Wie unten anhand von “harten Zahlen” besichtigt werden kann, sind die Amis in den vergangenen gut zehn Jahren vom Marginal-Exporteur zum größten Erdöl-Lieferanten “Europas” aufgestiegen – wenn man vom Schurkenstaat Russland absieht, das aus angeblich politischen Gründen soeben aus dem Markt gekickt wurde und ab 2023 kein “relevanter Player” mehr sein wird. Die Angeschmierten sind in jedem Fall wir Europäer, deren “polit-mediale Eliten” entweder Trottel oder irgendwie korrupt sind (weil sie nicht einmal imstand scheinen, auf dem Tisch liegende Zahlen zu kompilieren, umzurechnen und in ein Verhältnis zueinander zu setzen).
Vorbemerkung: Dieser Blogger begann seine Herumrecherchier- und -rechnerei zur Versorgung Europas mit “dichter Energie” vor ein paar Tagen, nachdem er ein Zitat aus der spanischsprachigen Blogosphäre eingestellt hatte.
Noch altem Wissen aus der Zeit seiner Berufstätigkeit in einem österreichischen “MSM” verhaftet, hielt er die Aussage des zitierten Bloggers, dass Europa mittlerweile “total von US-Importen von Erdgas und Erdöl abhängig ist” zunächst für eine Übertreibung, eine Art literarisches Stilmittel.
Meine Recherchen – vornehmlich im Internet – haben mich aber eines Besseren belehrt. Nach gewaltigen Zuwächsen über mehrere Jahre hinweg sind die USA (ex RF) heute der größte Erdöllieferant Europas sowie der zweitgrößte von Erdgas (nach Norwegen).
Ob der Atem der Schiefergas-Revolution in den Staaten lang genug ist, um auch bei Erdgas Norwegen zu überflügeln, wird sich weisen.
Die Analyse von Erdöl bzw Erdölprodukten zeigt mehr als eine Verfünffachung des US-Marktanteils in Europa, ausgedrückt in Anteilen an Importen von außerhalb der Region.
Die einzige nennenswerte Größe, die hier ausgeklammert wird, sind die einschlägigen Ausfuhren Norwegens nach Kontinentaleuropa und Großbritannien, die per definitionem ja
- weder Exporte nach “total Europe” sind,
- noch von außerhalb der Region kommen (sie sind nicht “inter-regional”).
Im vergangenen Jahr haben die Norweger nach Eigenangaben knapp 1,4 Mio. Barrel pro Tag nach Europa geliefert, während die USA auf kapp 1,6 Mio. bpd kamen (Umrechnung der EI/BP-Zahlen mit den Faktoren des norwegischen Petroleum-Direktorats).
Beim absehbaren Wegfall der russischen Crude-Lieferungen könnten sich freilich die Anteile der USA und ihres regionalen Vasallenstaats schnell verdoppeln.
Die US-Marktanteilsgewinne bei Rohöl weisen eine gewisse Ähnlichkeit mit Flüssiggas auf, wobei die Entwicklung bei LNG freilich viel schneller vonstatten ging,
wohl parallel zum Bau der nötigen “Einrichtungen” (Terminals, Tanker) sowie zur politisch-militärischen Ausschaltung der russischen Pipeline-Konkurrenz.
Eskalierender Exportbedarf durch Shale Oil
Das “Knacken” des europäischen Erdöl-Markts durch US-Anbieter ist dagegen eine Angelegenheit, die prinzipiell seit dem Beginn der sg. Shale-Revolution vor gut zehn Jahren läuft,
zunächst parallel zum exponentiell wachsenden Exportbedarf des verstärkt anfallenden “light, sweet crude” (in Europa nahm der US-Exportdruck erst 2019 so richtig Fahrt auf).
Aber erst im vergangenen Jahr haben die US-Interessen einen weiteren Schub von politischer Seite erhalten, durch die CIA und/oder andere (para)staatliche Einrichtungen – siehe zu den Zahlen folgende Tabelle.
Der Beginn der “Entrussifizierung” des europäischen Erdölmarkts 2022 hat Moskau vorerst nur rund 20 Millionen Tonnen Erdöl pro Jahr oder 16 Prozent seiner vorherigen Lieferungen gekostet – ein erster “Vorgeschmack”, auf den heuer, 2023, wohl das “Hauptgericht” folgt,
für die Russen, aber auch die europäische Wohnbevölkerung (siehe unten).
