Eine “Main Street-Kritik” an der Fed: Vermögensschere & Asset-Bubbles

cover_resizedChristopher Leonard, ein früherer AP-Reporter und nunmehriger freier Journalist, ist ein Mensch, der seinen Beruf ernst zu nehmen scheint. Statt das Motiv “Wie Ben Bernanke die Welt rettete” zum gefühlt 300. Mal abzuwandeln, widmet sich Leonards soeben erschienenes neues Buch den Politiken der US-Zentralbank in den vergangenen 10 Jahren und kommt dabei zum Schluss: Die Politik des superbilligen Gelds (Fremdkapitals) hat nur zu Vermögensblasen, Finanz-Instabilität und Aufschuldung geführt und die (amerikanisch verstandene) Mittelklasse gegenüber der Wall Street benachteiligt.

Leonard hat gut recherchiert, doch das größte Verdienst seiner Lords of Easy Money ist, dass sie für den Leser verständlich bleiben,

auch wenn selbige(r) kein Wirtschafts- Studium absolviert hat.

Das klingt nach no na net, ist dieses aber keineswegs, denn

viele der Autoren, die sich dieses opaken Themas angenommen haben, sind an irgendeinem Punkt ihrer Geschichte in maeströses Fed-Genuschel oder gedrechselten Bernanke-Sprech verfallen.

Nicht Leonard.

Der Autor schafft es scheinbar mühelos, Unwichtigeres wegzulassen und “Hoch-Technisches” in Alltagssprache zu übersetzen ohne dabei manifest falsche Aussagen zu produzieren.

Leonard steigt im November 2010 in die Geschichte ein, als der vor dem Abgang stehende Tom Hoenig als einziges (stimmberechtigtes) FOMC-Mitglied gegen das von Bernanke und Yellen gepushte “Quantitative Easing 2″ stimmt.

Powell ist damals noch nicht an Bord, Hoenig gibt diesem im Jahr drauf sozusagen die Türklinke in die Hand.

Wenn es “dramaturgisch nötig” ist, holt unser Autor auch weiter aus, bis in die inflationären 1970er oder die frühen Berufsjahre Jay Powells beispielsweise;

im Großen und Ganzen bleibt Leonard aber in den vergangenen 10 Jahren.

Der zweite Abschnitt seines Buchs, widmet sich dem “Age of ZIRP“, dem Zeitalter des kostenlosen Gelds von 2011 bis 2015 bzw. 2019.

Diese Ära ist einerseits durch die Nullzinspolitik und andererseits durch die “quantitative Lockerung” geprägt, worunter die massenhafte Erzeugung von Zentralbankgeld z.B. durch den Ankauf von Staatsanleihen durch die Fed verstanden wird

(die Details sind zahlreich und komplex, aber dem Autor ist es ein echtes Anliegen, die Vorgänge verständlich zu machen).

Diese zwei Zentralbank-Politiken, sagt der Autor, mögen gut gemeint gewesen (“Ankurbelung des Wachstums”), hätten aber

  • zu spekulativen Exzessen sowie zu
  • rasch wachsender Einkommens- (und Vermögens-)Ungleichheit geführt. Das zentrale Argument besagt, dass die von der Fed verursachte Asset Price Inflation ausschließlich den Wenigen zugute kommt, die diese Vermögenswerte auch besitzen (Aktien, Bonds, Immobilien), die allgemein bekanntere “Verbraucherpreisinflation” blieb dagegen (zunächst) mysteriös niedrig.

ein Szenario, vor dem L.s Landsmann im engeren Sinn, Hoenig, schon Jahre vorher gewarnt habe.

Der frühere Präsident der Kansas-Fed – und spätere Chef der Einlagensicherung des Bundes, FDIC – wIrd üblicherweise als

“Über-Falke” oder herzloser Melloninist charakterisiert, was er nach Darstellung Leonards aber nie gewesen ist 

- sondern Befürworter strengen Vorgehens auch gegen große Finanzdienstleister.

2008/09 hatte H. noch für das als Notmaßnahme verstandene erste Quantitative Easing der (Bundes-) Fed gestimmt,

sich zwei Jahre später aber einem Neuaufguss verweigert, der helfen sollte, das trotz beendeter Krise anämische Wachstum wieder auf Trab zu bringen. Hoenig verlor diese Abstimmung krachend, verhinderte aber immerhin die symbolisch bedeutsame Einstimmigkeit.

Der Banker, der nach seinem Ausscheiden aus Kansas-Fed und FOMC geldpolitisch keine Rolle mehr spielte, dient L. als intellektueller Bezugspunkt, eine Art Vergil, der den Autor durch die Hölle des Easy Money führt.

Die Gegenfigur dazu ist John Feltner, ein einfacher Blue-collar worker, der in einem Zulieferbetrieb des Mittleren Westens gutes Geld verdiente, bis er in der ZIRP-Ära seinen bis dahin “sicheren Job” verlor.

Das ist allein deswegen pikant, weil Rexnord an der Wiege des beachtlichen Privatvermögens des heutigen Fed-Präsidenten Jerome Powell steht,

der für die Carlyle Group 2002 Rexnord übernommen und vier Jahre später um 900 Millionen Dollar teurer weiter verkauft hat.

