Corona-Alarmist & Umverteilungs-Kritiker i.d. Zeit der Pseudo-Seuche

cover_resizedHans-Werner Sinn ist nicht der Erste, der als Tiger losgesprungen und als Bettvorleger gelandet ist. Mit dieser bösen Metapher lässt sich beschreiben, was im soeben erschienen Buch  “Der Corona-Schock” vor sich geht. Ausgangspunkt des früheren ifo-Chefs ist eine weitgehend schlüssige Analyse der mannigfaltigen verderblichen Effekte des realen Euro - sobald aber das Zauberwort Corona-Solidarität  fällt, macht Sinn plötzlich den Drehhofer.

Mit einem Schlag mutieren regionale Umverteilung und Kredit-Orgien zu “großzügigen finanziellen Hilfen” für von der Seuche schwer getroffene Brudervölker

und der “Etikettenschwindel” Corona-Fonds scheint plötzlich nicht mehr so schlimm,

ebensowenig wie die schon immer bekämpfte Vergemeinschaftung der Schulden unter dem Decknamen Corona-Bonds (was er in einem jüngeren Interview zur “Begleiterscheinung” verniedlicht.)

Dann ist es ja offenbar auch egal,

  • wenn der Club Med zu einem reinen Leistungsempfänger nördlicher Finançiers verkümmert,
  • zu einem “großen europäischen Süditalien”, sowie
  • dass das, was sich jetzt mit Italien und Spanien abzeichnet, dasselbe üble Spiel ist, was vor zehn Jahren mit dem viel kleineren Griechenland abgezogen wurde, dessen “Rettung” in Wahrheit die Rettung von dessen Gläubigern war, zuallererst französischer Banken.

Immerhin sei zur Ehrenrettung des Autors gesagt, dass nach dessen eigener Aussage bezüglich der neuen Rettungsaktionen “zwei Herzen in meiner Brust” schlügen.

Andererseits habe ich große Angst vor der Einrichtung kollektiver Leistungsmechanismen, die das Individuum oder den einzelnen Staat einer Mehrheitsentscheidung unterwerfen und die zu Dauereinrichtungen werden, an die sich die Empfänger gewöhnen und anpassen (…) Angesichts dessen können wir es uns gar nicht leisten, Europa dauerhaft durch eine Transferunion à la Macron mit der Holländischen Krankheit zu infizieren und zuzulassen, dass der gesamte Mittelmeerraum in Lethargie verharrt und zu einem großen Mezzogiorno mutiert, der vom Tropf des Nordens nicht mehr loskommt.”

Natürlich will selbst der “gestrenge Sinn”, wie er selbst behauptet, keine echte Staatspleite mit verrottenden Müllbergen, Faustrecht auf den Straßen und pipapo,

sondern die Möglichkeit eines Teilbankrotts, bei dem unvorsichtige Kreditgeber Federn lassen müssen ohne dass “solidarische Politicos” gleich mit dem Steuergeld ihrer Bürger zu wacheln anfangen.

Wie man kognitive Leistungen eines Gelehrtenlebens auf den Müll kippt

Um es deutlich auszudrücken: Analytische Potenz und (bisherige) intellektuelle Lebensleistung des HWS sind beeindruckend,

  • ob das seine vernichtenden Einlassungen zu Euro und zu unverzinsten, ungesicherten und nicht fällig zu stellenden Targetforderungen der Bundesbank sind; BuBa-Salden, die u.a. als “Fluchthelfer” für bedrohte südeuropäische Vermögen fungieren, ein institutionalisierter und legalisierter Betrug an deutschen Steuerzahlern und Geldnutzern (die Sparer werden mit europäischem QE geschröpft, zuletzt mit PEPP.)
  • oder seine Kritik an einer Energiewende der Subventions–Abzocker, die unzweideutig auf Zusammenbrüche der Stromversorgung hinausläuft,
  • und an einer irrationalen Klimaschutzpolitik, die zwar selbst gesteckte CO2-Ziele nicht erreicht, sich aber für die Emissionssteigerungen anderer “abwatschen” lässt,
  • nicht zu vergessen die Darstellung der schoflen Behandlung der deutschen Autoindustrie durch Kommission und “eigene” Politicos.

Nur: Wenn’s (vorgeblich virusbedingt) hart auf hart geht, zählt das alles nicht mehr.

“In letzter Instanz” scheint auch für Hans-Werner nur mehr die Loyalität gegenüber Mutti übrig zu bleiben – wie “kritisch” er diese auch verbrämen mag.

In diesem Fall pfeift HWS offenbar drauf,

  • dass seinen Steuer zahlenden (und Geld nutzenden) Landsleuten von diesen selbst erwirtschaftete Werte aus den Rippen geleiert werden – ohne dass dafür ein Ende absehbar wäre  (“europäische Solidarität”),
  • dass die “Architektur der Gemeinschaftswährung” längerfristig auch die Völker der südeuropäischen Nehmerstaaten trifft oder
  • dass, allgemein, das Maskieren von Krisen mit Geld/Kreditdschöpfung höchstens kurzfristige Schmerzen lindert, aber auf längere Sicht zu Verwerfungen führt (beiträgt).

Vielleicht geht es gar nicht allein um Sinn.

