Eine Kritik deutscher Krisenpolitik mit ihrer versteckten Agenda

Soellner_Krise als Mittel zur Macht_web-jpg.inddDer Ilmenauer Volkswirt Fritz Söllner hat (tlw.) über den Tellerrand seines Fachs gelugt und die deutsche Krisenpolitik der vergangenen 15 Jahre analysiert. Er ist dabei auf Phänomene gestoßen, die von Opposition und Medien früher in der Luft zerrissen worden wären, die in Zeiten kontrollierter Journos und ebensolcher Parlamente aber maximal dröhnendes Schweigen hervor gerufen haben. Die (freilich fast in ganz Europa anzutreffende) scheinbare Inkompetenz der deutschen politischen Klasse erkläre sich daraus, dass a) andere Ziele verfolgt würden als die vorgeschobenen und dass b) speziell – aber nicht nur – Krisenpolitik nicht (mehr) dem formalen Souverän (“deutsches Volk”) diene.

Große Teile deutscher Politik seien verfassungswidrig, u.a. weil das Grundgesetz das Kriterium der Verhältnismäßigkeit vorgebe, an der gesetzgeberische und administrative Normen zu messen seien (was vor allem in der sg. Coronakrise für alle augenscheinlich geworden sei).

Allerdings, schränkt Söllner ein, sei Karlsruhe selbst von politisch motivierten Bestellungen geprägt, sodass vom BVG

kein effektiver Schutz unserer Grundrechte und Freiheiten (mehr) zu erwarten (sei)” 

Insbesondere was das Europarecht angeht, ist seit Langem nur zu klar, dass das Bundesverfassungsgericht aus Rücksicht auf die Bundesregierung selbst über offensichtliche Verfassungsverstöße hinwegsieht und auch in den wenigen Fällen, in denen es dies nicht tut, darauf verzichtet, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um diese Verfassungsverstöße zu beenden.”

Im ersten Teil über die Krisenrepublik Deutschland beschreibt der Autor einen weiten Bogen,

der von der

  • “Eurokrise” der beginnenden 2010er-Jahre,
  • über die “Flüchtlingskrise” fünf Jahre später führt (S. hat ausführlich über rationale Migrationspolitik gearbeitet, die so ziemlich das Gegenteil dessen ist, was 2015 ff. propagiert und praktiziert wurde).
  • Es folgt der “Dauerbrenner Klimakrise”
  • sowie die “Coronakrise” ab 2020, der “Traum jedes Krisenpolitikers”.
  • Den Abschluss  des Abschnitts bildet die teilweise noch in der Zukunft liegende “Große Geldentwertung”   (Erläuterungen & Einlassungen zum Großthema Inflation und Enteignung bestehender Sparguthaben weiter unten).

Verdeckte Ziele der Krisenpolitik

Der zweite Teil beginnt mit einer Durchleuchtung der Hintergründe und Muster (nur) der deutschen Krisenpolitik,

deren vielleicht wichtigstes (Zwischen-)Ziel die Etablierung eines europäischen Einheitsstaats sei.

Jede einzelne der von ihm analysierten Krisen sei für die Erreichung dieses Zwecks instrumentalisiert worden, erklärt Söllner.

Die heutigen Strukturen und Methoden wiesen “verblüffende Parallelen” zu “1984″ auf, der berühmten Dystopie George Orwells, beginnend bei der

  • “inneren und äußeren Partei Ozeaniens” ( also der Führungsschicht und dem Fußvolk der heutigen, dezidiert antidemokratisch agierenden “politisch-medial-zivilgesellschaftlichen Elite“)
  • bis zum “Wahrheitsministerium”, das heute freilich ausgelagert und an private Mainstream-Medien delegiert worden ist (die ähnlich regimeloyal agieren wie ein gewisses privates “Großkapital” in der Nazi-Zeit), auch

die ‘vierte Gewalt’ hat ihre Wächterfunktion zum Großteil eingebüßt und agiert mehr als Erfüllungsgehilfe der Regierung.”

Wie ein Blick auf die Rolle von US-Tech bzw. Social Media zeigt, muss sich eine solche Komplizenschaft mit der “richtigen Regierung” auch nicht auf traditionelle Medien beschränken

- für unseren Professor aus Deutschland stehen freilich nach wie vor die oft verklärten ehemaligen Sturmgeschütze der Demokratie im Brennpunkt

(sie sind es auch, die hierzulande nach wie vor den politischen Prozess antreiben.)

Superstaat, Journaille & Gutmensch-Profis

Diesem outgesourçten Wahrheitsministerium obliege die Kontrolle des öffentlichen Diskurses zwecks Verteidigung der ideologischen Hegemonie der “politisch-medial-zivilgesellschaftlichen Gesinnungselite”.

Den “orwellianischen Praktiken der Journaille” (eigener Begriff) widmet der Autor gute zehn Seiten seines Unterkapitels zum Wahrheitsministerium A.D. 2023.

Die Taxonomie der medialen Missbräuche behandelt u.a.

