Jetzt dachte man die ganze Zeit, die gängige Vernebelungstaktik um angeblich unerschöpfliche Reserven beschränke sich auf Vorkommen, die a) schon “entdeckt”, aber eigentlich noch Ressourçen sind (“2PC”) sowie b) auf jene, die überhaupt erst in Zukunft entdeckt werden (“2PCX”), da wird “man” – zack – eines Besseren belehrt. “Watcher” wie zum Beispiel der Blogger Quark aus Spanien, werden dann oft so desparat, dass sie überhaupt den Hut draufhauen wollen. Anlass sind etwa neue Zahlen von Rystad Energy, die nach einer “Revision” ohne vernünftige Begründung und unabhängige Begutachtung eine substantielle Erhöhung der 1P und 2P-Reserven ausweisen, ausgehend von Saudiarabien und anderen OPEC-Mitgliedern.
Der Effekt ist u.a., dass auf dem Papier allein 1P neuerdings eine “Lebenserwartung” von 15 statt wie bisher 9,4 Jahren hat und dass es jetzt weltweit 449 Mrd. statt wie bisher bloß 285 Mrd. Barrel 1P gibt.
Bezüglich 2P vermerkt selbst Quark mit seinem Zugang zur Rystad-Datenbank nichts bezüglich deren präsumptiver Lebensdauer, aber die “proved and probable reserves” (2P)
sollen neuerdings (weltweit) 738 statt wie bisher 505 Mrd. Barrel ausmachen, was ein Anstieg von 233 Mrd. Barrel oder coolen 46 Prozent ist – 193 Milliarden davon kommen übrigens aus OPEC-Ländern und weitere 28 Mrd. aus Russland.
Die Zahlen sind allesamt diesem spanischsprachigen Posting entnommen, aber es besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass diese von Rystad Energy stammen (vorbehaltlich eventueller Übertragungsfehler).
Nun ist an dieser Stelle ein
kleiner Exkurs
zum Thema “Reserven, heutige sowie erst künftig zu entdeckende Ressourçen” angebracht,
u.a. weil auch manche ansonsten eher kritische Geister dem Zauber des Schindluders erliegen, den internationale Organisationen, Staaten und Unternehmen mit angeblichen oder wirklichen Öl-Reserven treiben.
Auch diese Chose ist natürlich kompliziert und spezialisierte Erdölingenieure könnten sich über die Feinheiten fast unbeschränkt auslassen, aber für englisch lesende Laien reicht vorerst einmal dieser Link von Thetys Oil und dieser von Wikipedia.
Dazu kommt, dass man auch über die Klassifikation der von diesem Blogger als Maßstab bevorzugten 2P-Reserven diskutieren müsste
- aber das würde ausufern. Es reicht vorerst zu wissen, dass es mehr als diskussionswürdige Argumente gibt, warum schon ein Teil der (historisch) als 2P klassifizierten Reserven ein unangebracht optimistisches Bild zeichnen.
Aber belassen wir es zunächst einmal bei 2P und nehmen wir an, dass alle berücksichtigten “probable reserves” eine Förderung lohnen und dass für eine solche genug “surplus energy” da ist, nicht mehr und nicht weniger.
Nehmen wir einfach an, die “härteste Öl-Reserven-Währung” wäre 2P, was vielleicht nicht ganz stimmt, was aber definitiv realistischer ist als z.B. “2PCX”.
Dann hätte die Welt bei einem konstanten Jahresverbrauch von 35,44 Mrd. Barrel Erdöl für weitere 14,25 Jahre (wahrscheinlich etwas weniger, weil die Menschheit mittlerweile täglich mehr als 100 Mio. Barrel “All Liquids” verbraucht und nicht 97,1 Mio. wie noch 2016).
Das wäre die Rechnung für die Rystad-Zahlen von 2023. Für die “revidierten Zahlen” von 2024 käme man für 2P bereits auf 20,8 Jahre.
Nun sollte man im Rahmen dieses “kleinen Exkurses” erwähnen, dass sowohl “Reserven” als auch “kontingente Ressourçen” eine in einander verschachtelte Struktur aufweisen,
ähnlich den “Geldmengenaggregaten” unseres Finanzsystems, wo “M0″ und “M1″ auch Teil von “M2″ und “M3″ sind.
Analog dazu ist 1P (“proven”/”proved”) auch Teil von 2P (“proved AND probable”) und natürlich auch von 3P (“proved, probable AND possible”; 3P sagt freilich nix aus, weswegen es üblicherweise ignoriert wird).
