Ein in Barçelona arbeitender Physiker legt auf 120 Seiten dar, warum das bevorstehende Ende des Erdöls für unsere Gesellschaften “Game over” bedeutet und dass gegen diesen Umstand weder AKW noch Windräder oder Solarpaneele helfen. Dieses “düstere Bild” ist aus Sicht dieses Bloggers im Endeffekt zutreffend. Warum die Verstaatlichung von Waschmaschinen ein Teil der Lösung sein soll, erschließt sich ihm aber nicht ganz.
Zunächst einmal ist es erfrischend etwas zu lesen, in dem Energie NICHT mit Elektrizität verwechselt
und wo z.B. klar wird, dass die mythischen Erdölvorräte Venezuelas aus Naturbitumen im Orinoco-Becken bestehen, mit dem derzeit praktisch nichts anzufangen ist.
Das muss man Antonio Turiel lassen: Er ist als Naturwissenschaftler und Autodidekt in Sachen Erdölwirtschaft zunächst einmal glaubwürdig
(als Parteigänger von Podemos vielleicht weniger – doch dazu später).
Der Autor löckt in seiner eigenen Bezugsgruppe gegen den Stachel, indem er etwa über die Windenergie oder die Photovoltaik (Kapitel 11 & 12) “herzieht”
(natürlich schimpft er nicht einfach vor sich hin, sondern er “kritisiert sie im Kantschen Sinn”, d.h er macht die Grenzen der “Erneuerbaren” bewusst; aus einem unerfindlichen Grund spielt bei ihm die Intermittenz fast keine Rolle).
Begonnen wird mit Erdöl, dem
Blut, das durch die Adern unserer Zivilisation fließt”.
In süffig zu lesender, untechnischer Sprache macht Turiel deutlich, dass
- hydraulisches Fracking seine große Zukunft bereits hinter sich hat,
- dass man besser nicht auf die petróleos extrapesados aus Kanada und Venezuela hofft
- und auch nicht auf Bohrungen im Tiefwasser und in der Arktis.
Das 7. Kapitel widmet sich dem Erdgas, das seiner Meinung nach nicht zur Brückenenergie taugt (dieser Blogger widerspricht an dieser Stelle),
gefolgt von kurzen Abschnitten über Kohle, Kernspaltung und Wasserkraft, die nach Meinung des Autors allesamt keinen wesentlichen Lösungsbeitrag leisten können.
Diskutierenswert auch seine These, dass die sogenante Covid-Krise
uns fünf bis zehn Jahre gekostet hat” (Kapitel 21).
Das Problem zukunftsgerichteter Prophezeiungen
Auf längere Sicht und in letzter Konsequenz kann Turiel mit seinem “pessimistischen” Ausblick recht haben,
aber unser Leben und das der nächsten Generation währt noch 20 oder 50 Jahre
- und das ist ein Zeitraum, in dem eine Menge möglich ist (obwohl sich die Verfügbarkeit dichter Energie wohl reduzieren wird).
Derlei sollte einem Autor, der vor mittlerweile zehn Jahren ein Buch mit dem Titel “Oil-Crash” geschrieben hat, geläufig sein (in dem der SchieferÖL-Boom nicht vorher gesehen wurde).
Auch pro futuro ist NICHTS AUSZUSCHLIESSEN, schon gar nicht bei Erdgas (um von Methanhydraten ganz zu schweigen);
nicht einmal Kohle und schwere Öle, von denen es noch eine ganze Menge gibt, sind so einfach außen vor zu lassen.
Vielleicht schützt Turiel deshalb vor, dem Treibhausgas-Glauben nach IPCC anzuhängen – was freilich erfordern würde,
- den Einfluss der Sonne auf das irdische Klimageschehen zu “leugnen” und
- seinem “Ressourçen-Pessimismus” abzuschwören (woher soll das viele CO2 kommen, das im 21. Jahrhundert die Klimakatastrophe befeuern soll?)
Kurz: DIE NACHHALTIGE LÖSUNG für alle gibt es wohl nicht,
- es gibt aber (wenigstens) eine Reihe von “Überlebens-Lösungen” für einige und
- Leute wie Turiel müssen sich letztlich zwischen Ressourçenverknappung und (“anthropogener”) Klima-Katastrophe entscheiden. Entweder Peak Everything oder Hitzetod gemäß den (drastischeren) Rechenmodellen des Weltklimarats – aber bitteschön nicht beides.
Persuasions-Bedürfnisse
Womit diese Rezension beim Kapitel über die Unmöglichkeit von Wachstum nach Peak Oil angelangt wäre sowie bei der Behauptung, es gäbe kein Entkommen aus der Energiekrise.
Unmöglich ist freilich gar nichts, auch wenn unsere heutige “Energiesubvention” durch dichte Energiebrennstoffe schrittweise wegfällt
- und nunca ist eine ziemlich langer Zeitraum.
Ein Taschenspielertrick wiederum wird in jenen Passagen vorgegeführt, in denen “der Kapitalismus” als Hauptschuldiger an der Ideologie ewigen Wachstums dingfest gemacht wird,
wobei man anderswo fest stellt, dass unter Kapitalismus ein Zinseszins-System zu verstehen sei, das schon im alten Mesopotamien Bestand hatte.
Derlei Aussagen scheinen eher mit den Persuasions-Bedürfnissen zeitgenössischer Links-Popos zu tun zu haben
denn mit bona fide-Erkenntnis sachkundiger Beobachter.
Letzteres scheint mir wenigstens in der ersten Hälfte von Petrocalipsis der Fall zu sein.
Antonio Turiel, Petrocalipsis: Crisis energética global y cómo (no) la vamos a solucionar. 2020
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