Bolton & die Pax Americana

John_Bolton_State_DeptDer neue Sicherheitsberater Donald Trumps ist ein Falke aus dem Gruselkabinett der US-amerikanischen Zeitgeschichte, wird uns mitgeteilt. D’accord. Aber wie tut sich ein Vogel aus den Jahren hochgestimmter imperialer Unipolarität in der Morgendämmerung internationaler “Multipolarität”? NB: Molyneux-YT über Bolton.

Bolton, den Trump am US-Kongress vorbei zum Sicherheitsberater gemacht hat, ist ein in vieler Hinsicht typischer Neocon.

Er gehörte zu den Autoren des an Bill Clinton gerichteten ersten Briefs des Project for a New American Century (PNAC), in dem 1998 der Sturz des irakischen Diktators Saddam Hussein gefordert wurde, ein früher Vorläufer des zweiten Irak-Kriegs;

jenes PNAC, das einen Bericht über den Wiederaufbau der amerikanischen Verteidigung verfasste, in dem ein Jahr vor 9/11 der schöne Satz stand:

Further, the process of transformation, even if it brings revolutionary change, is likely to be a long one, absent some catastrophic and catalyzing event – like a new Pearl Harbor.”

Bolton wurde nach dem Wahlsieg George W. Bushs Ende 1999 stellvertretender Außenminister (undersecretary of state) damit er auf Ressortchef Powell aufpassen konnte (Sniegoski, 123). Formell war er für Rüstungskontrolle zuständig.

Eine der ersten Amtshandlungen betraf die “Rücknahme” der amerikanischen Unterschrift unter die Schaffung eines internationalen Gerichtshofs (“unsigning”), wodurch eine mögliche Auslieferung von amerikanischen Soldaten an dieses Gericht vorab verhindert wurde.

Auch den Rückzug aus dem ABM-Vertrag hat Bolton “mitgestaltet”.

Es folgte, wie später publik wurde, u.a. armtwisting with the intelligence community (Pillar 2011, p. 153/154), also der Versuch, geheimdienstliche Erkenntnisse für politische Zwecke nutzbar zu machen (was Bolton, wie später am Beispiel des Iran deutlich wurde, “genau umgekehrt sieht” – die Schlapphüte maßten sich an Politik zu machen).

Über die Rolle, die Bolton und sein Neocon-Kollege im Department, David Wurmser, beim Fabrizieren der Kriegsgründe für den Irak gespielt haben, ist wenig bekannt (das scheint das Privileg seines Chefs gewesen zu sein).

Verschiedentlich wurde behauptet, Bolton und Wurmser seien in der yellowcake aus Niger-Sache direkt tätig geworden, einem bald als falsch enttarnten vorgeblichen Versuch Saddams, sich Vormaterialien für eine Atombombe aus Afrika zu besorgen. Der Vorwurf gegen Bolton wurde nie beweisen.

Ab 2005, in der zweiten Amtszeit von Baby Bush, wurde der Jurist zwei Jahre lang US-Botschafter bei der UNO.

Unilateralist in Zeiten der Tripolarität

Was die “Schubladen” betrifft, in die der Mann zu stecken ist, steht außer Frage, dass Bolton ein in der Wolle gefärbter Neokonservativer ist, eine Seilschaft, die ein Feind einmal mit “Hohepriester des Kriegs” umschrieben hat.

Bolton ist aber weder jüdischer Herkunft wie zahlreiche Neocon-Kollegen, noch war er ursprünglich Trotzkist, wie etliche andere aus seiner peer group. 

Man kann ihn auch nicht als rechten Internationalisten einordnen, der besonderen Wert auf multilaterale Strukturen, internationales Recht oder z.B. nation building legt.

B. war/ist aber ein amoralischer Interventionist, ein Politiker, der mit den reichhaltigen Möglichkeiten der US-amerikanischen Militärmacht gerne dreinschlägt – dann aber unverzüglich “weiterziehen will”.

So hätten die USA im Irak intervenieren, sich dann aber auf nichts mehr einlassen sollen:

What we should have done is said to the Iraqis: ‘You’re on your own. Here’s a copy of the Federalist Papers. Good luck’.”

Bolton ist übrigens auch ein vehementer Gegner des 2015 noch von Obama geschlossenen Atomdeals mit dem Iran und meint, dass dieser Staat letztlich nur die Sprache der Gewalt (bombing) verstünde

Das steht auf den ersten Blick in Widerspruch zu einem zentralen Wahlkampfversprechen Trumps: “No more stupid wars”.

Würde Israel freilich seine “Sicherheit in die eigenen Hände nehmen” und iranische Atomlabors bombardieren, wäre der Widerspruch aufgelöst, scheint man zu glauben.

Bolton ist Unilateralist und Exzeptionalist, offen in Bezug auf die USA, nicht ganz so offen aber auch im Hinblick auf Israel – was ihn für Trump scheinbar unwiderstehlich macht.

Der große Unterschied zwischen 2003 und 2018 ist nur, dass sich die USA 2003 auf dem Höhepunkt ihrer unipolaren Macht befanden. Nach dem Fall der Sowjetunion lagen die Russen (noch immer) auf dem Boden und die Volksrepublik China war noch nicht das powerhouse, das es heute ist.

Heute ist die Globalisierung unter multilateralen Vorzeichen, aber unter US-amerikanischer Vorherrschaft, die Pax Americana, praktisch aber am Ende – wie schon Jahre vor der Wahl Trumps analysiert wurde, beispielsweise hier, hier oder hier.

Wie sich ein unipolaristischer Falke als Sicherheitsberater unter diesen Bedingungen macht, bleibt abzuwarten.

Bild: US-State-Department, via Wiki Commons

Literatur:

Garry Dorrien, Imperial Designs. Neoconservativism and the New Pax Americana. 2004

Harold Hongju Koh, America’s Jekyll-and-Hyde Exceptionalism (111 – 143), in: Michael Ignatieff (Hg.), American Exceptionalism and Human Rights. 2005

James MacDonald, When Globalization fails. The Rise and Fall of Pax Americana. 2015

Paul R. Pillar, Intelligence and US Foreign Policy. Iraq, 9/11 and Misguided Reform. 2003

Paul Craig Roberts, The Neoconservative Threat to World Order. Washington’s Perilous War for Hegemony. 2015

Stephen J. Sniegoski, The Transparent Cabal. 2008

Nachbemerkung, 25.3.2018, 15.00 Uhr: Stefan Molyneux zu Bolton (Beginnzeit eingestellt):

Unabhängiger Journalist

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