogen werden soll
- nämlich der Demokratie & Rechtsstaatlichkeit, den Menschen- und Eigentumsrechten sowie freiem Unternehmertum verpflichteten Nationen, also im Wesentlichen vom heutigen “Wertewesten”.
Dies freilich auf Basis von “sound money” (unter dem der Autor des Buchs “The New Case for Gold” weder “tokens of moneyness” aka Kryptowährungen, noch CBDCs versteht).
Diese Gruppierung, so die größtenteils implizite, aber eindeutige Imagination des Autors, wird über die neue Supplychain eine wirtschaftlich prosperierende Gemeinschaft bilden. auf die die restliche Welt nur neidisch blicken können wird – bis halt glaubwürdig der jeweiligen totalitären Ideologie abgeschworen wird.
Das mag nobel gedacht sein,
ist aber, pardon, naiv.
Man muss Zoltan Poszars rezentem Stück zu “War and Commodity Encumbrance” nicht im Detail folgen,
um zu erkennen, dass die Zukunftstüchtigkeit von Gemeinschaften weniger von politischen Deklarationen als von deren Ausstattung mit (industriell) verwertbaren Ressourçen – allen voran Erdöl – abhängt.
Rickards selbst hätte zu einem ähnlichen Schluss kommen können,
hätte er das Wrack von Uluburun nicht nur als Beispiel für eine ausgedehnte Supplychain in grauer Vorzeit genutzt,
sondern auch nach verfolgt, was den so verbundenen historischen Staaten im östlichen Mittelmeer im spät-bronzezeitlichen Kollaps widerfuhr
(ohne entsprechende Studien zu kennen, bleibt diesem Blogger nur festzustellen, dass das sg. Archaische Griechenland erst 400 Jahre nach diesem Kollaps begann).
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