Nicht erst seit gestern prasselt auf die arg- und wehrlosen Europäer in Sachen Erdgas eine regelrechte Lügen-Kloake ein, dessen Haupt-Urheber diesem Blogger bisher verborgen geblieben ist (vermutlich sind es beide Seiten des Konflikts). Das jüngste Lügen-G’schichterl, das seit Tagen – über traditionelle und neue Medien verstreut – ventiliert wird, betrifft ein mysteriöses Gerichtsurteil, das die teilstaatliche österreichische OMV dazu zwingen soll, die Bezahlung ihres bisherigen Lieferanten Gazprom einzustellen – was wiederum “zwingend” zur Einstellung von dessen Lieferungen führen würde. Das wäre sehr wohl ziemlich schlimm für Österreich und ein paar andere kleinere mitteleuropäische Staaten – nicht aber der melodramatisch beschworene game changer für industrielle Schwergewichte wie Oberitalien.
Das jüngste Omelette aus Verlogenheit und journalistischer Inkompetenz gibt’s auf Naked Capitalism zu bewundern, das wiederum bei Zerohedge “nachgedruckt” wurde.
Es handelt sich um eine sozusagen aufgepimpte Story, die unter regionalen und branchenmäßigen Interessenten schon seit etwa zwei Wochen die Runde macht:
Nun ist diese OMV-Verlautbarung selbst eine Sache, die – gelinde gesagt – seltsam riecht
- und der eine “unabhängige Presse” nachgehen würde, wenn es eine solche noch gäbe.
Klar ist – und diese Binsenweisheit wird hüben und drüben getreulich reportiert -, dass eine solche Entwicklung das letzte “Tröpfeln” russischen Gases nach Mitteleuropa vorzeitig zum Erliegen bringen würde
(also noch vor Jahreswende 2024/25, wenn der russisch-ukrainische Transitvertrag ausläuft).
Nun fehlt freilich noch ein Stück bis zum hier thematisierten Naked Capitalism-Elaborat, ein Stück, das sich “wg. Kompetenz” z.B. die PR-Abteilung eines “Energiekonzerns” nie erlauben dürfte.
Dieses Stück könnte man als “faktenwidrige Behauptung” bezeichnen, als “faktenwidrige Behauptung” über die Bedeutung des verbleibenden russischen Erdgases für die industrielle Wertschöpfung Italiens (Naked Capitalism: “Now what was left of Italian manufacturing is being killed”).
Aber ist diese Behauptung rein rechnerisch überhaupt möglich?
Dieser Blogger sagt NEIN und begründet das folgendermaßen:
Die durch das mysteriöse Gerichts- bzw. Schiedsurteilurteil bedrohten Gasflüsse nach und über Österreich, sind für einen Kleinstaat zwar sehr wichtig, im “großen, d.h. europäischen Bild” sind sie aber vernachlässigenswert.
Sie betragen je nach Zählung zwischen 12 und 18 Mrd. Kubikmeter jährlich
- was ein Klacks ist gegenüber einem jährlichen europäischen Gaskonsum von 500 bis 600 Mrd Kubikmetern (EI, Statistical Review of World Energy 2023, Seite 32 und BP, Statistical Review of World Energy 2022, Seite 31).
Die russischen Gaslieferungen nach “total Europe” haben sich vor den “Sanktionen” auf 150 – 170 Mrd. m3 belaufen (z.B. BP, Statistical Review 2022, pp 34 und 37).
Die oben fett hervorgehobene Zahl ist als Größenordnung zu verstehen,
wobei sich die obere Begrenzung aus einer von diesem Blogger hier angestellten eigenen Überschlagsrechnung ergibt, die ihrerseits auf Basis eines Bloomberg-Charts vorgenommen (extrapoliert) wurde:
und die untere “Leitplanke” die Zählung von S&P Global gemäß Reuters darstellt
(im Zweifel würde ich Letzterem den Vorzug geben).
Im vergangenen Jahr (2023) haben die Russen (offenbar OHNE LNG) übrigens gerade noch 28,3 Mrd m3 nach “Europa” geliefert – siehe hier -,
eine Zahl, die auch Lieferungen via “Turkstream” beinhaltet.
Von dem “nach Europa” gehenden russischen Erdgas über die Südroute des über die Ukraine führenden Leitungssystens verbleiben übrigens zwei Drittel bis drei Viertel in Österreich und der Slowakei sowie vielleicht in Ungarn
Und der Rest auf die 12 – 18 Mrd. Kubik soll für die italienische Industrie den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen?
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