Denk’ ich an Deutschland in der Nacht: Bandulets Beuteland

screenshot_coverDas neueste Buch des Journalisten und Autors Bruno Bandulet erzählt von der Zerrüttung einer ehemaligen kontinentaleuropäischen Mittelmacht sowie dem Niedergang des dazugehörigen Staatsvolks – ein Prozess, der ein Jahrhundert in Anspruch genommen hat. Seltsamerweise ist der Abgang Deutschlands nicht das Werk jenes monomanischen Diktators, der die Nation in die größte physische und moralische Katastrophe ihrer Geschichte geführt hat – jedenfalls nicht direkt. Eine Rezension.

Das Buch müsste eigentlich Drei Beuteländer heißen, weil es die jüngere Geschichte der heutigen Bundesrepublik in drei Etappen erzählt.

Der Autor beginnt an einem Punkt, an dem für viele die deutsche Geschichte endet, am 8. Mai 1945.

Für die folgenden 45 Jahre bis 1990 benötigt der Autor fünf Kapitel, für den zweiten Abschnitt bis 2015 zwei – und für die dritte Etappe wendet er ein Kapitel auf.

Der Untertitel Die systematische Plünderung Deutschlands seit 1945 tönt das Leitmotiv an, das über den drei Beuteländern liegt.

Er löst sofort Nazialarm aus, doch wenn man genauer hinsieht, bleibt davon nichts übrig. Der gute Mann ist in etwa so national wie es Konrad Adenauer war, und so sozialistisch wie Ludwig Erhard, also gar nicht.

Was übrig bleibt, ist zugegeben das Besserwissen eines geschichtspolitischen Devianten.

Das machte sich z.B. in der Anfrage an einen Zeitungskommentator bemerkbar, der anlässlich der Flüchtlingskrise vor einem Jahr schrieb, dass nach dem Zweiten Weltkrieg Abermillionen Volksdeutsche aus bisher besetzten Gebieten nach Westen geströmt seien.

Erbsenzähler Bandulet fragte den Journalisten per Email, welche besetzten Gebiete konkret gemeint seien und er kriegte keine Antwort drauf, weswegen er in seinem Buch maliziös bemerkt: Wahrscheinlich recherchieren sie immer noch.

Thema ist in diesem Zusammenhang weder professorales Imponierwissen noch ein unsinniger Standpunkt wie z.B. dass die Nazis keine Gebiete besetzt hätten.

Das Thema ist die Kenntnis einfacher Gundlagen, die erst zu historich-politischen Urteilen befähigt – wie beispielsweise, dass Ostpreußen und Schlesien keine besetzten Gebiete waren oder dass Vertriebene keine Flüchtlinge sind.

Derlei interessiert-abweichendes Verhalten ist es, was konservativ-libertäre Altspatzen dieses Zuschnitts von der Mehrzahl uns Heutiger unterscheidet – und was sie für manche voll nazi macht.   ;-)   

Diese Leute widersprechen notorisch den offiziösen Narrativen, auch wenn sie gar nicht als Geschichtsrevisionisten geführt werden.

Das ist unangenehm, auch wenn es in der wirklichen Welt nicht viel ausmacht, weil das hier wie dort kalter Kaffee von gestern ist, der heute keinen Hund mehr hinterm Ofen hervorlockt.

Nachkriegsdeutschland

Die laue Interessenlage gilt zuallererst für das “erste Beuteland”, das (West)Deutschland bis zum 2 + 4-Vertrag im Jahr 1990 gewidmet ist.

Hier wird die drückende Besatzungspolitik der Alliierten während des ersten Nachkriegsjahrs thematisiert, aber auch die folgende amerikanische Abkehr vom Morgenthau-Plan – infolge des beginnenden Kalten Kriegs.

Der Autor weiß zwar auch nicht, wie hoch die Endsumme ist, aber er führt zahllose Titel an, unter denen Deutschland in Ost und West Kriegsfolgeleistungen erbracht hat.

Schließlich wurden es mehr als jene 20 Milliarden Mark (zum Wert von 1938), die Stalin in Jalta als Gesprächsgrundlage in den Raum stellte – und klarerweise mehr als die Weimarer Republik an Reparationen nach dem Ersten Weltkrieg zahlen konnte (wobei ein paar beliebte urbane Legenden über die Klinge springen müssen, wie dass Deutschland Vorkriegsschulden erlassen worden seien; man reduzierte “nur” die Zinsen auf die ausstehenden Anleihen).

All das konnte man schon seit langem wissen, wenn man wollte. Das hat unser Autor nicht selbst recherchiert, sondern nur zusammengetragen und kurz gefasst.

Dass Westdeutschland Demontagen, Besatzungskosten, Konfiszierung von Auslandsguthaben, systematischen Raub geistigen Eigentums und Wiedergutmachung für Geschädigte des Nazi-Regimes leisten und dabei erneut zur führenden Wirtschaftsmacht Europas aufsteigen konnte, verdankt es

  • einerseits dem Kalten Krieg und dass es für die Amerikaner als Bollwerk gegen die Sowjets unverzichtbar wurde;
  • und andererseits der sozialen Marktwirtschaft Erhards, ohne die das sogenannte Wirtschaftswunder nicht zustande gekommen wäre.

Deutschland bis zur Wiedervereinigung ist für Bandulet eine Turbokuh, der man gestattet hat, ordentlich zu fouragieren auf dass sie bei Kräften bleibe, eine Kuh, für die als Gegenleistung für ihre hervorragende Milchleistung Heuvorräte für den Winter angelegt (toleriert) wurden – in Form von Devisen/Gold.

Über seine DM und deren Manager in der Bundesbank sammelte Westdeutschland schon vor dem Euro massig Exporterlöse an, die es behalten durfte (sofern sie nicht für Reparationen und Schutzgelder ausgegeben werden mussten).