Vom damaligen Wirken Powells weiß Leonard nichts Anrüchiges zu berichten. Die Übernahme des Kaufpreises durch das übernommene Unternehmen sowie dessen Weiterverkauf bei günstiger Gelegenheit sind jedenfalls bis heute branchenüblich.

Ärger soll’s die Carlyle-Nachfolgerin getrieben haben, ebenfalls ein Private Equity-Firma.

Die neue Eigentümergesellschaft soll, von den perversen Anreizen billigen Gelds verführt, auf dem Rücken von Rexnord financial engineering bis zum Exzess betrieben haben.

Bernanke, Yellen, Powell

Als Powell 2011 von Obama ins Board of Governors geholt wurde, hatte dieser schon gut fünf Jahre nichts mehr mit Rexnord zu tun (und war im Übrigen anfangs kritisch gegenüber QE & Co. eingestellt,

eine Haltung, die sich mit der Zeit merklich abschwächte).

Ende 2014 war das Ende der Laufzeit von Ben Bernanke erreicht und das Staffelholz ging an dessen langjährige Unterstützerin Janet Yellen, heute Bidens Finanzministerin, über.

Knapp davor war beschlossen worden, jetzt endgültig die Luft aus der auf 4,5 Billionen Dollar angewachsenen Bilanzsumme “auszulassen”,

ein Vorgang der Monate und Jahre in Anspruch nahm – länger als die Amtszeit von Yellen währte.

Anfang 2018 ließ Donald Trump Powell zum Chef der Fed ausrufen (die Auswahl traf letztlich Finanzminister Steven Mnuchin, ebenfalls ein “Investmentbanker”)

und die Powell-Fed setzte den restriktiven Kurs fort – zunächst.

Der Donald fühlte sich alsbald gegenüber seinem Vorgänger Barack zurück gesetzt, dem die Fed 2012, unmittelbar vor der zweiten Wahl, schnell noch QE3 beschert hatte,

weswegen er via Twitter eine Zinssenkung verlangte.

Das war derart plump, dass das FOMC unmöglich darauf hätte eingehen können – selbst wenn das Komitee dies für angebracht gehalten hätte.

Aber im folgenden Dezember brach der Aktienmarkt ein und Powell schwenkte binnen 14 Tagen um 180 Grad um.

Man ging erneut auf Senkungs- und (Bilanz-)Ausweitungskurs.

Weitere neun Monate später spielte der Repo-Markt verrückt, was die Fed mit dem “Drucken” von 400 Mrd. Dollar beantwortete (“invisible bail out”).

Das geschah bereits ein paar Monate vor dem Auftauchen der Pseudo-Seuche in China, der der dritte und letzte Abschnitt gewidmet ist (“Let them Eat Assets”).

Im März und April  2020 stellten Powell und Mnuchin ein “Hilfspaket” auf die Beine, das das 2008/09 agiernde Trio Paulson, Bernanke und Geithner alt aussehen lässt.

Die damaligen Hilfen kosteten je nach Rechenweise budgetär zwischen 500 und 1.000 Mrd. Dollar, während allein 2020 allein das zwischen demokratischem Repräsentantenhaus und Trump-Administration vereinbarte CARES-Gesetz 2.200 Dollar ausmachte.

Während QE1 (inklusive März 2009) einen Rahmen von ca. 1.500 Dollar vorsah (Käufe von “GSE debt” & MBS), erschuf die Fed 2020 binnen 90 Tagen 3.000 Milliarden Dollar “aus dem Nichts”, wie Leonard schreibt.

Während die Gelder des CARES Act 2020 wenigstens zur Hälfte an die Main Street gingen (“Paycheck Protection Programme”, “Stimmy checks”), habe der Löwenanteil der Fed-Mittel nur wenige Institutionen und superreiche Individuen erreicht.

Ein von der Fed ursprünglich vorgesehenes Lending Programme für kleine Unternehmen der Realwirtschaft habe sich jedenfalls als Rohrkrepierer erwiesen.

Ende 2020 schließlich sei das ursprünglich mit der Pseudo-Seuche begründete Quantitative Easing von 120 Milliarden pro Monat  auf unbestimmte Zeit verlängert worden (“semipermanentes QE”).

Aus heutiger Sicht stellt sich freilich die Frage, inwieweit die Zentralbank angesichts einer relativ hohen Verbraucherpreisinflation (7% “headline CPI yoy”) eine derartige Politik beibehalten kann

und wie ernst die jüngsten Tapering-Ankündigungen der Fed zu nehmen sind.

***

Womit wir ein weiteres Mal beim Ceterum Censeo dieses Blogs angekommen wären:

Leonard thematisiert völlig zu Recht das zentrale monetäre Phänomen des vergangenen Jahrzehnts

- wie aber hängt Easy Money allgemein mit dem Energiesystem seines Landes und speziell mit der dortigen Shale Revolution zusammen?

Ziemlich eng, wie dieser Blogger mutmaßt.

Unabhängiger Journalist

Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.