Vielleicht handelt es sich auch um ein allgemeines Dilemma des Rechts-Merkelismus in den Zeiten der Pseudo-Seuche – in dem Moment, in dem dessen Widerstand mit scheinwissenschaftlichen epidemiologischen Argumenten geknackt ist, ist der Damm gebrochen.      :cry:

Davon abgesehen, bringt die Lektüre des erfrischend untechnisch geschriebenen Texts eine Reihe von Erinnerungen an aussagekräftige Details aus dem Schatzkästlein eines politisch interessierten Ökonomen zurück, beispielsweise,

  • dass der damalige griechische Premier 2011 “von Merkel & Co. geschasst wurde”, weil er wollte, dass Griechenland aus dem Euro austritt. Das ist weder ein bloßes “on dit”, noch hat Sinn es erfunden, das hat ein pensionierter EZB-Direktor in seinen Erinnerungen geschrieben, besser: “unmissverständlich angedeutet”. Sinn schreibt immerhin, was die Journaille für irrelevant erachtet.
  • Der Ökonom hat (selbst) zusammengerechnet, dass die Greichenland-Rettungsaktionen bis Ende 2019 264 Mrd. Euro gekostet haben (inklusive EZB-Käufe, exklusive privater Verluste durch “hair cuts”). Auch diese Information stammt “nicht exklusiv aus dem Corona-Schock” – aber man darf davon ausgehen, dass Sinn seine eigene Rechnung laufend aktualisiert und dass das der letzte Stand ist).
  • Wohl ebensowenig neu, aber diesem Blogger bisher unbekannt war, dass das Corona-”Transaktionsverbot” seit dem 22. März die Deutschen 30 Mrd. Euro pro Woche gekostet hat
  • und schließlich sind Sinns Überlegungen zur “hohen Zeitpräferenz”, das letzte Kapitel seines neuen Buchs, ein Rohdiamant – nicht weil seine “Hoffnung auf längerfristiges Denken bei Bürgern und Politik” besonders realistisch wäre, sondern weil er dieses Problem überhaupt thematisiert.

Sinn, der einen Meltdown des Finanzsystems nicht einmal ansatzweise für möglich zu halten scheint, glaubt, dass sich heuer und nächstes Jahr unterschiedliche europäische Länder unterschiedlich gut “erfangen” können

und dass sich die deutsche Konjunktur dabei schneller erholen wird als die der südeuropäischen Nachbarn, so wie schon nach 2008/09 ( – vorausgesetzt, es gibt keinen zweiten “harten Lockdown”).

Womit wir bereits beim “dicken Ende des Texts” angelangt wären, der sich eigentlich in den vorderen Kapiteln des Buchs findet.

Die traurige Pointe besteht nicht nur darin, dass der Autor praktisch alles, was er in den 200 Seiten davor argumentiert hat, im Namen der Corona-Solidarität über Bord wirft,

sondern auch darin, dass er den Mummenschanz der vergangenen Wochen verteidigt und eine elektronische  Ächtung Infizierter via Smartphone befürwortet (“Das Mittelalter war schon weiter”).

Pestvergleiche – ein grober Unfug

Nun soll man durchaus die furchtbare Möglichkeit diskutieren, dass “Pest- und Lepraklappern des 21. Jahrhunderts” wirklich notwendig werden könnten, um Gesunde vor der Infektion einer tödlichen oder besonders abstoßenden Infektionskrankheit zu schützen

- diese Diskussion aber bitte nicht in Zusammenhang mit dem Corona-Virus wie wir es heute kennen führen.

Wie Sinn nachvollziehbar argumentiert, wird bei SARS-CoV- 2 realistischerweise mit einer “CFR” von ca. 0,5 Prozent gerechnet (Heinsberg-Studie 0,4%, Diamond Princess 1,0% “bei einer ziemlich alten Population”).

Bei 50 Millionen infizierten Deutschen, rechnet der hysterisierte Sinn eine Aussage seiner Kanzlerin hoch, wären das 250.000 zusätzliche Todesopfer – und das würde Vieles, fast alles rechtfertigen.

Nun lässt sich aus einer Reihe von Gründen bezweifeln, ob die in den Raum gestellte Durchseuchung der Bevölkerung tatsächlich diese Höhe erreichen kann (z.B. wg. “Kreuz-Immunitäten”) und überdies stellt sich die Frage,

  • ob die kalkulierten Exitus nicht doch eine beachtliche Schnittmenge mit den anderen, “natürlichen” Todesfällen aufweisen bzw.
  • ob die kalkulierten Corona-Toten wirklich alle in einem Kalenderjahr anfallen würden.

Letzteres mag individuell nicht von Bedeutung sein, für die Beurteilung des Phänomens ist es sehr wohl wichtig.

Warum?

Weil laut Destatis jedes Jahr knapp 1 Mio. Deutsche (Wohnbevölkerung) sterben und die drohenden “250.000 zusätzlichen Corona-Toten” zunächst mit der allgemeinen Sterblichkeit zu vergleichen sind.

Selbst wenn meine obigen Vorbehalte nicht zutreffen, wäre man bei einer Steigerung der allgemeinen Sterblichkeit von 1,1 Prozent (950.000 von 83 Millionen) um ca. ein Viertel angelangt.

Das mit der Beulenpest zu vergleichen, die ganze Landstriche entvölkert hat und die (“unbehandelt”) für 50 bis 70% der Erkrankten tödlich verlief, ist, pardon, grober Unfug.

Das G’spür für Größenordnungen und Proportionen, bisher ein “Markenzeichen des Ökonomen Sinn”,  scheint im Zuge der allgemeinen Coronoia auch bei unserem Autor völlig verloren gegangen zu sein.

Hans-Werner Sinn, Der Corona-Schock: Wie die Wirtschaft überlebt.2020

Unabhängiger Journalist

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