Das betrachtet der Autor prinzipiell mit wohlwollendem Blick. Gäbe es heute noch DM und EWG, Bandulet wäre sofort dabei.

Im Namen des Euro

Womit wir schon bei Beuteland II wären, bei den Kapiteln 6 und 7 (“Im Namen Europas” und “Entmachtung”).

Hier schildert der Autor die Entwicklung nach der Wiedervereinigung bzw. dem Vertrag von Maastricht im Jahr 1992.

Zu diesem Zeitpunkt stellt man die Turbokuh in den Stall eines anderen Viehhalters.

Die Rinderflüsterer blasen der deutschen Kuh zuerst ins Ohr, dass sie nun souverän sei, und deuten zwei Jahre später an, dass sie dafür aber auch Verantwortung tragen und solidarisch sein müsse, indem sie auch die Kälber ihrer mit nicht so viel Milch gesegneten Mitkühe säugen müsse.

Ach, und das mit den eigenen Heuvorräten müsse sich aufhören (öffentlich wurde das genaue Gegenteil beteuert).

Die Rede ist natürlich von EU und Euro.

Für Bandulet geht das der Währungsunion zugrunde liegende Konstrukt auf den – historisch verständlichen – Wunsch der Franzosen zurück, die Deutsche Mark, die deutsche Atombombe, abzuschaffen und deren Bedienungsmannschaft, die Bundesbanker, zu kastrieren.

Paris sei in jenen Anfangsjahren Hilfe durch die “romanische Achse” erwachsen, südeuropäischen Ländern, die vorrrangig an Transferleistungen aus Deutschland interessiert gewesen sind. 

Dabei empfindet der Autor die seit Jahrzehnten existierende reguläre Transferunion als weniger störend, jenen “Finanzausgleich”, über den spanische und polnische Autobahnen mithilfe deutscher EU-Beiträge finanziert werden (immerhin bauen deutsche – und österreichische – Auftragnehmer ja fleißig mit).

Eher geht es ihm um die erst im Aufbau begriffene verdeckte, irreguläre Transferunion über die Gemeinschaftswährung & die Rettungsvehikel sowie diverse Geldpolitiken und -systeme von EZB und Eurosystem (ein Paradebeispiel ist “Target 2″, dem eine Vorrichtung zur Begleichung von Schulden fehlt).

Mario der Zauberer ist für ihn die Fleisch gewordene romanische Achse, der ans Steuerrad der EZB gelangte wiedergeborene Silvio Gesell.

Dem politischen Personal, beginnend bei Helmut Kohl und Theo Waigel bis hin zu Angela Merkel hält Bandulet im Zweifel zugute, dass es wohl naiv gewesen und ausgetrickst oder erpresst worden sei (was allzu freundlich ist).
 
Beispielsweise bei der Konzeption der gemeinsamen Währung (1992 ff) oder bei der ersten Eurorettung (Mai 2010).
 
Beuteland III ist nach meiner Lesart schließlich das 8. Kapitel: Der Schein der hohen Ideale. Hier geht es um den Flüchtlingsirrsinn, den die deutsche Kanzlerin vor einem Jahr in Mitteleuropa zugelassen (und teilweise erst losgetreten) hat. Dies mit Hilfe beinahe der gesamten politischen Klasse und fast aller traditionellen Medien.

Griff nach dem öffentlichen Eigentum

Was sich hier vor allem in Deutschland zugetragen hat, lässt den Autor nach dem Beutewert gamz Europas fragen, dem Wert des hiesigen öffentlichen Eigentums für die armen Völker der Dritten Welt.

Bandulet führt es nicht genauer aus und die Ablehnung des manchmal als Rechtspopulist Gescholtenen dürfte eigentlich nur der Gefährdung des indviduellen Eigentums gelten – aber nein.

Der wirtschaftsliberale Rechte Bruno B. muss das öffentliche Eigentum gegen dessen angebliche Freunde auf der Linken in Schutz nehmen.

Er sagt von einem SPD-Politiker und trifft damit den Nagel auf den Kopf:

Stegner und seinen Freunden fehlt der Respekt vor dem Eigentum. Nicht nur vor dem individuellen, sondern auch vor dem öffentlichen Eigentum, das sie auf globaler Ebene umverteilen wollen, ohne die Einwilligung der Eigentümer einzuholen.”

Das ist, was in diesem Blog ständig über rote und schwarze Sozialisten gesagt wird, mit Belegen, die wirklich alle verstehen können, z.B. hier.

Was die deutsche Kanzlerin angeht, wird gefragt: Was wollte/will die Merkel mit ihrem Kurs eigentlich bewirken? Und wo kommt die Motivation her?

Doch trotz langen Hin- und Herüberlegens findet sich keine Antwort. Der Autor ist sich nur sicher, was die Frau nicht bewegt hat:

Nichts in ihrem phänomenalen politischen Aufstieg lässt den Schluss zu, dass im Sommer 2015 lediglich die Pastorentochter mit ihr durchging.”

Die letzten Zwischenkapitel seines Buchs zeigen, dass Bandulet sehr wohl einen konkreten Verdacht hegt – dass er diesen der Kanzlerin aber nicht zuschreiben kann oder will.

Sie lauten:

  • Die offene Verschwörung der europäischen Eliten
  • Internationale Netzwerke: Peter Sutherland und die “politische Formel”
  • Tiefer Staat: Die Oligarchie und das Risiko der Demokratie

Bruno Bandulet, Beuteland. Die systematische Plünderung Deutschlands seit 1945. 2016, 19.95 Euro, erhältlich u.a. hier.

Unabhängiger Journalist

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