  • die Ausblendung nicht kompatibler Fakten und Meinungen und
  • zieht sich über schiefe, keinerlei Korrekturmechanismus unterworfene Vergleiche
  • sowie die schon J. Goebbels bekannte Technik der unablässigen Wiederholung
  • und reicht bis hin zur heutigen Erscheinungsform des “Newspeaks”. Dieses sieht Söllner hauptsächlich in der “Sprachpragmatik” verankert, etwa der propagandistischen Verwendung/Bedeutungsverengung von ursprünglich durchaus “sinnvollen”, beschreibenden Begriffen wie beispielsweise “Diskriminierung”, “Rassismus” , “rechts” oder “Populismus”.
  • Und natürlich dürfen auch eine sachlich wenig gerechtfertigte Scheinkritik in der Berichterstattung und der Scheinpluralismus in ursprünglich pluralistisch konzipierten Medienformaten nicht fehlen.

Als Paradebeispiel für systemische Verfolgungshandlungen gegen “Unpersonen” und schon aus “1984″ bekannte “Gedankenverbrecher” zieht Söllner den 2010 in Verschiss geratenen Thilo Sarrazin heran, der

  • auch das Vorwort für Söllners Buch verfasst hat,
  • der aber puncto Ukraine-Krieg eine völlig andere Position vertritt. Während Sarrazin einen – wohl mit allen Mitteln zu bekämpfenden – “russischen Faschismus” erkennt, führt Söllner das öffentliche Mobilisierungs-Gerede gegen Russland & Co. als Beispiel für die ebenfalls aus 1984 bekannte Konstruktion eines äußeren Feindes an (“Eurasien, Ostasien”).

Die kommenden Jahre, meint der Verfasser, würden darüber entscheiden, ob die Leute Bürger bleiben oder wieder zu subjects mutieren würden

- Untertanen, allerdings nicht mehr einer aristokratischen Geburtselite wie vor einigen Jahrhunderten,

sondern jene einer staatsfetischistischen, egalitaristischen Gesinnungselite und eines von dieser beherrschten Staatswesens

(egalitaristisch natürlich nur für die unterhalb des neuen Gesinnungsadels angesiedelten “90 Prozent”).

Söllner flirtet aber nicht nur mit dem Neofeudalismus-Mem,

sondern auch mit jenem eines real bereits real vorhandenen grün-roten Freunderl-Kapitalismus (“woke capitalism”), in dem business nur erfolgreich sein kann,

wenn es den (Quasi-)Staatszielen der “politisch-medial-zivilgesellschaftlichen Elite” dient  und mit diesen zumindest dem äußeren Anschein nach übereinstimmt,

was wiederum in die Nähe von klassischen Faschismusdefinitionen gerät (man kann es natürlich auch “neosozialistisch” nennen und auf die VRC oder das “resettete” Wirtschaftssystem des Klaus Schwab verweisen – Sozialismus bleibt Sozialismus, egal in welchem Gewand er auftritt).

Krisenpolitik, erläutert Söllner in einem Kapitel, das auf das wohl berühmteste Werk F.A. Hayeks anspielt, komme der “politisch-medial-zivilgesellschaftlichen Elite” und speziell deren universalistischen Egalitarismus gleich mehrfach zupass,

u.a. durch das regelrechte Training zu noch mehr Staatsabhängigkeit, dem die (bisherigen) Bürger in wirklichen oder bloß behaupteten  Krisensituationen unterworfen würden (“Die Rolle der Krisenpolitik”, Kapitel 8).

Ihre Krönung – womöglich samt etatistischer “Scheinlösung” – werde der Reigen der deutschen Krisenpolitiken aber erst in der kommenden “großen Geldentwertung” erfahren, mutmaßt Söllner.

Diese Krise, die ‘große Geldentwertung’, wird viele schwerwiegende Konsequenzen haben, Konsequenzen, die über den bloßen Anstieg der Inflation und die Verluste der Gläubiger weit hinausgehen werden. Diese Konsequenzen werden den End- und Höhepunkt einer Entwicklung  darstellen, die sich im Verlauf all der bisherigen Krisen nur zu deutlich abgezeichnet hat.”

Kritik der  Kritik

Der Verfasser des Texts, der u.a. auch vor Bezirksorganisationen der verfemten AfD referiert hat, geht in seinem Kapitel über die Geldentwertung auch auf deren geld- und zinspolitische Ursachen ein.

Dieser Blogger kann diesen Ausführungen aus dem Gebiet von Söllners angestammter Expertise vielfach, aber längst nicht durchgängig folgen

(z.B. der Erklärung der Verbraucherpreisinflation, die mE nur die halbe Wahrheit ist – “Angebotsschocks” spielen auch eine wesentliche Rolle).

Die größte Problematik des Texts ist freilich die implizite Annahme, dass die Grundlagen des Wirtschaftens auch in den kommenden 100 Jahren die gleichen sein würden wie in den vergangenen 200,

was den Charakter der sich anbahnenden globalen Energiekrise gründlich verkennt.

Der Mann steht damit mit den zahlreichen “Austrians” auf einem Blatt, für die kein Problem des Ressourçen-Inputs existiert und/oder die an die unendliche Substituierbarkeit verknappter Ressourçen glauben.

Das ist/wäre der tiefere Grund, warum auch eine wirtschaftsliberale Politik kein nachhaltiges Wachstum erzeugen kann (könnte), sobald das herrschende “keynesianische Modell” für alle sichtbar gescheitert ist.

Davon weitgehend unberührt ist freilich die große analytische Potenz für Wirtschafts- und Gesellschaftsthemen, die “Söllner & fellow Austrians” Tag für Tag unter Beweis stellen.

Fritz Söllner, Krise als Mittel zur Macht. 2022

Unabhängiger Journalist

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