Vaclav Smil, ein kanadisch-tschechischer Wissenschaftler, der ein Gelehrtenleben lang die Metamorphosen von Energie erforscht hat, hat 2022 auf Englisch ein Büchlein veröffentlicht, das man als knappen, aber allgemein verständlichen Sukkus seines Lebenswerks bezeichnen kann. Es ist vor zwei Monaten in einem deutschem Paperback erschienen. “Wie die Welt wirklich funktioniert” könnte u.a. eine Art Vademecum für die österreichische sg. Energieministerin und andere sich demokratisch nennende Politicos sein. Der Autor, ein Emeritus aus Manitoba, meint, dass die viel gehypte energy transition to renewables sich noch Jahrzehnte hinziehen werde. S. wird heute den grumpy old men zugerechnet, Vorstufe zur Pathologisierung Oppositioneller. Smils Tragik wurzelt in seiner größten Stärke, der “Daten-Versessenheit”. Sie ist auch Quelle seiner größten Illusion, des Glaubens an die Statistik interessierter Staaten, Unternehmen und Institutionen.
Besagte Blauäugigkeit des anderweitigen Mythenstürmers (“de omnibus dubitandum”) bezieht sich auf scheinbar
so unterschiedliche Dinge wie Reserveschätzungen des USGS oder Verlautbarungen der CDC oder der WHO,
wobei praktisch überall “positivistisch” (und damit weitgehend unangreifbar) argumentiert werden könnte. Etwa so: Etwas ist dann der Fall, wenn jene Stelle, die die formelle oder informelle Macht dafür inne hat, erklärt, dass die Sache (wahrscheinlich) der Fall sei.
Doch lange bevor noch die so abgesteckten “Grenzen der heutigen Welt” erreicht werden, klopft Smil scheinbar “unpolitische Zahlen und Fakten” mit den Mitteln der Naturwissenschaften ab.
- und macht dabei nicht an den Limits des Wünschbaren halt. Der Mann ist a) halt ein unabhängiger Wissenschaftsautor und hat b) Respekt vor den “molekularen Wirkmechanismen” der materiellen Welt.
Etwa was menschliche Nahrungsmttel und deren Produktion betrifft, denen er das zweite Kapitel widmet.
Bereits in seinem 1. Kapitel dozierte Smil über sein “Lebensthema”, Energie & Menschheit. Er schildert dabei die biophysikalische Grundlage (nicht nur) allen menschlichen Lebens als Konversion von Energie (Sonnenlicht – Photosynthese zur “Ernährung von Nahrungsmitteln” – tierische und menschliche Bewegungsenergie);
eine Abfolge , die sich seit der Jungsteinzeit nicht mehr grundlegend verändert hat – bis … ja bis die zunehmende Nutzung von über Jahrmillionen fossilierter organischer Materie
- das Angebot an Primärenergie explodieren ließ
- und die Entstehung einer unüberschaubaren Fülle von Erfindungen/”Produkten” und “zivilisatorischen Strukturen” ermöglichte.
Smils zweites Kapitel heißt wie schon angetönt: “Die Nahrungsmittelproduktion verstehen: Wie wir fossile Brennstoffe essen”.
Hier geht es anhand von US-amerikanischen Beispielen aus den vergangenen drei Jahrhunderten um die enorme Steigerung der Produktivität des Getreideanbaus,
ehe man im Subkapitel “Was hineingeht” über die chemischen und physikalischen Grundlagen der Düngung bzw. des kommerziellen Anbaus informiert wird.
Im dritten Unterkapitel überschlägt der Autor die Energiekosten von einem Kilo Brot, einem Kilo Hühnerfleisch und einem kg Tomaten,
wobei, wenig überraschend, das gesunde rote Gewächs die höchsten Werte aufweist
(noch eindeutiger würde die Überschlagsrechnung ausfallen, wenn um den Faktor Nährwert bereinigt würde, was Smil nicht tut – wahrscheinlich, weil er tierische Proteine bzw. Ballaststoffe nicht gegen Kalorien “ausspielen” will).
“Unsere materielle Welt verstehen: Die vier Säulen der modernen Zivilisation” heißt das dritte Kapitel, in dem Smil auf
- die Ammoniak-Synthese bzw. die Stickstoffdünger,
- die Kunststoffe
- Stähle
- und Zement (Beton) eingeht,
die ohne Öl und/oder Gas heute gar nicht oder kaum vorstellbar sind (früher – und in China bis heute – nahm Kohle deren Rolle ein).
Das vierte Kapitel befasst sich mit den “Treibern der Globalisierung”, die u.a. bereits in Smils Prime Movers of Globalization thematisiert wurden.
Smil hält, wie tlw. erwähnt,
- die in der Erdkruste vorhandenen Metalle und Energiestoffe durch die Bank für mobilisierbar,
- erfasst als extrem unwahrscheinliche, bloß theoretische Risken für die Zivilisation den Ausbruch eines Supervulkans unter den nördlichen Rockies oder einen verheerenden Sonnensturm (nicht aber das Ende von Kohle, Öl und Gas);
- er bezweifelt ferner die Lehre vom anthropogenen Klimawandel über CO2 nicht
- und macht sich Sorgen um die “Biosphäre” des Planeten, die er durch menschliche Aktivitäten gefährdet sieht;
- auch geht er vom Übergang zu weniger dichten Energieformen in fernerer Zukunft aus.
- Weiters hält er (Fast-)Vegetarianismus und einen bewussteren Umgang mit Nahrungsmitteln für physiologisch, wirtschaftlich und “polit-moralisch” am angemessensten
- macht sich gleichzeitig aber über den verbreiteten “Katastrophismus” sowie den Allwissenheitsanspruch neunmalkluger Modellierer lustig,
ebenso wie über das “Wunschdenken” von Politicos, die sich gegenseitig mit Zero Emissions-Ankündigungen überbieten.
Energie-Übergänge (“transitions”) benötigen viele Jahrzehnte, wie der Mann in eigenständigen Publikationen -siehe hier und hier – schon mehrfach festgestellt hat.
Deshalb lautet die Haupt-Botschaft des Autors, dass sich die anstehende energy transition nicht an Wallungen Pubertierender oder “voluntaristischen” Zeitplänen von Politikerrn orientieren werde
und dass das Abschaffen “alter Energieerzeugung” ohne wenigstens annähernden adäquaten Ersatz durch “neue” einem Selbstmord gleich komme.
Klarerweise wird derlei nicht überall gern gehört – Vaclav ist aber zu alt und arriviert, um sich darum zu scheren.
Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.