Das gleiche Spiel wiederholt sich bei den “contingent ressources”, die eben keine Reserven sind, obwohl Krethi & Plethi diese für solche halten. Auch bei den kontingenten Ressourçen gibt es “proved” (1PC) und “proved AND probable” (2PC), die Quark in die vierte Spalte seiner Tabelle einfüllt (die Zahlen kommen, wie immer, von Rystads “UCube”).
Diese Vorkommen sollen mit aktueller oder auch nur in Entwicklung befindlicher Technologie potenziell abbaubar sein, die tatsächliche Förderung derzeit aber nicht für kommerziell gangbar gehalten werden.
An dieser Stelle liegt übrigens “ein gewaltiger Hase im Pfeffer”, der freilich schon bei einem Teil der bereits zu Reserven erklärten 2P-Vorkommen da ist:
Um die noch immer so reichlich vorhandenen 2PC-Vorkommen zu entwickeln und wirklich zu fördern, darf es keine “kontingenten Hinderungsgründe” geben, allen voran den Preis, der schon heute die hohen energetischen Kosten zur Entwicklung neuer Lagerstätten wohl NICHT KORREKT reflektiert.
Mannigfaltige Hinderungsgründe für Öl-Förderung
Außer einem nicht ausreichenden “Produktenpreis” ist freilich eine Reihe anderer möglicher Hinderungsgründe vorstellbar, etwa
- das Fehlen von Eigen- und/oder Fremdkapital,
- ideologische Motive, aus denen beispielsweise das Management von sich aus auf die Förderung eines vermeintlichen Atmosphäregifts verzichtet oder
- regulatorische Gründe – wenn jenen, die ansonsten die Mittel hätten, Neuerschließungen bzw. “Re-engineerings” staatlich verboten werden.
- Viertens sind “statistische Artefakte” nicht auszuschließen, in jenen Fällen, in denen die vermuteten vorhandenen Bodenschätze gar nicht vorhanden sind.
Wie dem auch sei – die neuen Zahlen von Rystad Energy weisen um 233 Mrd. Fass mehr 2P aus, was teilweise wohl auf Kosten der um 59 Mrd. Fass verringerten 2PC gekommen ist (1.283 Mrd. minus 1.224 Mrd)
- ein “gutes Geschäft”, auch deswegen,
weil 2P ohne Wenn und Aber als “Reserven” bezeichnet werden dürfen (was bei “kontingenten Ressourçen” eigentlich nicht der Fall ist).
Das ist IMO zwar eine eher technische Geschichte, kann im “öffentlichen Diskurs” aber eine Rolle spielen.
Für den “öffentlichen Diskurs” haben durch die jüngste Revision jedenfalls 233 Mrd. Barrel weltweit einen “Reserven-Erscheinibus” gemacht (siehe oben).
Ein “Erscheinibus” ist das Gegenteil dessen, was mit Bezug auf physisches Gold etwa der österreichischen Nationalbank “Verschwindibus” genannt werden kann.
Erscheinibus und Verschwindibus
Zur Erinnerung (z.B. zu hier):
Das vor Eurobeitritt und IWF-Accounting-Ukas – siehe u.a. hier – wohl vorhandene und bilanziell verbuchte physische “Staatsgold” hat nach etwa 2000 insofern einen (teilweisen?) “Verschwindbus” gemacht, als die bei den “Assets” verbuchten Goldbestände der Notenbanken auch “paper claims”, Gold-Ansprüche sein können.
Trotz jährlich gelegter Bilanzen im Namen der “Transparenz”
lässt sich bei den Notenbanken das Verhältnis von physischem Gold und gold claims von außen nicht sicher bestimmen und dieser Blogger meint auf Basis diverser Indizien, dass ein Viertel bis ein Drittel des ursprünglichen europäischen Staatsgoldes “den Verschwindibus gemacht hat”.
Und ähnlich wie Gold mithilfe eines Accounting-Gimmicks den “Verschwindibus machen” kann, können Öl-Reserven mithilfe von statistisch relevanten “Reklassifizierungen” den “Erscheinibus machen”,
wie soeben bei Rystad Energy gesehen und von Quark zähneknirschend bemerkt.
Das bedeutet freilich nicht, dass das vor dem IWF-Ukas angesammelte physische Staatsgold noch zur Gänze in der Verfügungsgewalt derjeweiligen Notenbanken steht,
und auch nicht, dass statistisch erzeugte neue Öl-Reserven auch tatsächlich ausgebeutet werden können.
Grafik: eigene auf Basis der Quark- bzw. Rystad-Zahlen und (bearbeiteter) Screenshot Quark-/Rystad-Tabelle 2024.
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