Die Crash-Propheten in der Free Lunch-Society – eine Rezension

coverDie manchmal als Crash-Propheten bezeichneten Wirtschaftsbuchautoren Matthias Weik und Marc Friedrich (“Der größte Raubzug der Geschichte”) plädieren in ihrem neuesten Text für die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens, die völlige Umstellung des Steuersystems auf Konsumsteuern und staatliches Vollgeld samt Schaffung einer “wirklich unabhängigen Zentralbank” (ein “Geld”, das für so voll zu nehmen ist wie die Unabhängigkeit einer solch lupenrein staatlichen Geldbehörde).

Für ihre Streitschrift Warum wir Wirtschaft und Politik radikal neu denken müssen – sonst knallts haben sich die beiden der Co-Autorenschaft des dm-Gründers Götz Werner versichert, der der seltene Fall eines Unternehmers ist, der sich für ein staatlich garantiertes Minimaleinkommen engagiert.

Für die vorgeschlagene fiskalische Umstellung sprechen zunächst tatsächlich gute Gründe.

Der vielleicht beste ist der Umstand, dass in Teilen der “reiferen Volkswirtschaften” die Erwerbsarbeit dabei ist zu sterben – langsam, aber deutlich erkennbar (auf die Ursachen soll hier nicht eingegangen werden – ob das die schicksalhafte Folge des technischen Fortschritts ist, sei dahin gestellt).

An unserer speziellen Form der Erwerbsarbeit hängt aber die Finanzierung des hiesigen “Wohlfahrtsstaats” sowie des historisch mit ihm verbundenen Umverteilungssystems.

Um sich über den heutigen Status quo zu informieren, reicht z.B. ein kurzer Blick auf die aktuelle Einnahmenstruktur der Republik Österreich.

Die folgende Grafik zeigt, dass 72 bis 73 Prozent ihrer Steuern (und Beiträge!) an der Erwerbsarbeit hängen und nur die Mehrwertsteuer und die Verbrauchssteuern (Tabak, MöSt) Anknüpfungspunkte im Sinn der Autoren wären.

Der zu bewältigende Weg wäre also ein weiter.

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Zuerst eine kleine “Berichtigung”: Die Zahlen stammen zwar aus einer OECD-Veröffentlichung von vergangenem Jahr, fußen aber auf Zahlen von 2014.

Die von der OECD erwähnten “payroll taxes” sind übrigens die Arbeitgeberbeiträge für KV und PV, die in der wirtschaftspolitischen Debatte mitunter auch als Lohnnebenkosten die Bühne betreten.

Diese und auch die Sozialbeiträge der Arbeitnehmer sind natürlich keine Steuern im engeren Sinn, die OECD inkludiert sie aber, weil damit die “staatlichen Einkünfte” auf der ganzen Welt vergleichbar würden.

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Nun gibt es heute in Deutschland und Österreich so viele (unselbstständig) Erwerbstätige wie niemals zuvor – worum öffentlich  viel Tamtam gemacht wird (was aber keineswegs bedeutet, dass das “System gesund ist”.)

Es gibt nämlich deswegen so viele Erwerbstätige, weil Hunderttausende unselbstständige Teilzeitarbeiter und armselige Selbstständige entstanden sind, die keine Einkommenssteuern und nur minimale Sozialbeiträge zahlen.

Die insgesamt geleisteten Arbeitsstunden sind freilich rückläufig (Seite 92), ein Statistikschwindel also, wie es so viele von ihnen gibt.

Die absehbare Folge ist jedenfalls, dass – über Jahre gesehen – die wesentlichen Standbeine unseres Steuer- und Wolhlfahrtsstaats einknicken, der auf Erträge aus gut entlohnter Vollzeitarbeit angewiesen ist – ebenso wie jene der Sozialversicherungssysteme, die noch stärker von der bisherigen Form der Erwerbsarbeit abhängig sind.

Bei den Sozialversicherungen kommt verschärfend noch dazu, dass sie versuchen, auf Teufel komm raus frische Beitragszahler aus dem “Prekariat” zu rekrutieren, was ihnen momenthaft helfen mag, auf längere Sicht ihren Untergang aber beschleunigt.