Hier zunächst die versprochene Tabelle. Als die ersten Datenpunkte wurden 2010 und 2015 gewählt, wobei 2010 als Jahr vor dem Beginn des Shale-Booms zu sehen ist und 2015 als Jahr eines fortgesetzten Preisverfalls von Rohöl.
2010 beinhaltet alle Exporte, also auch “Produkte”. 2015 ist in der Statistik die Trennung bereits erfolgt, die nach Europa gelangenden Rohölexporte aus den USA waren damals freilich noch minimal.
Jahr | Menge |
2010 (alle) | 17,1 |
2015 | 1,8 |
2019 | 45,8 |
2020 | 57,9 |
2021 | 51,4 |
2022 | 77,7 |
Die US-Exporte von Erdölprodukten sind mengenmäßig wenig spektakulär und primär im “leichten Spektrum” angesiedelt, das sich für die Herstellung von Benzin oder für Kartuschen-Gas oder Vorläufer von Kunststoffen eignet, siehe dazu diese Aussendung der EIA (erste Säulengrafik).
Doch Produkte hin, Destillate her – auch aus den meisten von den USA angebotenen Rohöl-Qualitäten lässt sich kein Diesel machen, dazu sind die Kohlenwasserstoff-Ketten des Stoffs zu kurz.
Der “alte Kontinent” benötigt jedenfalls mehr als doppelt so viele Mitteldestillate als Benzin, z.B. für seine Traktoren, Baumaschinen und Trucks (um auf Kerosin, Schiffsdiesel und Heizöl sowie natürlich private PkW nicht zu vergessen),
siehe z.B. EI/BP Statistical Review 2023, S.22.
Die nun eingestellten russischen Exporte von “Produkten” waren in Europa früher aber etwa zur Häfte Mitteldestillate vulgo Diesel, zuletzt 400.000 bis 700.000 Barrel pro Tag.
Russische Öl-Flaute erst 2023 voll sichtbar
Leider sind die bisher thematisierten Ganzjahreszahlen nicht das gesamte Bild – bei weitem nicht.
Im Unterschied zu Erdgas hat die großflächige Nichtbelieferung mit russischem Öl nicht schon Mitte 2022, sondern erst Anfang 2023 begonnen,
- etwa durch die Nichtabnahme bzw. die Einstellung der Druschba-Importe durch Deutschland ab Jänner 2023, siehe hier, Fig.4
- oder, noch gravierender, durch das EU-Verbot der Einfuhr von russischem Erdöl per Schiff ab Februar. Wie Bruegels Russian Crude Oil Tracker nahe legt. haben die Russen noch 2021 pro Monat 6,3 Mio. Tonnen “seaborne” in die EU geliefert (Fig.1) – eine Quantität, die heute weitestgehend verschwunden sein muss; und von den Druschba-Lieferungen, die monatlich gut 3 Mio. Tonnen ausmachten, ist bis Mai 2023 gerade einmal eine Tonne p.m. übrig geblieben (Fig.4). All das wird erst in den Ganzjahres-Zahlen 2023 sichtbar werden. Sobald dies geschieht und die einst mehr als 2 Milllionen Barrel pro Tag betragenden russischen Exporte auf ein paar hunderttausend reduziert sind, besteigt Uncle Sam endgültig und für alle sichtbar den Thron des Herrschers des europäischen Ölmarkts.
Unabhängig von der realen Liefer(un)fähigkeit der Russen ist der ostentative Verzicht auf russisches Öl unglaublich dumm, bedeutet er doch, dass die “Uniaun” die volle Verantwortung für etwaige schlimme Folgen der “russischen Öl-Flaute” übernimmt.
Dabei gibt es ernst zu nehmende Anzeichen, dass der Russischen Föderation die Eskalationspolitik des Westens durchaus zupass gekommen ist, etwa
- durch die mysteriöse Einstellung der Gaslieferungen an Deutschland, Wochen vor der Sprengung dreier Nordstream-Stränge, auch in der durch Tschechien führenden Leitung, oder eben
- das unilaterale Exportverbot von Ölprodukten.
Beide Dinge können auch als Zeichen für eine nicht mehr vorhandene Lieferfähigkeit der RF interpretiert werden – selbst wenn Seymour Hersh erneut recht behalten sollte und die CIA bzw. das US-Militär tatsächlich die Nordstream-Haupttäter waren.
Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.