Der Grund dafür ist, dass die neuen Beitragsleistenden künftige Ansprüche erwerben, die die bereits bestehende Kluft zwischen Sozialversprechen und ihrer Deckung weiter vergrößern (“unfunded liabilities”)

Auf Neudeutsch nennt man so etwas Ponzi scheme, Schneeballsystem.

Unsere “demokratisch gewählten” Politicos, die die Hauptverantwortung dafür tragen, können nur hoffen, weit weg, am besten schon über dem Jordan zu sein, wenn das Ding kollabiert.

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Das ist der Punkt, an dem manche westliche Sozialpolitiker – derzeit noch halblaut – fordern, die Sozialsysteme doch bitteschön auf eine Finanzierung über eine echte Steuer umzustellen.

Was freilich auch keine Lösung ist, so lange die Finanzierungsquelle auf der gleichen, schrumpfenden Steuerbasis beruht, Lohn und Einkommen nämlich.

An dieser Stelle würde auf Vorschlag unserer Reformer die völlige Umstellung der Steuerbasis auf indirekte Abgaben erfolgen (was nur als Ablenkung gewertet werden kann, weil es die “Steuerbasis” nicht zum Wachsen bringt).

Statt der Wertschöpfung, sagen Werner und seine Co-Autoren, solle künftig nur mehr der Verbrauch besteuert werden, was theoretisch kostenneutral bewerkstelligt werden kann - (ev. sogar “besser”, weil es unter den Bedingungen der heutigen 100-prozentigen Fremdversorgung weniger “Steuerfluchtmöglichkeiten” gibt).

Noch fehlt freilich ein wesentlicher Punkt des Werner-Vorschlags – einer, der sich logisch in’s Gesamtbild zusammen mit “neuer Steuerbasis” und “Vollgeld” fügt:

Die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE), das nach Meinung der Autoren nicht zu mehr “sozialer Hängematte” und “ausbildungsmäßigen Fehlinvestitionen” führen wird (wobei sie u.a. der verrückten Idee anhängen, es habe in agrarischen Gesellschaften bereits so etwas wie ein garantiertes Einkommen gegeben).

Werner führt auf Basis von 82 Millionen Deutschen eine Überschlagsrechnung mit jeweils 1.000 bzw. 1.500 Euro BGE durch (Seite 105) – und kommt zur beruhigenden Erkenntnis, dass die daraus entstehenden Kosten auch nicht höher ausfallen würden als alle 2016 erwirtschafteten Arbeitnehmerentgelte und dass die Bezüge der Produktiven durch diese Operation ja nicht wachsen würden.

Ihr Nettoeinkommen bleibt gleich, nur dass mit BGE dann einen Teil desselben die Allgemeinheit finanziert.”

Präziser: Es ist in der Mehrzahl der Fälle ein wesentlicher Teil des Arbeitseinkommens und die erwähnte “Allgemeinheit” trägt üblicherweise den Namen Staat.

Dieser müsste jedes Jahr 1,48 Billionen Euro BGE auf die Konten seiner Staatsbürger überweisen, in der Erwartung, durch die Umstellung seines Steuersystems pari auszusteigen oder wenigstens keine Einnahmen zu verlieren (1.48 Bio. sind übrigens schlanke 40 Prozent mehr als die gesamten deutschen Steuereinnahmen von 2014).

Aber wenn es “wider Erwarten” doch nix werden sollte mit den Steuern für das BGE, bleibt noch die “Druckerpresse” der wirklich unabhängigen und verantwortungsvollen neuen öffentlichen Zentralbank.

Statt der heutigen, privaten fractional reserve-Banken schöpft diese das sogenannte Vollgeld, das gerne auch staatlich erzeugtes, rein elektronisches Giralgeld sein darf.

Dabei darf die Zentralbank, wie die deutsche Monetative hier schreibt, “ihren Staat” ohne Weiteres auch offen finanzieren:

monetativeAlso genau, was man so braucht, wenn man auf die Schnelle eine Billion mobilisieren muss  :mrgreen:   . Mehr dazu in diesem Eintrag.

Götz W. Werner, Matthias Weik, Marc Friedrich, Warum wir Wirtschaft und Politik radikal neu denken müssen – sonst knallt’s. Köln 2017 Eichborn, 10,00 (10,30) Euro

Unabhängiger Journalist

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